ClubLibelle überschlägt beim Start mit Anschleppseil

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Der Luftfahrzeugführer startete auf dem Verkehrslandeplatz Roitzschjora auf der Startbahn 28 im Windenstart zu einem Lokalflug. Beim Anrollen bekam nach Aussage von Augenzeugen der linke Tragflügel Bodenberührung und verblieb bis zum Abheben des Segelflugzeuges am Boden.

Ereignisse und Flugverlauf

Beim Abheben um 12:08 Uhr bäumte sich das Segelflugzeug mit einer links am Boden hängenden Tragfläche auf. Anschließend drehte die Club-Libelle weiter nach links, gelangte dabei in eine Rückenlage, aus der sie aus einer Höhe von fünf bis zehn Meter mit der rechten Tragfläche und der Rumpfspitze zuerst auf dem Boden aufprallte. Der Luftfahrzeugführer wurde schwer verletzt und das Luftfahrzeug zerstört.

Identifikation

  • Art des Ereignisses: Unfall
  • Datum: 12. Mai 2012
  • Ort: Verkehrslandeplatz Roitzschjora
  • Luftfahrzeug: Segelflugzeug
  • Hersteller / Muster: Glasflügel Segelflugzeugbau Holighaus & Hillenbrand GmbH & Co/ Club-Libelle 205
  • Personenschaden: Luftfahrzeugführer schwer verletzt
  • Sachschaden: Luftfahrzeug zerstört
  • Drittschaden: keiner
  • Informationsquelle: Untersuchung durch Beauftragte der BFU
  • Aktenzeichen: BFU 3X034-12

Angaben zum Luftfahrzeugführer

Der 65-jährige Luftfahrzeugführer war seit 1990 im Besitz eines unbefristet gültigen Luftfahrerscheins für Segelflugzeugführer. In die Lizenz war die Startart Windenschleppstart eingetragen. Vor 1990 war er im Besitz einer Segelfluglizenz der ehemaligen DDR. Sein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 2 war bis zum 27.07.2012 gültig, verbunden mit der Auflage zum Tragen einer Brille inklusive des Mitführens einer Ersatzbrille.

Die Gesamtflugerfahrung betrug ca. 472 Stunden und 1.997 Starts, davon 56 Stunden mit 59 Starts mit der Club-Libelle. In den letzten 24 Monaten hatte er 27 Segelflüge absolviert, davon 25 Windenschleppstarts. In den letzten 90 Tagen führte er sieben Windenschleppstarts, vier davon mit der Club-Libelle durch.

Angaben zum Luftfahrzeug

Die Club-Libelle 205 ist ein einsitziges Segelflugzeug in Kunststoffbauweise. Der Schulterdecker verfügt über Hinterkanten-Drehbremsklappen, ein T-Leitwerk, ein gefedertes Fahrwerk und automatische Ruderanschlüsse. Das Segelflugzeug wurde 1975 mit der Werknummer 107 vom Hersteller Glasflügel Segelflugzeugbau Holighaus & Hillenbrand GmbH & Co gebaut.

Es befand sich in Halterschaft eines Luftsportvereins und war in zum Verkehr zugelassen. Die letzte Prüfung der Lufttüchtigkeit wurde am 04.04.2012 durchgeführt. Die Gesamtbetriebszeit lag zu diesem Zeitpunkt bei 1.782 Stunden. Masse und Schwerpunkt des Luftfahrzeuges befanden sich im zulässigen Bereich.

Meteorologische Informationen

Die Bodensicht betrug über 10 Kilometer, der leicht böige Wind kam aus 280 bis 300 Grad mit bis zu ca. 13 Knoten. Die Lufttemperatur betrug 12 Grad und der Luftdruck (QNH) im benachbarten Leipzig 1.029 hPa. Die Bewölkung wurde mit einem Bedeckungsgrad von 3-4 Achtel in 4.000 ft angegeben.

Funkverkehr

Es bestand Funkverbindung mit der – bzw. Startleitung. Der Funkverkehr wurde jedoch nicht aufgezeichnet.

Angaben zum

Der Verkehrslandeplatz Roitzschjora (EDAW) liegt ca. 25 km nordöstlich von Leipzig. Der befindet sich in einer Höhenlage von 88 m AMSL und verfügt über eine 1.200 m lange Grasbahn mit der Ausrichtung 100/280 Grad sowie über eine 1.000 m lange Grasbahn mit der Ausrichtung 010/190 Grad. Abb. 2 zeigt den Flugweg und die Unfallstelle.

Flugdatenaufzeichnung

Der BFU stand ein GPS-Gerät zum Auslesen der Flugdaten zur Verfügung. Es konnten jedoch keine Daten ausgelesen werden.

Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug

Die Unfallstelle befand sich auf dem Verkehrslandeplatz Roitzschjora. Vom Startplatz der Startrichtung 28 aus gesehen lag die Unfallstelle mit der Endlage des Rumpfes in einer Entfernung von etwa 100 m in südwestlicher Richtung. Das Kunststoffschleppseil mit Seilfallschirm, einem Zwischenseil mit blauer Sollbruchstelle und einem Ringpaar lagen unbeschädigt in einer Entfernung von ca. 28 m südwestlich vor dem Wrack der Club-Libelle.

Das Segelflugzeug wurde in Rückenlage vorgefunden. Die Längsachse des Rumpfes war in südwestliche Richtung (240 Grad) ausgerichtet. Der hintere Rumpfbereich war ca. 60 cm hinter den Tragflächen abgeknickt und lag abgewinkelt zum vorderen Rumpfsegment. Es bestand eine Verbindung der beiden Rumpfteile über das Rudergestänge. Die rechte Hälfte des Höhenleitwerks war ca. 80 Grad nach unten abgeknickt. Das Seitenleitwerk war optisch unbeschädigt. Abb. 1 zeigt das beschädigte Segelflugzeug.

Die Tragflächen waren komplett und miteinander verbunden. Über die gesamte Tragflächenstruktur waren Verformungen sichtbar. Die Ruderflächen waren vollständig vorhanden. Alle Rudergestänge waren trotz Deformierungen durchgängig mit den Rudern verbunden. Der Cockpitbereich war zerstört, die Rumpfspitze abgebrochen und das Instrumentenbrett herausgerissen. Nordöstlich der Club-Libelle fanden sich Splitter der Plexiglashaube, ein mobiles GPS, die Rumpfspitze sowie das Winglet der rechten Tragfläche. Abb. 3 zeigt die Aufschlagstelle.

Ferner wurde eine 28 m lange Schleifspur der linken Tragfläche im Gras festgestellt, welche nach 41 m von der Startgrundlinie aus gesehen begann. Die Untersuchung ergab keine Hinweise auf technische Mängel am Segelflugzeug. Die Höhe des Grasbewuchses an der Startstelle betrug ca. 15 cm, vereinzelte Grashalme wiesen eine Länge von bis zu 30 cm auf.

Abb. 4 zeigt den Blick von Westen auf die Start- und Unfallstelle.

Zusätzliche Informationen

Die Segelflugsport-Betriebs-Ordnung (S.B.O.) des deutschen Aeroclubs e.V. (DAeC) in der Fassung von 2009 regelt die fachliche Durchführung des sicheren Segelflugbetriebs. Punkt 2.1.6 der S.B.O. beschreibt den Zustand der Start- und Landebahnen:

"[…] Die Start- und Landebahnen müssen ständig kurz gemäht und eben sein. Bei höherem Grasbewuchs besteht die Gefahr, dass die Tragflügelenden hängen bleiben und das Segelflugzeug ausbricht. […]"

Ein weiteres maßgebliches Regelwerk sind die Startwindenfahrer-Bestimmungen des DAeC in der Fassung von 2010. Dort heißt es im Anhang 4 unter Punkt 2.3: "Die Startstelle und die Schleppstrecke werden vor dem Flugbetrieb entsprechend den örtlichen Gegebenheiten und den Wetterverhältnissen vom – oder Startleiter zusammen mit dem Schleppfahrzeugführer festgelegt und die Startstelle wird gekennzeichnet. Damit kein Flügel im Gras hängenbleibt, muß die Startstelle großräumig kurzgemäht sein. […]"

Beurteilung

Der Segelflugzeugführer hatte die erforderliche Lizenz und die Berechtigungen zur Durchführung des Fluges. Er verfügte über eine ausreichende Erfahrung auf der Club-Libelle.

Das Segelflugzeug war ordnungsgemäß zum Verkehr zugelassen und nachgeprüft. Die vorliegenden Fakten sprechen für folgenden Ablauf des Unfallgeschehens: An der Startstelle war dichter Grasbewuchs mit einer Graslänge von mindestens 15 cm vorhanden. Nach der S.B.O. muss die Startstelle "ständig kurz gemäht … sein".

Beim Anschleppen gelangte die linke Tragfläche auf den Boden. Ein sofortiges Ausklinken durch den Segelflugzeugführer wäre eine folgerichtige Reaktion gewesen. Stattdessen wurde der Startvorgang fortgesetzt, wobei der hohe Grasbewuchs durch den erzeugten Widerstand ein Aufrichten der abgelegten Tragfläche erschwerte bzw. verhinderte.

Das Segelflugzeug hob kurz darauf ab, bäumte sich auf und gelangte gleichzeitig durch die abgelegte Tragfläche in eine Drehbewegung nach links. Nachdem die linke Tragfläche sich vom Boden gelöst hatte, drehte die Libelle sich fortlaufend weiter nach links und kam dabei in Rückenlage. Aus der Rückenlage prallte das Segelflugzeug auf den Boden.

Warum sich die linke Tragfläche beim Abschleppvorgang absenkte, konnte aufgrund der Zeugenaussagen und der Gegebenheiten am Start nicht festgestellt werden. Nach den vorliegenden Informationen kam der Wind mit rund 13 Knoten mit einer leichten Komponente von rechts nahezu von vorne, so dass die Strömung gleich zu Beginn des Schleppvorgangs angelegen haben muss und mit den Querrudern eine ausreichende Kontrolle der Querneigung hätte möglich sein müssen.

Als mögliche Faktoren, die ein Absenken der Tragfläche hervorgerufen bzw. begünstigt haben könnten, kommen in Betracht:

  • Eine Verzögerung oder eine Unterbrechung beim Anschleppen durch die Startwinde
  • Eine nicht musterkonform durchgeführte Ruderstellung bzw. Steuerung des Segelflugzeugführers beim Anschleppen
  • Eine unsachgemäße oder nicht ausreichende Steuerbewegung zum Ausgleich einer Böe
  • Eine Umlenkung des Windenseils beim Anschleppen durch den hohen Grasbewuchs, ggf. durch ein nicht geradlinig ausgelegtes Seil zwischen Startwinde und Segelflugzeug
  • Ein kurzzeitiges Nachlassen der Beschleunigung beim Geradeziehen des Schleppseils nach einer möglichen Umlenkung
  • Eine eingeschränkte Pufferung des Kunststoffseils im Vergleich zu einem Stahlseil beim Geradeziehen nach einer möglichen Umlenkung
  • Eine Kombination der genannten Faktoren

Schlussfolgerungen

Der Unfall ist darauf zurückzuführen, dass in der Anrollphase zum Windenstart eine Tragfläche den Boden berührt hatte, diese aufgrund des hohen Grasbewuchses nicht wieder aufgerichtet werden konnte und der Luftfahrzeugführer den Startvorgang nicht bzw. nicht rechtzeitig abbrach.

Alle Zeiten in Ortszeit, soweit nicht anders bezeichnet. Quelle: BFU

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