Ausbildung zum Kampfpiloten: Im Turboprop in den USA

Ausbildung zum Kampfpiloten
Ausbildung zum Kampfpiloten (© Bundeswehr)
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Nach sechs Monaten, mehr als 150 Starts und Landungen, 100 Flugstunden, fünf Soloflügen, vier Check-Rides und einem Cross-Country-Flug nach Denver haben Jetpilotenschüler Gabriel und seine Klassenkameraden die Ausbildung in Texas auf der T-6 erfolgreich beendet.

In der Beechcraft T-6 sagt sagt Leutnant Gabriel bei einem der vielen Übungsflüge: “Ein Traumjob, für den ich bezahlt werde.” Doch es geht natürlich nicht nur ums Fliegen. “Hinter uns liegen viele Theoriestunden, Simulatorflüge und natürlich richtige Flüge”, erzählt der angehende Jetpilot Gabriel. Verglichen mit der fliegerischen Ausbildung in Goodyear auf der einmotorigen Grob G 120A sei das Grundprinzip auf der Sheppard Air Force Base in Wichita Falls in Texas das gleiche. Aber die Ausbildung auf der T-6 ist mit etwa sechs Monaten wesentlich länger und noch intensiver. Zusammen mit dem T-38-Training, das noch folgt, sind die Pilotenschüler insgesamt rund 15 Monate in Texas.

Vorfreude auf den Jet im Turboprop

Die Beechcraft T-6 ist ein leichtes Turboprop-Flugzeug des amerikanischen Herstellers Textron Aviation. “Verglichen mit der Grob spüren auch wir als noch unerfahrene junge Piloten schon den Unterschied und eine deutliche Steigerung”, sagt Gabriel. “Die T-6 ist wendiger, schneller und hat eine komplexere Technik.” In der T-6 sitzen Pilotenschüler und Fluglehrer nicht mehr neben-, sondern hintereinander, geflogen wird mit höheren Belastungen, enger und aggressiver. “Das alles ist leistungstechnisch zwar noch Welten vom Eurofighter entfernt, aber die Vorfreude wächst mit jedem Flug.”

Die Beechcraft T-6 sind bis zu 585 Stundenkilometer schnell und für alle Übungsmanöver angehender Jetpiloten geeignet. Aber es macht dem jungen Leutnant Spaß. “Hochleistungsmanöver wie Loopings üben wir, um das Flugzeug an seine Leistungsgrenzen zu bringen und dort sicher zu bewegen. Flugmanöver, bei denen hohe g-Kräfte wirken, gegen die man arbeiten muss, sind toll, auch wenn es manchmal anstrengend ist.”

Pilotenschüler: Viel zu lernen und Prüfungen

Gefordert ist die Klasse 22-06 im Euro NATO Joint Jet Pilot Training (ENJJPT) auch außerhalb des Cockpits. “Wenn der ENJJPT-Zug einmal fährt, hält er nicht mehr an, heißt es bei uns”, sagt Gabriel. “Das bedeutet, wenn die Ausbildung einmal begonnen hat, sind wir montags bis freitags täglich zehn bis zwölf Stunden im Dienst, danach lernen wir noch daheim zwei bis vier Stunden. Und am Wochenende fangen wir ab Sonntagmittag damit an, uns auf den Montag vorzubereiten.” Insgesamt sei das Lernpensum hier wesentlich größer als in Goodyear. “Gefühlt gibt es hier dreimal so viel zu lernen und dreimal so viele Prüfungen.”

Englisch wird fast zur Muttersprache

Im Moment sind insgesamt vier deutsche Pilotenanwärter in der Klasse 22-06 zur fliegerischen Ausbildung auf der Sheppard Air Force Base. Sie alle werden später Jets fliegen. “Ich war zu Beginn nicht sicher, ob ich alle Anweisungen auf Englisch richtig verstehen würde”, sagt der 25-Jährige. “Hier in Sheppard haben wir Fluglehrer aus vielen Ländern. Die meisten sind Amerikaner, aber es gibt auch Kanadier, Spanier, Italiener, Rumänen, Griechen, Türken, Briten, Belgier, Niederländer, Dänen, Norweger und Deutsche. Anfangs denkt man, dass man mit den Deutschen einfacher auf Deutsch sprechen könnte, aber tatsächlich ist es in diesem internationalen Umfeld leichter, bei Englisch zu bleiben.” Und schon nach kurzer Zeit kommt man reibungslos klar, Englisch wird fast zur Muttersprache.

In Goodyear lief es für Gabriel sehr gut, er musste keinen Prüfungsflug wiederholen und kam gut durch das Programm. Dasselbe hatte er sich für Sheppard erhofft. “Doch das hat nicht immer geklappt”, gibt er zu. “Die Wahrscheinlichkeit, dass man den einen oder anderen Flug ‚verhaut‘, ist definitiv gegeben. Das ist natürlich nicht angenehm, aber aus Fehlern lernt man – auch, wie man mit Rückschlägen umgeht.” Er lächelt. “Keiner ist perfekt. Wir in unserer Klasse versuchen aber trotzdem mit allen Mitteln und viel Ehrgeiz, möglichst perfekt zu sein.”

Formationsflug die Krönung – 1 m Abstand

Gabriels Begeisterung für sein Berufsziel hat nicht nachgelassen. “Ja, es ist manchmal anstrengend, aber Jetpilot ist immer noch mein Traumberuf und jeder Flug ist etwas Schönes.” Zu Gabriels Highlights in der T-6-Ausbildung gehörten die fünf Soloflüge und ein Cross-Country-Flug nach Denver. Bei Cross-Country-Flügen üben die Schüler vor allem, außerhalb der gewohnten Umgebung zu fliegen und auf völlig unbekannten, teilweise internationalen Großflugplätzen zu landen. Doch die Krönung der bisherigen Ausbildung war für Gabriel der Formationsflug. Normalerweise halten Flugzeuge mehr Abstand voneinander. Beim Formationsflug müssen sich die angehenden Piloten an die größere Nähe erst gewöhnen.

“Jeder kennt Videos der Blue Angels oder anderer Kunstflugstaffeln. Natürlich fliegen diese Piloten auf einem ganz anderen Niveau und wir üben erst einmal nur mit zwei Maschinen, aber die Grundlagen sind dieselben.” Anfangs fliegt vor allem der Fluglehrer. Der Schüler sitzt mit in der Maschine und versucht, ein Gefühl dafür zu bekommen. “Die ersten Male, als wir im Abstand von nur etwa drei Meter zur Maschine neben uns geflogen sind, habe ich mich gefühlt wie ein Beifahrer, der automatisch mitbremst, wenn es eng wird. Aber nach etwa sieben Formationsflügen durfte ich das erste Mal ohne Lehrer Formation fliegen. Und das ist einfach nur toll.” Auf der T-38 wird es noch anspruchsvoller werden. Dann trainieren die Pilotenschüler den Formationsflug mit vier Flugzeugen und nur etwa einem Meter Abstand dazwischen.

Internationale Partnerschaften

Als echtes Privileg empfindet es Gabriel, hier gemeinsam mit Menschen aus vielen verschiedenen Ländern ausgebildet zu werden. “Das ist neben dem Fliegen eine der schönsten Sachen hier”, sagt er. “Wenn wir beispielsweise mit Amerikanern, Italiener und Rumänen im Garten um das Lagerfeuer sitzen und grillen und uns über die verschiedenen Kulturen, Länder und natürlich Klischees austauschen, werden aus solchen Kameradschaften oft auch Freundschaften.” Inzwischen sind die USA für Gabriel fast so etwas wie eine zweite Heimat geworden und die Welt ist durch den intensiven Austausch mit den anderen näher zusammengerückt. “Es hat meine Sichtweise verändert und es ist schön, festzustellen, dass wir im Endeffekt alle gleich sind, trotz unterschiedlicher Kulturen.”

Grand Canyon, Miami, New York

Neben aller Arbeit blieb in diesen Monaten auch noch Zeit für ein paar private Ausflüge. Ein Roadtrip ging nach Phoenix über New Mexico, hoch zum Grand Canyon und über Monument Valley, Albuquerque zurück nach Sheppard. Zwei Wochenenden verbrachte Gabriel in Florida: Eins in Orlando am Cocoa Beach und im Kennedy Space Center der NASA und eins in Miami Beach. Im Dezember erlebte er dann auch noch das vorweihnachtlich New York. Das Empire State Building bei Nacht. “Die Ausbildung, die ich hier machen darf, ist anstrengend und verlangt Ausdauer, aber diese Zeit ist auch schön und einzigartig”, sagt Gabriel. “Ich sehe das so: Ich darf hier meinen Traumjob ausüben, lerne die Welt kennen und werde dafür auch noch bezahlt.”

Leutnant Gabriel kniet in Fliegerkombi mit dem Helm im Arm auf der Tragfläche einer T-6. Diesen Jet flog schon Neil Armstrong. Gabriel hat nach der Grob 120A nun auch die Beechcraft T-6 gemeistert. Demnächst wird er seine Checklisten nicht mehr an einer Turboprop-Maschine, sondern an einem Jet abarbeiten.

Fliegen im Düsenjet

Im nächsten Schritt beginnt für Gabriel in Sheppard die Jet-Phase. Die Northrop T-38C Talon ist ein Schulflugzeug für den Flug im Überschallbereich. Sie schafft bis zu 1.380 Stundenkilometer. “Ich freue mich darauf, das erste Mal einen Jet zu fliegen, noch dazu einen Jet mit sehr viel Geschichte. So flog beispielsweise Neil Armstrong zu seiner Schulung dasselbe Flugzeugmuster, auch wenn die T-38 natürlich inzwischen modernisiert wurde”, berichtet Gabriel. Und was erwartet er von den nächsten Monaten? “Es wird noch höher, schneller, weiter und komplexer.”

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