50 mal um die Welt – Atmosphärenforschung mit dem Messcontainer

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São Paolo, Vancouver oder Osaka – das sind nur einige Traumziele, die das mobile Labor des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie bereits angeflogen hat. Seit 2005 sind so Atmosphärendaten von mehr als zwei Millionen Flugkilometern zusammen gekommen. Denn seit dieser Zeit reist das Observatorium namens CARIBIC monatlich an Bord eines Passagierflugzeugs der Lufthansa – ein echter Vielflieger. Im Flug sammelt der Messcontainer kontinuierlich Luftproben. Gleichzeitig zeichnen hochempfindliche Geräte die Konzentration von mehr als 50 Substanzen wie Aerosole, Ozon, Kohlenmonoxid und Treibhausgasen wie Lachgas und Methan auf.

„Die Erdatmosphäre ist sehr komplex und verändert sich ständig. Um ihre chemischen Prozesse zu verstehen, ist es wichtig, über Jahre hinweg viele Parameter zu verfolgen“, sagte Dr. Carl Brenninkmeijer zu Beginn des zehnten CARIBIC-Workshops, zu dem sich vom 28. bis 30. November 2012 35 Wissenschaftler am Mainzer Max-Planck Institut treffen. „Je besser wir diese Prozesse kennen, umso verlässlicher werden unsere Aussagen in Bezug auf Klimaveränderungen“, ergänzte Brenninkmeijer, der seit 1997 an der Entwicklung und dem Betrieb des fliegenden Observatoriums arbeitet. An CARIBIC, was für “Civil Aircraft for the Regular Investigation of the atmosphere Based on an Instrument Container” steht, beteiligen sich zwölf weitere wissenschaftliche Institutionen aus ganz Europa sowie die Lufthansa, in deren Maschinen der Container für die Flüge montiert wird. Die Fraport AG, Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens, unterstützt das einmalige Projekt finanziell.

Forschungsgedarf zu Abbau-Prozessen – Flug durch die Waschküche der Atmosphäre

Dr. Wolfgang Scholze, Leiter des Umweltmanagements der Fraport AG sagte: „Der Klimawandel und die menschlichen Einflüsse auf die Atmosphäre sind Themen, die uns alle angehen. Gleichzeitig handelt es sich aber um ein sehr komplexes Phänomen, das noch viel Forschungsbedarf mit sich bringt. Als Flughafenbetreiber nehmen wir diese Verantwortung ernst und haben uns deshalb seit 2009 mit rund 600.000 Euro aus unserem Umweltfonds am fliegenden Labor CARIBIC des Max-Planck-Instituts beteiligt. Wir sind gespannt auf die Forschungsergebnisse und die Schlüsse, die wir daraus auch für unsere Branche – Stichwort „Aschewolke“ – ziehen können.“

Zur Beteiligung der Lufthansa am CARIBIC-Projekt sagte Dr. Andreas Waibel, Manager Umweltkonzepte, Lufthansa AG: „Wir engagieren uns seit fast zwei Jahrzehnten in der Klimaforschung und liefern so die Datenbasis zur Verbesserung und Validierung von Klimamodellen.“

Gerade ist der Container von seiner 80. Flugreise zurückgekehrt, diesmal aus Kuala Lumpur, einer Route, die die Forscher besonders interessiert. Der Flug über die Tropen liefert Daten aus der der sogenannten Waschküche der Atmosphäre. Aus den dicht besiedelten Ballungsräumen Asiens gelangen nicht nur viele Spurengase in die Atmosphäre. Hier finden die Abbau-Prozesse und das Auswaschen mit dem Regen besonders schnell statt, da die hohen Temperaturen und die intensive Sonnenstrahlung, die zu starken Konvektionen in der Atmosphäre führen und die chemischen Abbauwege antreiben.

Überraschende Klimadaten lieferte CARIBIC erst kürzlich. Die Wissenschaftler stellten fest, dass während der Monsunzeit auf den Böden Süd-Asiens größere Mengen des Treibhausgases Methan entstehen, als bisher angenommen. Ursache ist nicht nur die Landwirtschaft in Indien und seinen Nachbarländern. Wie in den Reisfeldern wachsen Bakterien, die das Gas bilden, auch in zahlreichen Sümpfen, Deponien und Abwasserkanälen während der heftigen Regenfälle.

Sonderflüge zur Vulkan-Asche

Schwefeldioxid steht im Fokus, wenn CARIBIC in die Nähe von Vulkanen fliegt. Sie sind eine natürliche Quelle des Gases und geben auch im Ruhezustand oft große Mengen davon in die Atmosphäre ab. Mittlerweile hat der Messcontainer die Abgaswolken von fünf Vulkanen charakterisiert, unter anderem die des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull, der im Frühjahr 2010 den internationalen Flugverkehr lahmlegte. Die Lufthansa startete damals von Frankfurt aus drei Sonderflüge für die Forschung. An Bord war damals nur der Messcontainer, aber keine Passagiere.

Das Projekt CARIBIC nutzt einen 1,5 Tonnen schweren Messcontainer um weltweit Messungen in der Atmosphäre durchzuführen. An dem in Deutschland entwickelten Projekt sind sechs nationale (das Max-Planck-Institut für Chemie, das Karlsruher Institut für Technologie, das Leibniz Institut für Troposphärenforschung, Leipzig, die Abteilung Physik der Atmosphäre des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt, die das Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg und das Institut für Umweltphysik des Helmholtz-Zentrums Geesthacht) und sechs internationale Partner beteiligt.

Koordinator ist das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Das fliegende Labor startet monatlich an Bord des Airbus A-340-600 „Leverkusen“ der Lufthansa und ist im Frachtraum untergebracht. Ein speziell angefertigtes Einlasssystem am Flugzeugbauch leitet während des gesamten Fluges Luft- und Teilchenproben sowie Wetterdaten an die Instrumente im Inneren des Containers weiter. Die Geräte messen über fünfzig klimarelevante Spurengase sowie Wasserdampf und Schwebteilchen in der Atmosphäre. Die detaillierten Daten helfen herauszufinden, wo die Quellen von Verunreinigungen liegen und wie sich die Atmosphäre selbst reinigt. So ergibt sich zu vergleichsweise geringen Kosten auf Dauer ein genaueres Abbild der Atmosphäre und der in ihr ablaufenden Prozesse. Gefördert wird das Projekt u.a. von der Lufthansa und seit 2009 auch von der Fraport AG in Frankfurt.

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