MTU bringt Titanaluminid für Triebwerksschaufeln in die Serie

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In Rekordzeit haben die Werkstoffexperten der MTU Aero Engines zusammen mit Partnern eine neue, einzigartige, intermetallische Hochtemperaturwerkstoffklasse für hoch belastete Triebwerksbauteile entwickelt: Titanaluminid (TiAl), mit kermischen und metallischen Eigenschaften. Das Ergebnis fliegt bereits. Ende September vergangenen Jahres hob mit der A320neo von Airbus erstmals ein Flugzeug mit maßgeschneiderten TiAl-Schaufeln im Triebwerk ab.

Titanaluminid, der neue Leichtbauwerkstoff für Turbinenschaufeln, vereinigt das Beste aus zwei Welten: mit Eigenschaften von Metall und Keramik. “Hat man bisher alle 20 Jahre mit dem Erscheinen eines neuen Werkstoffes gerechnet, ist uns in gerade einmal sieben Jahren gelungen, eine gänzlich neue Werkstoffklasse in die Serie zu bringen”, kommentiert MTU-Technikvorstand Dr. Rainer Martens.

TiAl-Schaufeln in MTU-Niederdruckturbine

Ende September vergangenen Jahres hob bereits mit der A320neo von Airbus erstmals ein Flugzeug mit maßgeschneiderten TiAl-Schaufeln im Triebwerk ab; die Zertifizierung erfolgte dann im Dezember 2014. Die Schaufeln aus dem neuen Werkstoff bilden die dritte Rotorstufe der einzigartigen dreistufigen, schnelllaufenden Niederdruckturbine, die die MTU für den A320neo-Getriebefan entwickelt hat. Und die Forschung geht weiter: Die Werkstoffspezialisten arbeiten bereits an einer verbesserten TiAl-Legierung.

Ziel ist es, noch weitere Turbinenstufen aus dem innovativen Material zu realisieren. Zum Wohle der Umwelt, denn mit TiAl können Triebwerke gebaut werden, die noch ressourcenschonender, Kraftstoff sparender, sauberer und leiser sind als bisherige Modelle. Der neue Werkstoff kann maßgeblich helfen, Triebwerke noch deutlich leichter zu machen.

Legierung mit Eigenschaften Keramik und Metall

Intermetallische Werkstoffe auf Basis von TiAl werden seit vielen Jahren für den Einsatz in Flugzeugtriebwerken diskutiert – aufgrund ihrer bestechenden Eigenschaften: TiAl ist eine Legierung mit keramischen und metallischen Charakteristiken. Es hat eine erheblich geringere Dichte als die heute eingesetzten Nickellegierungen bei nahezu vergleichbaren mechanischen Eigenschaften, einen hohen Schmelzpunkt und ist deutlich kriechfester als Titanlegierungen. Diese Eigenschaften basieren auf der spezifischen Legierungszusammensetzung und der Anwendung mehrstufiger Wärmebehandlungen, die eigens entwickelt wurden.

Turbinenschaufeln aus TiAl sind nur halb so schwer wie solche aus Nickellegierungen bei gleicher Zuverlässigkeit und Lebensdauer. Der hohe Aluminiumgehalt macht den Werkstoff zudem oxidations- und korrosionsbeständig. Das prädestiniert ihn für Anwendungen unter extremen Bedingungen – hohen Temperaturen und Drücken – wie sie in einer schnelllaufenden Niederdruckturbine herrschen. “Seit wir an dieser einzigartigen Niederdruckturbine für den Getriebefan arbeiten, sind Titanaluminide im Gespräch”, erinnert sich Dr. Wilfried Smarsly, Fachreferent für neue Werkstoffe bei der MTU.

TiAl verringert Fliehkräfte – Schmiedeprozess essenziell

Titanaluminide eröffnen neue Design-Horizonte, denn auch andere Triebwerkskomponenten können leichter gebaut werden: An den sonst massiven Turbinenscheiben und -wellen aus schweren Nickellegierungen treten dank des Einsatzes von TiAl-Schaufeln reduzierte Fliehkräfte auf. Die Folge: Auch die Scheiben können sehr viel leichter gebaut werden. Jede Gewichtsreduzierung wirkt sich senkend auf Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen aus.

Die größte Hürde für den Einsatz des Leichtbau-Werkstoffs im Zukunftsantrieb Getriebefan war das Beherrschen der Verarbeitbarkeit: TiAl ist kaum umformbar. Das Schmieden von Turbinenschaufeln mit herkömmlichen und preisgünstigen Methoden war bislang nicht möglich. “Durch thermodynamische Berechnungen wurde ausgelotet, in welchem Temperaturbereich und mit welcher Phasenkonfiguration geschmiedet werden kann”, erläutert Prof. Dr. Helmut Clemens. Der Leiter des Department Metallkunde und Werkstoffprüfung der Montanuniversität Leoben in Österreich und Forschungspartner der MTU wurde für seine Entwicklungsleistung im vergangenen Jahr in Japan mit dem Honda-Preis ausgezeichnet. Clemens: “Mit der entwickelten TiAl-Legierung kann der Schmiedeprozess nun auf konventionellen Umformmaschinen durchgeführt werden – das ist der eigentliche Clou.”

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