Pilotenassistenzsystem LNAS erhält Manfred-Fuchs-Preis

Assistenzsystem für lärmarme Anflüge
Assistenzsystem für lärmarme Anflüge: Am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wurde das Assistenzsystem LNAS (Low Noise Augmentation System) entwickelt. Das Assistenzsystem zeigt dem DLR Testpiloten Jens Heider auf einem Display (Electronic Flight Bag), an exakt welchem Zeitpunkt er welche Handlung durchführen muss, um einen möglichst lärmarmen Anflug durchzuführen. (Foto: © DLR)
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Für die Entwicklung des Pilotenassistenzsystems LNAS (Low Noise Augmentation System) wurden die Wissenschaftler Dr.-Ing. Fethi Abdelmoula, Marco Scholz und Christoph G. Kühne vom Institut für Flugsystemtechnik am 28.10.2020 mit dem Manfred-Fuchs-Preis der Gesellschaft von Freunden des DLR (GvF) ausgezeichnet.

Das Assistenzsystem LNAS zeigt den Piloten über ein Display im Cockpit an, wann exakt welche Handlung für einen lärmarmen Landeanflug durchzuführen ist. Dies ermöglicht den Piloten, so präzise wie möglich anzufliegen und damit Lärm- und Treibstoffverbrauch zu reduzieren.

Assistenzsystem LNAS unterstützt die Piloten

Die Wetterlage, sich ändernde Windverhältnisse oder auch die Vorgaben der Flugsicherung beeinflussen jeden Landeanflug auf eigene Weise. Den optimalen und somit möglichst lärmarmen und treibstoffsparenden Landeanflug durchzuführen, stellt für Piloten daher eine besonders anspruchsvolle Aufgabe dar. Das Assistenzsystem LNAS unterstützt die Piloten bei ihren komplexen Handlungsabläufen. Ein neu entwickeltes Display zeigt auf dem Electronic Flight Bag (EFB) exakt an, zu welchem Zeitpunkt sie die Landeklappen setzen, das Fahrwerk ausfahren oder die Geschwindigkeit reduzieren müssen, um einem möglichst lärmarmen und treibstoffsparenden Anflug durchzuführen.

„Die Innovation bei LNAS ist, dass kontinuierlich ein energieoptimaler Anflug unter Berücksichtigung des aktuellen Flugzustandes sowie der aktuellen Windsituation berechnet wird. In heutigen Flugmanagementsystemen werden bisher keine dynamischen Anpassungen im Anflug basierend auf dem aktuellen Flugzustand durchgeführt“, erklärt Projektleiter Dr.-Ing. Fethi Abdelmoula. Für das vertikale Anflugprofil berechnet LNAS die optimalen Zeitpunkte für die einzelnen Handlungsempfehlungen in Echtzeit: Ändern sich die Ausgangswerte während des Anflugs oder führt der Pilot einen der Handlungsschritte verzögert durch, berechnet das System das optimale Anflugprofil automatisch neu und passt die weiteren Handlungsempfehlungen entsprechend an.

(Quelle: Empa)

Flugversuche im Realbetrieb und Langzeiterprobung des Assistenzsystems

Bereits seit mehr als sechs Jahren forschen die Wissenschaftler vom Braunschweiger DLR-Institut für Flugsystemtechnik an dem Pilotenassistenzsystem und entwickeln es kontinuierlich weiter. Das System wurde bereits früh mit Testpiloten im Simulatorzentrum AVES (Air Vehicle Simulator) erprobt und hinsichtlich des Human-Machine-Interfaces (HMI) immer weiter verfeinert. In mehreren Flugversuchen wurde zudem das Einsparpotenzial hinsichtlich Lärm und Treibstoff im realen Flugbetrieb an verschiedenen Flughäfen nachgewiesen.

Bereits 2016 wurde das System bei Flugversuchen mit dem DLR-Forschungsflugzeug A320 ATRA (Advanced Technology Aircraft) drei Tage lang im Realbetrieb des Frankfurter Flughafens getestet. An zahlreichen Lärmmessstellen rund um den Flughafen konnte der Lärmminderungseffekt der optimierten Anflugverfahren erfasst und ausgewertet werden. Für weitere Flugversuche im September 2019 am Flughafen Zürich wurde das Assistenzsystem um ein weiteres Anflugverfahren für optimierte kontinuierliche Sinkflüge (Continuous Descent Approach) erweitert. Mehr als 90 Anflüge führten Pilotinnen und Piloten verschiedener Fluggesellschaften im laufenden Flugbetrieb durch, zum besseren Vergleich mal mit und mal ohne Unterstützung des Assistenzsystems. Das Ergebnis: Mit der Nutzung von LNAS sinken Lärmemission und der Treibstoffverbrauch messbar.

Langzeiterprobung des Pilotenassistenzsystems

Die Langzeiterprobung des Pilotenassistenzsystems startete im Oktober 2019 am Frankfurter Flughafen. Mehr als 150 Flugzeuge ihrer Airbus A320-Familie hat die Lufthansa mit LNAS ausgestattet und Piloten in der Nutzung des Systems geschult. Während des Probebetriebs werden umfangreiche Daten über Treibstoffverbrauch und Geräuschentwicklung von Anflügen erhoben und anschließend ausgewertet.

Anflug auf Frankfurt
Anflug auf Frankfurt: Das neu entwickelte Piloten-Assistenzsystem (Low Noise Augmentation System, LNAS) für ein lärmoptimiertes Anflugverfahren testet das DLR im Realitätscheck am Frankfurter Flughafen – dem größten Flughafen Deutschlands – mit dem Forschungsflieger ATRA. (Foto: © DLR)

Und es geht weiter: Im Januar 2021 startet das Projekt ALBATROSS (SESAR 2020 Very Large Demonstration, Environment Sustainability, H2020/SESAR-VLD2-04-2020), an dem ein Konsortium aus 16 internationalen Unternehmen beteiligt ist. Übergeordnetes Ziel des ALBATROSS-Projekts ist es, die notwendigen Rahmenbedingungen für die Durchführung eines möglichst emissionsarmen Fluges (Perfect Green Flight) zu untersuchen. In einer Reihe von Demonstrationsflügen werden neue Technologien und Verfahren getestet, die zu einem geringeren Treibstoffverbrauch beitragen sollen. Das neue Assistenzsystem LNAS wird dabei zur Unterstützung der Piloten zum Einsatz kommen.

Manfred-Fuchs-Preis und die Gesellschaft von Freunden des DLR e.V.

Die 1972 gegründete Freundesgesellschaft fördert als gemeinnützige Einrichtung die Aufgaben des DLR. Sie bedient sich hierbei der von ihr getragenen Lilienthalstiftung. Die wirtschaftliche Basis hierfür bieten – neben dem Stiftungsvermögen – Spenden und Mitgliedsbeiträge. Im Fokus des Vereins steht, die Notwendigkeit und Bedeutsamkeit der wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen auf dem Gebiet der Luft- und Weltraumforschung ins Bewusstsein zu rufen, dieses Bewusstsein durch geeignete Maßnahmen zu fördern sowie die wissenschaftlichen Verbindungen und Kontakte des DLR zu anderen wissenschaftlichen Organisationen im In- und Ausland zu unterstützen.

Der mit 5.000 Euro dotierte Manfred-Fuchs-Preis wird jährlich für eine herausragende wissenschaftliche Leistung, deren Technologie auch für einen Transfer in die Industrie geeignet ist, verliehen.

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