Absturz vor Landebahn in EDMB – Straße irritiert Pilot

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Der Luftfahrzeugführer startete um ca. 13:30 Uhr vom Verkehrslandeplatz Pfullendorf (EDTP) zu einem Flug zum Verkehrslandeplatz Biberach a. d. Riß (EDMB). Dort sollte in einem Wartungsbetrieb die Jahresnachprüfung des Luftfahrzeuges durchgeführt werden. Mehrere Zeugen in der unmittelbaren Umgebung des Flugplatzes sagten aus, dass zuerst ein Motorengeräusch zu hören war und anschließend das Luftfahrzeug aus dem Nebel kommend, sehr tief fliegend sichtbar wurde.

Ereignisse und weiterer Flugverlauf

Nach einer Flugzeit von ca. 32 Minuten hatte sich der Pilot gegen 13:55 Uhr über Funk beim Verkehrslandeplatz Biberach gemeldet und seine Landeabsicht mitgeteilt. Dies war mit der Übermittlung der Landeinformationen beantwortet worden. Das Luftfahrzeug befand sich zu diesem Zeitpunkt südwestlich des Flugplatzes. Aufgrund der Radaraufzeichnungen konnte die Annäherung an den Flugplatz rekonstruiert werden.

Identifikation

  • Art des Ereignisses: Unfall
  • Datum: 18. November 2012
  • Ort: Verkehrslandeplatz Biberach a. d. Riß
  • Luftfahrzeug: Flugzeug
  • Hersteller / Muster: Costruzioni Aeronautiche Technam/ P 2006 T
  • Personenschaden: eine Person tödlich verletzt
  • Sachschaden: Luftfahrzeug zerstört
  • Drittschaden: Flurschaden

Kurz nach 14:00 Uhr wurde vom Tower aus beobachtet, dass das Luftfahrzeug südlich versetzt die Piste 04 anflog. Die Höhe wurde auf ca. 500 ft AGL geschätzt. Vom Tower erhielt der Pilot die Information, dass das Luftfahrzeug in Sicht sei. Ein weiterer sachkundiger Zeuge beobachtete vom Tower aus, dass der Pilot einen Vollkreis nach links einleitete und dabei in den Sinkflug überging. Bei dem Versuch, die Landebahn 04 aus diesem Vollkreis anzufliegen, überschoss er die Anfluggrundlinie zuerst nach rechts und danach nach links. Abb. 3 zeigt die Annäherung an den Flugplatz, Abb. 3 zeigt eine schematische Darstellung des Anfluges der Piste 04, wie sie ein Zeuge beschrieb.

Nach einer Richtungskorrektur im Steigflug nach rechts kippte das Luftfahrzeug vornüber, stürzte zu Boden und überschlug sich. Der Pilot wurde tödlich verletzt und das Luftfahrzeug zerstört.

Angaben zu Personen

Der 62-jährige Luftfahrzeugführer war seit dem 13.08.1991 Inhaber einer Lizenz für Privatpiloten, ausgestellt nach den Richtlinien der ICAO. Die Erlaubnis war bis 26.05.2015 gültig. Er besaß die Berechtigung als verantwortlicher Pilot auf einmotorigen Landflugzeuge (SEP land), gültig bis 26.05.2013 und mehrmotorigen Landflugzeugen (MEP land), gültig bis zum 08.03.2013. Sein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 2 war bis 27.05.2013 gültig, verbunden mit der Auflage eine Sehhilfe zu tragen und eine entsprechende Ersatzbrille mitzuführen.

Er besaß ein “Beschränkt Gültiges Sprechfunkzeugnis I” (BZF I), Level 4, gültig bis zum 13.11.2014. Die Gesamtflugerfahrung betrug ca. 1.048 Stunden. Auf dem betroffenen Muster hatte er eine Flugzeit von 127:05 Stunden mit 199 Starts und Landungen. In den letzten 90 Tagen betrug seine Flugzeit 09:16 Stunden.

Angaben zum Luftfahrzeug Tecnam P 2006 T

Die Tecnam P 2006 T ist ein zweimotoriger Hochdecker mit Einziehfahrwerk und Zweiblatt-Festdrehzahlpropeller. Die Tragflächen sind mit Winglets ausgerüstet und besitzen ein NACA-63A-Profil mit laminarer Strömung. Das Luftfahrzeug war mit zwei Rotax-912-Motoren mit einer Leistung von je 74 kW (100 PS) und zwei 100-Liter-Tanks in den Tragflächen ausgestattet. Die Navigationsausrüstung bestand aus einem fest eingebauten Satellitennavigationssystem GNS-530. Zusätzlich war im Luftfahrzeug ein Autopilot eingebaut. Außerdem verfügte es über eine Flugsicherungsausrüstung für Flüge nach Sichtflugregeln.

Das Flugzeug war in Deutschland zum Verkehr zugelassen und befand sich in Privatbesitz. An dem 2009 gebauten Flugzeug erfolgte die letzte Prüfung der Lufttüchtigkeit am 08.12.2011. Eine 100-Stunden-Kontrolle wurde am 08.12.2011 durchgeführt. Das Luftfahrzeug hatte seit der letzten Kontrolle eine Betriebszeit von 39 Stunden. Die Gesamtflugzeit betrug ca. 141:54 Stunden mit 224 Starts und Landungen. Nach dem Wägebericht vom 19.11.2009 lag die Leermasse bei 810 kg und die max. Abflugmasse bei 1.180 kg.

Meteorologische Informationen

Zur Startzeit betrug der Bewölkungsgrad am Flugplatz Pfullendorf 4/8, auflösend in ca. 300-400 ft GND. Am Zielflugplatz herrschte zur Unfallzeit eine Bodensicht von ca. 4.000 Meter und eine Bewölkung von 7/8 in ca. 500-600 ft. Der Wind wehte schwach aus ca. 160 Grad mit drei Knoten. Die Temperatur lag bei 5° C und der Luftdruck (QNH) betrug 1.014 hPa. Das Wettergeschehen laut Wettervorhersage für die allgemeine Luftfahrt (GAFOR):

Ein geschlossenes Nebelfeld überdeckt die Oberpfalz, fast ganz Niederbayern und den Norden Oberbayerns.

Weitere Nebelfelder liegen entlang der oberen Donau sowie im Norden Oberschwabens und am Bodensee. Darüber ziehen dünne Wolkenfelder in FL 060 bis FL 090 durch. Ein nebelfreier Bereich im Alpenvorland weitet sich bis Mittag nordwärts aus und erreicht nachmittags die Donau westlich der Lechmündung. Auch am Bodensee und im Südwesten Niederbayerns lösen sich die Nebelfelder teilweise auf.

Unter der Nebeldecke verbreitete Sicht 300 Meter bis 2.000 Meter. Bis Mittag in den trüben Regionen Sichtbesserung auf 2.000 bis 6.000 Meter. Im Alpenvorland in den nebelfreien Gebieten Sicht 40 bis 60 km.

Im GAFOR-Gebiet 72 wurde für den Tag M5, O, O gemeldet.

  • Mike 5 (M5): Horizontale Sichtweite am Boden 5-8 km und Wolkenuntergrenze mind. 500 ft über der Bezugshöhe.
  • Oscar (O): Horizontale Sichtweite am Boden 8 km oder mehr und keine Wolkenuntergrenze unter 2 000 ft über der Bezugshöhe.

Nach dem verkürzten Wettergutachten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) gab es auf der gesamten Strecke Pfullendorf-Biberach Nebel bzw. Hochnebel, in Ulm in 300 ft (siehe Wetterradar). Die Flugstrecke wurde auf der Abb. 4 vom Wettersatelliten markiert.

Funkverkehr

Es bestand Funkverbindung mit Biberach Info auf der Frequenz 122,750 MHz. Der Funkverkehr wurde nicht aufgezeichnet.

Angaben zum Flugplatz

Der Verkehrslandeplatz Biberach a. d. Riß liegt 1,3 nautische Meilen (NM) nordwestlich der Stadt Biberach. Er wird von einem Verein betrieben. Die Asphaltpiste mit der Ausrichtung 04/22 (038°/218°) hat eine Abmessung von 980 x 23 Meter und ist u. a. für motorgetriebene Luftfahrzeuge bis 5.700 kg Abflugmasse zugelassen. In Richtung 04 beträgt die verfügbare Landestrecke (LDA) 780 Meter und in Richtung 22 beträgt sie 980 Meter.

Beide Landerichtungen verfügen über eine Präzisions-Gleitwegbefeuerung (PAPI) mit 3,3°-Gleitweg. Für An- und Abflüge am Verkehrslandeplatz steht zusätzlich ein Peiler (VDF) zur Verfügung. Die nordwestliche Platzrunde für Motorflugzeuge ist mit 2.700 ft AMSL bei einer Flugplatzhöhe von 1.903 ft AMSL veröffentlicht. Abb. 5 zeigt die Flugplatzkarte von EDMB.

Flugdatenaufzeichnung

Der BFU lagen die Radardaten des Flugsicherungsunternehmens und der Bundeswehr zur Auswertung vor.

Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug

Das Luftfahrzeug lag ca. 210 m links vor der Schwelle der Piste 04 in Rückenlage. Die bis zur Kabine eingedrückte Nase zeigte ca. in Richtung 300°. Im Gras sowie am Luftfahrzeug waren Aufschlagspuren des Rumpfes und der rechten Tragfläche sichtbar. Die Fahrwerke waren ausgefahren und verriegelt. Die linke Seite des Rumpfes war im Bereich des Fahrwerkes von der Tragflächenunterseite bis zur Rumpfunterseite ca. 15 cm aufgerissen.

Teile der Nase und der Cockpitverglasung waren in Aufschlagrichtung im Gras verteilt. Der obere Teil des Cockpits war nach innen gedrückt. Die linke vordere Tür lag ca. 4 m vom Aufschlagpunkt entfernt im Gras, links daneben befand sich die rechte untere Triebwerksverkleidung. An der rechten Tragfläche war die Nasenkante gestaucht. Im Bereich zwischen dem rechten Triebwerk und dem aufgerissenen Winglet waren Erdanhaftungen sichtbar. Das linke Winglet war gestaucht und ebenfalls aufgerissen. Beide Tragflächen waren deformiert und aus den Aufhängungen gerissen.

Die Landeklappen waren teilweise ausgefahren und deformiert. Das Trimmruder des Höhenruders stand auf “kopflastig”. Am linken Triebwerk war die Aufhängung geknickt sowie die Verkleidung aufgerissen. Ein Propellerblatt war an der Blattwurzel und ein weiteres auf zirka halber Länge abgebrochen. Das rechte Triebwerk war aus der Aufhängung gerissen und beide Propellerblätter waren abgebrochen. Abb. 1 und 6 zeigen die Unfallstelle und das Flugzeugwrack.

Im Bereich des Cockpits waren die Instrumentenbretter und Sicherungstafeln herausgerissen. Beide Gashebel standen auf ca. 1⁄4 Gas und die Propellerverstellung beider Triebwerke wurde in Reisestellung vorgefunden. Die Bedienhebel der Vergaservorwärmungen befanden sich in der Stellung “warm”. Der Schalter für die Landeklappensteuerung stand auf “Eingefahren”, die dazugehörige Anzeige auf “0”. Der rechte Kraftstoffwahlschalter war in der Position “rechter Tank” und der linke in der Position “linker Tank”. Die Einstellung der Druckfläche im Seitenfenster (Kollsman window) des Höhenmessers stand auf 1.012 hPa.

Medizinische und pathologische Angaben

Der Leichnam des Piloten wurde obduziert. Es wurden keine Hinweise auf eventuelle gesundheitliche Beeinträchtigungen festgestellt.

Brand

Das Luftfahrzeug wurde vorsorglich mit Löschmittel eingeschäumt. Es entstand kein Brand.

Überlebensaspekte

Aufgrund der bei dem Aufprall auf den Boden erlittenen Verletzungen war der Unfall für den Luftfahrzeugführer nicht überlebbar.

Zusätzliche Informationen

Luftraum

Der Luftfahrzeugführer startete zu einem Flug nach Sichtflugregeln (VFR) im Luftraum G (Golf). Der Luftraum G ist ein unkontrollierter Luftraum. Er erstreckt sich vom Boden (GND) bis 2.500 ft GND. Bei Flügen darf die Flugsicht nicht unter 1,5 km betragen, es muss Erdsicht vorhanden sein und die Wolken dürfen nicht berührt werden.

Topografie

Südöstlich der Piste 04 verläuft parallel eine neu gebaute Umgehungsstraße. Der seitliche Abstand zur Piste beträgt ca. 300 Meter, wie in Abb. 7 gezeigt.

Beurteilung

Das Luftfahrzeug war ordnungsgemäß zum Verkehr nach Sichtflugregeln zugelassen und nachgeprüft. An dem Luftfahrzeug wurden keine technischen Mängel festgestellt. Masse und Schwerpunkt befanden sich in den zulässigen Grenzen. Der Luftfahrzeugführer war für die Durchführung des Fluges nach Sichtflugregeln ausreichend qualifiziert. Während der zur Unfallzeit herrschenden Wetterbedingungen gab es erhebliche Einschränkungen der Sichtflugbedingungen. Mehrere Zeugen sagten aus, dass zum Unfallzeitpunkt im Bereich des Flugplatzes sehr tiefe Bewölkung vorherrschte. Ob der Pilot vor dem Flug ein Wetterbriefing durchgeführt hat, konnte nicht ermittelt werden.

Aus den aufgezeichneten Radardaten geht hervor, dass der Pilot wahrscheinlich bereits während des Anfluges den Flugplatz nicht in Sicht hatte. Nach einer ersten weiträumigen Richtungsänderung nach links und weiteren Vollkreisen rechts der Anfluggrundlinie suchte der Pilot vermutlich die Piste 04. Im weiteren Verlauf des Fluges befand sich das Luftfahrzeug rechts der Anfluggrundlinie und der Pilot hatte möglicherweise kurzzeitig Bodensicht.

Unter marginalen Sichtbedingungen flog er vermutlich eine rechts neben dem Flugplatz neu gebaute Umgehungsstraße an. Anscheinend bemerkte er den Irrtum und versuchte mit einem Vollkreis links die eigentliche Piste 04 anzufliegen. Nachdem der Vollkreis beendet war, befand sich das Luftfahrzeug in der Nähe der Schwelle und rechts neben der Piste. Mit großer Wahrscheinlichkeit verlor der Pilot bei einem anschließenden Flugmanöver zur Korrektur der Landerichtung und im Steigflug die Kontrolle über das Luftfahrzeug und stürzte zu Boden.

Schlussfolgerungen

Der Flugunfall ist darauf zurückzuführen, dass der Pilot kurz vor der Landung wahrscheinlich keine Sichtflugbedingungen mehr hatte und bei einem Flugmanöver die Kontrolle über die Fluglage des Luftfahrzeuges verlor.

Quelle: BFU. Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, Ortszeit. Bilder: BFU; DWD; Google EarthTM-Kartenservice, BFU; DFS.

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