Radarmission SIR-C/X-SAR auf der Endeavour: Rückblick

Künstlerische Darstellung des Radar Lab an Bord des Space Shuttle, die Endeavour im Rahmen der Shuttle-Radar-Missionen SIR-C/X-SAR 1994.
Künstlerische Darstellung des Radar Lab an Bord des Space Shuttle, die Endeavour im Rahmen der Shuttle-Radar-Missionen SIR-C/X-SAR 1994.
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Ein Meilenstein war das Multifrequenz-Radarsystem SIR-C/X-SAR, das vor 25 Jahren mit dem Space Shuttle Endeavour gleich zweimal um die Erde flog. Es war das bis dato fortschrittlichste zivile Radar im Erdorbit – und für die Erdbeobachtung ein so großer Schritt wie der Übergang vom Schwarz/Weiß- zum Farbfilm in der Fotografie.

SIR-C/X-SAR, die Radarmission mit dem sperrigen Namen, war im April und Oktober 1994 ein gemeinsames Raumfahrtprojekt der DARA – der Deutschen Agentur für Raumfahrtangelegenheiten, des heutigen DLR Raumfahrtmanagements –, der US-amerikanischen NASA sowie der italienischen Raumfahrtorganisation ASI (Agenzia Spaziale Italiana). Das X-SAR-Radarinstrument wurde unter der Leitung der DARA von Dornier/Daimler-Benz Aerospace (heute AIRBUS Defence and Space) und der italienischen Firma Alenia Spazio (heute TAS-I) entwickelt und gebaut. Das DLR, das damals noch Deutsche Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt hieß, hatte die wissenschaftliche Leitung und führte die Kalibrierung der X-SAR-Daten, den Missionsbetrieb und die Datenprozessierung für X-SAR durch.

Radar: Wichtiger Beobachtungskanal auf die Erde

Das NASA Jet Propulsion Laboratory (JPL) baute das SIR-C-Instrument und leitete diesen Teil der Mission. Im Oktober 2019 jährt sich der zweite Flug des Instruments auf dem Space Shuttle Endeavour zum 25. Mal. Die Radardaten sind heute noch verfügbar und werden auch heute noch in der Wissenschaft genutzt. Das Earth Observation Center des DLR plant aktuell die Entwicklung eines neuen SIR-C/X-SAR-Datenprozessors.

L, C und X waren die drei Frequenzbänder, in denen das System parallel arbeitete. Dieses “multifrequente” SAR – die Abkürzung steht für Synthetic Aperture Radar – stellte auf seinen beiden zehntägigen Raumflügen eine hohe technologische Leistungsfähigkeit unter Beweis. Die gesammelten Radardaten wurden in den Folgejahren die Grundlage für über 5.000 wissenschaftliche Publikationen.

Radar erlaubt eine hochgenaue Abbildung der Oberfläche und hat gegenüber optischen Kameras einen großen Vorteil: Aufnahmen gelingen nicht nur bei bester Sicht, sondern auch bei Bewölkung, Regen oder in der Nacht. Die Forschung an weltraumgestützten Radartechnologien blickt auf eine lange Historie zurück.

Experten im Gespräch über die Radarmission

Manfred Zink vom DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme und Rolf Werninghaus vom DLR-Raumfahrtmanagement waren beide in den Vorgängerorganisationen des DLR an der erfolgreichen Mission SIR-C/X-SAR beteiligt. Zink ist seit 2006 Abteilungsleiter und schon seit 1988 im Bereich der satellitengestützten Radartechnologien in Oberpfaffenhofen tätig. SIR-C/X-SAR war seine erste Mission.

Rolf Werninghaus ist seit 2016 Leiter der Abteilung Projektunterstützung im DLR Raumfahrtmanagement (ehemals DARA) und war ebenfalls seit 1988 an mehreren Radarmission beteiligt. Beim ersten SIR-C/X-SAR-Flug arbeitete er als Interface-Ingenieur, später – bei der zweiten SIR-C/X-SAR Mission sowie der Shuttle Radar Topography Mission (SRTM) sowie bei TerraSAR-X und TanDEM-X – war Werninghaus als Projekt- beziehungsweise Programmleiter tätig.

Herr Zink, wie waren Sie an der Radarmission SIR-C/X-SAR beteiligt?

Manfred Zink: Ich wurde 1988 für das X-SAR-Projekt eingestellt und war für die Kalibrierung verantwortlich. Das war damals weitgehend Neuland. Dafür haben wir im “Supersite” Oberpfaffenhofen entlang einer mehr als 100 Kilometer langen Nord-Süd-Achse Reflektoren und Bodenempfänger aufgebaut. Mit diesen Messungen wurden die drei Radarinstrumente genau kalibriert und damit die Voraussetzung für die Nutzung in den verschiedenen Anwendungsfeldern geschaffen.

Herr Werninghaus, in welcher Rolle waren Sie während der Mission?

Rolf Werninghaus: Auch ich wurde im August 1988 für den X-SAR-Teil der Mission eingestellt und war dann bis zum ersten Flug im April 1994 als Schnittstellen-Ingenieur tätig. Das war für mich eine sehr spannende Zeit, da ich insbesondere für die technischen Schnittstellen unseres X-SAR zum SIR-C-Instrument unseres Partners JPL sowie natürlich zum Space Shuttle der NASA verantwortlich war. Für den zweiten Flug im September 1994 war ich dann als Projektleiter tätig.

Welche Einsatzgebiete für Radar in der Fernerkundung der Erdoberfläche gibt es?

Manfred Zink: Die Anwendungsfelder reichen von der Geologie über Ökologie und Hydrologie bis zur Ozeanographie und Gletscherforschung. Sie wurden in der SIR-C/X-SAR-Mission von einem internationalen Wissenschaftsteam untersucht. Darüber hinaus gab es auch erste sehr erfolgreiche Demonstrationen von Radar-Interferometrie. Dabei wird eine Region aus zwei leicht unterschiedlichen Positionen von den Radarsensoren aufgezeichnet, um 3-dimensionale Karten, die sogenannten digitalen Höhenmodelle abzuleiten.

Was waren die größten technischen Herausforderungen? Was die Innovation?

Rolf Werninghaus: SIR-C/X-SAR war die bislang einzige multifrequente SAR-Mission. X-SAR war das erste zivile X-Band-SAR im Orbit. SIR-C/X-SAR war ein Demonstrator für eine Vielzahl von Verfahren, die heutige Missionen ganz selbstverständlich nutzen, wie etwa den Betrieb im ScanSAR und Spotlight Mode oder die Interferometrie zur 3D-Kartierung, Erfassung von Deformationen der Erdoberfläche, Gletscherbewegungen und Meeresströmungen. Neben den vielfältigen technischen Neuerungen der drei Radarinstrumente war sicher die Integration zu einem multifrequenten System die größte technische Herausforderung.

Was heißt “multifrequentes Radar” und wo liegen die Vorteile?

Manfred Zink: Ein multifrequentes Radar misst gleichzeitig in unterschiedlichen Frequenzbändern. Die Frequenz der Radarpulse ist einer der wesentlichen Parameter, der die Rückstreuung von Oberflächen oder die Eindringung in Volumenstreuer wie Vegetation, Eis, trockenen Boden und Sand bestimmt. So durchdringen langwellige L-Band-Signale beispielsweise einen Wald vollständig und erfassen auch den festen Boden. Kurzwellige X-Band-Messungen “sehen” nur die Baumkronen . Eine wesentliche Erkenntnis aus der SIR-C/X-SAR-Mission war die Notwendigkeit von SAR-Systemen in den verschiedenen Frequenzbändern, um die unterschiedlichen Anwendungen optimal zu bedienen.

Die heutigen Satelliten TerraSAR-X und TanDEM-X fliegen im Duo und werfen gemeinsam einen “Stereo-Blick” auf die Erde. Ihre Daten werden überlagert und zu dreidimensionalen Höhenmodellen verrechnet. Wie waren topographische Kartierungen 1994 möglich – mit nur einem “Radarauge” auf dem Space Shuttle?

Manfred Zink: Grundsätzlich kann man die zwei Aufnahmen für den “Stereo-Blick” auch zeitlich versetzt mit nur einem “Auge” erfassen. Jegliche zwischenzeitliche Veränderung der Objekte am Boden vermindert aber die Genauigkeit der Kartierung. Die gleichzeitige Aufnahme von TerraSAR-X und TanDEM-X ist der Schlüssel für hochgenaue 3D-Vermessung aus dem Orbit.

Wie viel DLR steckte in SIR-C/X-SAR?

Rolf Werninghaus: Das X-SAR-Projekt wurde von der DARA in Kooperation mit ASI geleitet und über eine Kooperationsvereinbarung mit NASA in die zwei SIR-C/X-SAR-Missionen auf dem Space Shuttle eingebracht. Das Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme hat das X-SAR gemeinsam mit der Industrie konzipiert, die Mission auf deutscher Seite wissenschaftlich geleitet und war für die Kalibrierung und zusammen mit dem German Space Operation Center (GSOC) für den Missionsbetrieb verantwortlich. Der X-SAR-Prozessor und die Nutzerschnittstelle wurden vom heutigen Earth Observation Center (EOC) entwickelt und betrieben.

Und wie viel SIR-C/X-SAR steckt in der aktuellen Radarsatellitenmissionen TerraSAR-X und TanDEM-X?

Manfred Zink: X-SAR ist der technologische Vorläufer unserer TerraSAR-X- und TanDEM-X-Satelliten. Ohne die Shuttle-Missionen wären sie nur schwer zu realisieren gewesen. TanDEM-X hat natürlich auch sehr stark von der SRTM, der Shuttle Radar Topography Mission, profitiert. Die Mission war quasi die “dritte” SIR-C/X-SAR-Mission im Jahr 2000, bei der durch zusätzliche Antennen an einem 60 Meter langen ausfahrbaren Mast ein C- und X-Band-Radarinterferometer zur 3D-Vermessung realisiert wurde.

Wie haben sich Forschung und Entwicklung von Radartechnologien in den letzten 25 Jahren verändert?

Rolf Werninghaus: Heutige Radarsysteme gehen über den anfänglich experimentellen Status hinaus und werden mittlerweile operationell für vielfältige Anwendungen und Dienste genutzt. Das beste Beispiel sind die Sentinel-1-Satelliten im Copernicus Programm. Die Abbildungsleistung zukünftiger Systeme kann durch neue Techniken wie die digitale Formung des Radarstrahls und neue Systemarchitekturen mit großen entfaltbaren Reflektoren oder zusätzliche Satelliten deutlich gesteigert werden. HRWS, ein X-Band-SAR der nächsten Generation mit hochauflösender Bildgebung bei gleichzeitig breiter Abdeckung am Boden, und Tandem-L sind die vom DLR vorgeschlagenen Nachfolgemissionen für TerraSAR-X/TanDEM-X. Sie sollen die Erde mit noch höherer Auflösung erfassen beziehungsweise im Wochenrhythmus interferometrisch abbilden. SAR-Systeme können auch auf mehreren in Formation fliegenden Plattformen verteilt werden und ermöglichen so ganz neue, auf NewSpace-Technologie basierende Ansätze.

An welche Erlebnisse aus der Zeit erinnern Sie sich nach 25 Jahren noch gut?

Rolf Werninghaus: Ich bin 1988 wegen der X-SAR-Missionen direkt von der Uni zum DLR gekommen und hatte dann plötzlich sofort und hautnah mit den aus dem Fernsehen bekannten NASA-Zentren in Florida und Houston zu tun. Das waren schon sehr intensive und aufregende Eindrücke für einen frischen Uni-Abgänger. Nach dem Start der ersten Mission hatte es im X-SAR-Instrument zunächst eine Fehlfunktion gegeben. Das Radar ließ sich anfangs einfach nicht einschalten! Das war natürlich nach den jahrelangen Vorbereitungen für alle Beteiligten zutiefst frustrierend. Zum Glück ist es uns dann nach einigen Stunden gelungen, den Fehler zu verstehen und X-SAR doch noch in Betrieb zu nehmen. Eine riesige Erleichterung.

Manfred Zink: Unsere Kalibriergeräte mussten wir vor jedem Überflug neu auf den Shuttle-Orbit ausrichten. Bei typischen Überflugzeiten zwischen fünf und sieben Uhr morgens und mindestens drei Stunden Vorlauf hieß das mitten in der Nacht raus. An einem Tag im April 1994 hatte es am späten Abend fast 20 Zentimeter geschneit: richtig nasser Neuschnee, für Bayern nicht ungewöhnlich, aber eine große Herausforderung für unsere Kampagnenteams. Wir haben es trotzdem geschafft, alle Messungen in den Kasten zu bekommen.

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