A310 ZERO-G vor 30. Parabelflugkampagne

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97 Flugtage, 3.270 Parabeln und knapp 19 Stunden Schwerelosigkeit – das ist die Bilanz von 29 Parabelflugkampagnen des Raumfahrtmanagements im Deutschen Zentrum für und Raumfahrt (DLR). Auf diesen Flügen waren in 18 Jahren insgesamt 477 Experimente an Bord, die wichtige biologische, medizinische und physikalische Fragen beantwortet haben.

Vielen Nachwuchswissenschaftlern bescherten sie unerlässliche Daten für ihre Forschung – und letztendlich ihre Master- oder Doktorarbeit. Ebenso standen viele technologische Tests auf dem Programm. Experimenteinrichtungen wurden für ihren Einsatz im Weltraum zum Beispiel auf der Internationalen Raumstation ISS erprobt. Am 12. September 2017 bricht der A310 ZERO-G der französischen Firma Novespace nun von seinem Heimatflughafen Bordeaux zur DLR-Jubiläumskampagne auf.

Die 30. DLR-Parabelflugkampagne soll etwas Neues beinhalten. Zum ersten Mal könne dann jeder von zuhause an zwei Flugtagen mit dabei sein, also vom Computer, Tablet oder Handy, um die Kampagne mitzuverfolgen und die Begeisterung der Wissenschaftler zu spüren, erklärt Dr. Katrin Stang, die beim DLR Raumfahrtmanagement für das Parabelflugprogramm verantwortlich ist. GoPro-Kameraaufnahmen nehmen das Publikum während des Flugs mit in den ZERO-G, gezeigt auf den Sozialen Medien. Über das Flightradar (Kennung F-WNOV) lässt sich die Route der Maschine genau und in Echtzeit nachvollziehen.

In der flugfreien Zeit erklären die Piloten in Video-Interviews, wie Parabelflüge funktionieren, und Wissenschaftler erklären ihre Forschung und Experimente. Warum es dieses Programm gibt und welche Ziele hier verfolgt werden, wird Katrin Stang erläutern. Außerdem stellen die Wissenschaftler in kurzen Videos ihr am Boden und in der Schwerelosigkeit vor.

Zum ersten Mal die Schwerelosigkeit spüren

Hier kann man auch die Begeisterung von Wissenschaftlern spüren, die noch nie zuvor auf einem Parabelflug dabei waren. „Ich bin schon sehr gespannt, wie sich Schwerelosigkeit anfühlt. Ich denke mir, das ist wie in der Achterbahn mit einem etwas größeren Looping. Aber so richtig kann ich mir das Gefühl noch nicht vorstellen, aber das ist ja auch der Reiz an der Sache. Ich freue mich schon sehr auf meinen ersten Flug“, sagt Prof.

Jens Günster von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Auch für sein (siehe Infokasten) erhofft er sich von den Versuchen in Schwerelosigkeit viel: „Wir testen hier, ob man Bauteile in Schwerelosigkeit auch über pulverbasierte Fertigungsverfahren herstellen kann. Wir hoffen, dass wir eine Entwicklung anstoßen können, die den Einsatz des Verfahrens für die Raumfahrt etabliert und wir damit an der Spitze der Technologieentwicklung für diesen Bereich stehen.“

Zum letzten Mal an Bord

Doch nicht nur Vorfreude ist bei dieser Jubiläumskampagne mit an Bord. Es liegt auch ein bisschen Wehmut in der : „Wir fliegen unser Experiment nun zum letzten Mal. Es war Teil einer langen und erfolgreichen Serie zur Verarbeitung der räumlichen Orientierung des Menschen in der Schwerelosigkeit. Wir haben dabei viel darüber gelernt, wie für einen Menschen oben und unten definiert sind, wenn plötzlich die Schwerkraft wegfällt. Dies liefert uns neue Erkenntnisse für ein spezifischeres Training von Astronauten – und hat zum Beispiel auch einen Nutzen für den Menschen in veränderten Lagebedingungen auf der wie zum Beispiel für einen Automechaniker unter dem Auto“, resümiert Nils-Alexander Bury von der Deutschen Sporthochschule Köln.

Für den Diplom-Sportwissenschaftler, der mit dem Projekt auch Teile seiner Doktorarbeit gestellt hat, die er in Kürze abschließen wird, sind es somit erst einmal die letzten Parabelflugtage. „Ich war mit meiner Teilnahme an sechs Parabelflugkampagnen ein echter Vielflieger. Daher werde ich das Gefühl der Schwerelosigkeit erst einmal vermissen, aber ich hoffe, auch in Zukunft unter Weltraumbedingungen forschen zu können.“

Für ihn mag erst einmal mit dem Parabelfliegen Schluss sein, doch für Katrin Stang geht es auch nach der 30. Kampagne mit spannenden Experimenten weiter: „Wir haben in den nächsten Jahren noch viel vor. Es gibt noch unzählige wissenschaftliche Fragestellungen, auf die wir nur eine Antwort finden, wenn wir auf Parabelflügen die Schwerkraft überwinden.“ Die Vorteile der Parabelflüge als Fluggelegenheit für Forschung unter Schwerelosigkeit liegen dabei auf der Hand: die Plattform ist zuverlässig, bietet die Chance, ein Experiment relativ schnell zur Umsetzung zu bringen, und der Forscher, der sein Experiment selbst baut, kann während des Fluges dabei sein und es selbst steuern.

Was Schwerelosigkeit alles möglich macht

Elf Experimente im freien Fall

Eine DLR-Parabelflugkampagne besteht in der Regel aus drei Flugtagen mit je etwa vier Flugstunden, an denen jeweils 31 Parabeln geflogen werden. Dabei steigt das aus dem horizontalen Flug steil nach oben, drosselt die Schubkraft der Turbinen und folgt dabei der Flugbahn einer Parabel, bei der für etwa 22 Sekunden Schwerelosigkeit herrscht. Insgesamt stehen so bei einer Flugkampagne etwa 35 Minuten Schwerelosigkeit – im Wechsel mit normaler und doppelter Erdbeschleunigung – zur Verfügung, die Forscher für ihre Experimente nutzen können. Bis zu 40 Wissenschaftler können an einem Flug teilnehmen. Bei der 30. Kampagne sind elf verschiedene Experimente mit an Bord.

Wo ist „unten“ und „oben“ in Schwerelosigkeit?

Will ein Astronaut auf der Raumstation zum Beispiel einen Kippschalter nach unten umlegen, stößt er auf ein nicht unerhebliches Orientierungsproblem. Denn in Schwerelosigkeit ist „unten“ nicht mit dem „unten“ auf der Erde vergleichbar. Zudem sendet sein Gleichgewichtsorgan in Schwerelosigkeit ständig widersprüchliche Signale hinsichtlich einer Orientierungsrichtung. Wie löst der Astronaut auf der Raumstation nun dieses Problem? Er könnte zum Beispiel „oben und unten“ über die sichtbare Umgebung (wie die Deckenbeleuchtung oder über die Ausrichtung eines Kollegen in der Raumstation) oder über die eigene körperbezogene Richtung (wie die Lage seines Kopfes oder seiner Füße bestimmen). Diese zwei verbleibenden sogenannten Referenzrahmen vermitteln ihm allerdings unterschiedliche Definitionen von „unten“. Doch welche stimmt nun?

Vielleicht lässt der Schalter sich nicht in die vermeintliche Richtung „unten“ bewegen, so dass er sich neu orientieren und einen anderen Bewegungsplan entwerfen muss. Das führt zu zeitlichen Verzögerungen und über den geistigen Mehraufwand zu Ermüdung und zu Fehlhandlungen. Bei der 30. DLR-Parabelflugkampagne wollen die Forscher der Deutschen Sporthochschule Köln untersuchen, wie die veränderte räumliche Orientierung in Schwerelosigkeit die Zielbewegungen beeinflusst.

Wie gelangen Immunzellen in Schwerelosigkeit vom Blut ins Gewebe?

Gerade Astronauten, die von einer Mission aus dem All zurückkehren, zeigen oft ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Dabei spielen Immunzellen eine wichtige Rolle, denn sie sind ein unverzichtbarer Teil unserer Abwehrstrategie gegen Pilze und Bakterien. Besonders die sogenannten neutrophilen Granulozyten und Lymphozyten helfen dabei, Infektionen zu vermeiden beziehungsweise ihre Dauer zu begrenzen. Doch dafür müssen sie einen komplizierten und mehrstufigen Weg aus dem Blutgefäß zum Infektionsherd im umliegenden Gewebe nehmen. Wie und in welchem Ausmaß wirkt sich nun das Fehlen der Schwerkraft auf diese Reise aus? Dieser Frage gehen Wissenschaftler der Chinese Academy of Sciences, , der Universität Zürich und des Klinikums der München nach.

Ihr Ziel ist es, neue Anhaltspunkte zu finden, wie die Funktion humaner Granulozyten und Lymphozyten während und nach einem Raumflug beeinflusst und reguliert werden. Sie wollen so mehr über die Ursachen für die nach einem Raumflug beschriebene Immunschwäche herausfinden und nach geeigneten Gegenmaßnahmen suchen. Da gerade die Immunabwehr und ihre Störungen Ursache für akute und chronische Immunerkrankungen sind, könnte diese Forschung die Diagnose und Behandlung auch auf der Erde verbessern.

Mikrozirkulation in der Schwerelosigkeit mit weltweit einzigartiger Messmethodik sichtbar machen

In der Schwerelosigkeit herrschen besondere Umgebungsbedingungen, die unterschiedliche Anpassungsreaktionen des menschlichen Organismus auslösen. Die Arbeit von Astronauten ist körperlich sehr anstrengend und erfordert ein hohes Maß an Konzentration und Genauigkeit. Dafür muss die sogenannte Mikrozirkulation – der Blutfluss des Herzkreislaufsystems auf der kleinsten Ebene – genauestens funktionieren. Nur so können alle Organe effektiv mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden. Die Mikrozirkulation ist dabei ein wichtiges Blutreservoir, beeinflusst den Blutdruck, fördert den Wärmeaustausch und transportiert Sauerstoff und lebenswichtige Nährstoffe zu den Zellen.

Zu den weltweit modernsten Methoden der Messung der Mikrozirkulation gehört die sogenannte Intravitalmikroskopie. Über ein spezielles, Smartphone-großes Handmikroskop verbunden mit einem handlichen Tablet können Wissenschaftler des Universitätsklinikums Düsseldorf Bilder der Zungengrund-Durchblutung als Video-Format in Echtzeit digital aufnehmen und abspeichern. Im klinischen Einsatz hat sich diese Methode zur Einschätzung der Kreislaufsituation bereits bewährt und soll nun zum ersten Mal überhaupt auf einem Parabelflug zum Einsatz kommen.

Wie vital sind Nervenzellen in Schwerelosigkeit wirklich und stimmt die Klinostaten-Theorie?

Wie passen sich menschliche Nervenzellen an wechselnde Gravitationsbedingungen an? Eine Antwort auf diese Frage ist für bemannte Weltraummissionen ebenso wichtig, wie für das bessere Verständnis des Nervensystems auf der Erde. Normalerweise wird die Vitalität dieser Zellen immer nach dem Flug im Labor auf der Erde untersucht. Dafür müssen die Zellen fixiert werden. Dieses chemische Einfrieren könnte sich aber auf die Ergebnisse auswirken und diese eventuell verfälschen. Forscher der Universität Hohenheim untersuchen daher mit Hilfe eines speziellen Farbstoffs und eines umgebauten Messgeräts aus der Pharmaindustrie in Echtzeit, wie sich menschliche Nervenzellen an die Schwerkraft anpassen.

Durch diese neue Methode können die Wissenschaftler sehr schnell und hochaufgelöst einen „realen“ zeitlichen Verlauf der Zellvitalität untersuchen. Zudem wollen die Hohenheimer Forscher die sogenannte Klinostaten-Theorie überprüfen. Diese Apparaturen erzeugen Schwerelosigkeit in vielen Laboren auf der Erde, indem eine Messkammer mit einer bestimmten Geschwindigkeit gedreht wird. Durch diese Rotation wird die Wahrnehmung der Gravitation von Pflanzen oder Zellen aufgehoben. Doch stimmt das auch wirklich oder muss die physikalische Theorie für Klinostaten umgeschrieben werden? Genau das wollen die Wissenschaftler auf den Parabelflügen überprüfen. Sie werden hierfür einen Klinostaten direkt im Flug verwenden, und die gewonnenen Daten mit denen aus „echter“ Schwerelosigkeit vergleichen.

Metallproben behälterfrei schmelzen und wieder erstarren lassen

Will man eine Metallprobe zusammengesetzt aus verschiedenen chemischen Elementen (Legierung) auf der Erde schmelzen und wieder erstarren stößt man direkt auf ein großes Problem: Die Schwerkraft sorgt dafür, dass die flüssige Probe an den Behälter – den sogenannten Tiegel – stößt und mit ihm reagiert. Durch die Schwerkraft bedingte Ablagerung der Bestandteile der Probe und Strömungen aufgrund von Temperatur und Dichteunterschieden (Konvektion) lösen Inhomogenitäten aus, die bei der Erstarrung unerwünscht sind. Wissenschaftler umgehen diese irdischen Probleme indem sie Schmelzen in der sogenannten TEMPUS-Anlage auf dem Parabelflieger untersuchen.

Hier werden unterschiedliche Proben levitiert – also frei schwebend gehalten. Dazu wird die Probe in einer Spule zwei elektromagnetischen Wechselfeldern ausgesetzt. Die eingebrachten Wirbelströme – ähnlich wie bei einem Induktionskochfeld in der Küche – schmelzen und positionieren die Probe. Nach Abschalten des Heizfelds kann dann die Probe erstarren. Durch vergleichende Experimente in Schwerelosigkeit und auf der Erde untersuchen die Forscher, wie schwerkraftgetriebene Phänomene wie Konvektion, Sedimentation und Auftrieb auf die Erstarrung der Proben wirken. Aus diesen Erkenntnissen entwickeln sie physikalische Modelle, die die technischen Prozesse für ein Materialdesign aus der Schmelze auf der Erde verbessern sollen.

Dem Geheimnis von staubigen Plasmen auf der Spur

Ein Plasma ist ein elektrisch leitfähiges Gas und gilt neben fest, flüssig und gasförmig als der vierte Aggregatszustand. Ist im Weltraum das Plasma der Normalzustand, kommt dieser vierte Aggregatzustand auf der Erde eher selten vor. Er lässt sich erzeugen, indem man zum Beispiel wie bei Leuchtstofflampen in einem Gas bei niedrigem Druck eine elektrische Spannung zwischen zwei Elektroden anlegt. Mischen sich zusätzlich noch etwa mikrometergroße Partikel hinzu, entsteht ein sogenanntes staubiges Plasma. Das Verhalten dieser Partikel ist besonders interessant, da diese Form des Plasmas zum Beispiel auch in Kometenschweifen oder den Staubringen von Planeten wie dem Saturn zu finden ist.

Doch bei Experimenten an staubigen Plasmen auf der Erde ist die Schwerkraft oft ein großes Problem. Sobald man eine größere Staubwolke erzeugen möchte, sorgt die Schwerkraft dafür, dass die Wolke am unteren Rand des Plasmas zusammengepresst wird. Auf Parabelflügen erzeugt und untersucht eine Forschergruppe der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Mischungen verschieden großer Teilchensorten ohne den Einfluss der störenden Schwerkraft. Damit werden neuartige Eigenschaften des Staub-Plasma-Systems für Messungen zugänglich.

Strömungen verstehen – Qualität von Halbleiterkristallen verbessern

In vielen Bereichen moderner Technologie wie Solarzellen, Thermoelektrika, Strahlungsdetektoren, Mikrochips, Leuchtdioden und Lasern ist der Einsatz kristalliner Materialien hoher Qualität nicht mehr wegzudenken. Viele dieser Halbleiterkristalle werden aus der Schmelze gezüchtet. Für bestimmte Anwendungen werden aber nicht nur Halbleiter aus einer Substanz, sondern Mischkristalle zweier oder mehrerer Halbleiter benötigt – so etwa aus dem System Germanium-Silizium. Will man diese Kristalle züchten, hat man es neben der temperaturgetriebenen Strömung – der sogenannten thermischen Marangonikonvektion – auch mit einer Konvektionsart zu tun, die durch Konzentrationsunterschiede innerhalb der Schmelze angetrieben wird.

Obwohl sich beide auf die Verteilung von Fremdstoffen und damit auch auf die Qualität der gezüchteten Kristalle auswirken, wurde diese sogenannte solutale Marangonikonvektion bislang kaum untersucht. Das wollen Forscher der Universität Freiburg nun ändern. Daher gehen sie nun dieser solutalen Marangonikonvektion unbeeinflusst durch die Auftriebskonvektion nach. Die Auswertung der neuen Daten und Informationen werden dann in die Kristallzüchtung einfließen.

Planetenentstehung: Quelle für Mini-Staubpartikel auf der Spur

Wie entstehen Planeten? Um eine Antwort auf diese spannende Frage zu finden, müssen Wissenschaftler der Technischen Universität Braunschweig das Verhalten von winzigen Staubteilchen in der Schwerelosigkeit untersuchen. Denn gerade in der Frühphase der Planetenentstehung gab es nur kleine Staubteilchen, die gegeneinander stießen, aneinander haften blieben und so zu einem größeren Teilchen zusammenwachsen sollten. So entstehen nach und nach immer größere Himmelskörper. Doch laufen diese Zusammenstöße der kleinen Staubteilchen wirklich völlig rückstandslos ab? Hier gibt es Zweifel, da winzige Teilchen auch bei älteren- sogenannten protoplanetaren – Scheiben aus Gas und Staub um einen Stern herum astronomisch beobachtet wurden.

Die Braunschweiger Forscher wollen daher nach einer möglichen Quelle für diese zurückgebliebenen Mini-Staubpartikel suchen. Bei abprallenden Stößen zwischen zentimetergroßen Staubagglomeraten bei Geschwindigkeiten von einem Dezimeter pro Sekunde brechen Stücke mit Größen von ungefähr 100 Mikrometern ab. Dieser Abtragung gehen die Forscher im Parabelflugexperiment quantitativ auf den Grund, um das Ausmaß dieses Effektes zur Erzeugung kleiner Teilchen und zur Vernichtung großer Agglomerate in protoplanetaren Scheiben zu bestimmen.

Wärmetransport in künstlichem Kraftfeld

Forscher der BTU Cottbus erzeugen in zwei unterschiedlichen Experimentboxen jeweils ein eigenes, künstliches Kraftfeld, in dem ein spezieller Wärmetransport stattfinden soll. Dazu legen sie jeweils an einen Zylinderspalt zehn Kilovolt Spannung an. Diese Hochspannung sorgt dafür, dass dort während einer Parabel nur noch radial ausgerichtete Kräfte wirken. Zwar ist dieser Grundaufbau in beiden Experimentboxen gleich. Allerdings werden die Vorgänge im Zylinderspalt jeweils unterschiedlich dokumentiert. In dem einen Aufbau messen die Forscher mit Sensoren die Temperaturverteilung und mit einem Schlierenverfahren die radiale Dichteverteilung. In dem anderen kommt ein Laserlichtschnittverfahren zum Einsatz, das aufschlussreiche Strömungsbilder liefern soll.

So können die Wissenschaftler an vier Flugtagen in je zwei Flügen mit jeweils circa 60 Parabeln Vergleichswerte zu zwei fast identischen Versuchsaufbauten mit verschiedenen Messmethoden sammeln und ergründen, wie der Wärmetransport verbessert werden kann. Die Ergebnisse sind zum einen für die strömungsmechanische Grundlagenforschung interessant, liefern zum anderen aber auch Erkenntnisse für die Entwicklung kontrollierbarer und effizienterer Wärmetauscher.

Gibt es einen granularen Leidenfrosteffekt in Schwerelosigkeit?

Ein Wassertropfen kann sehr lange über einer heißen Metallplatte schweben, bevor er endgültig verdampft. Dieser Effekt wurde 1756 von Johann Gottlob Leidenfrost entdeckt und nach ihm benannt. Die verlangsamte Verdampfung einer Flüssigkeit lässt sich auch teilweise auf das Verhalten von angeregten Granulaten im Schwerefeld übertragen. Die theoretische Erklärung des granularen Leidenfrosteffekts beruht auf einem Wechselspiel zwischen dem Energieeintrag durch Vibration, Teilchenstößen und der Schwerkraft.

Numerische Simulationen legen jedoch die Vermutung nahe, dass der Effekt auch ohne Schwerkraftwirkung auftreten kann. Forscher der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg wollen in ihrem Parabelflugexperiment diese Hypothese prüfen und die Bedingungen untersuchen, unter denen der granulare Leidenfrosteffekt beobachtet wird, der sich in der Praxis zum Beispiel auf die Effizienz granularer Schwingungsdämpfer auswirkt.

Pulverbasierte Fertigung für Weltraummissionen fit machen

Additive Fertigungsverfahren wie 3D-Druck sind die Zukunft der nachhaltigen Produktion. Im Gegensatz zum Fräsen, Bohren und Erodieren wird Material zu einem Bauteil zusammengeführt und nicht abgetragen. Dadurch wird immer nur so viel Rohstoff verwendet, wie tatsächlich auch gebraucht wird. Diese Verfahren sind auch für die Raumfahrt interessant, um zum Beispiel auf einer Raumstation Bauteile, Komponenten, Ersatzteile oder Werkzeuge nach Bedarf anzufertigen. Es müsste dann nur das Pulver und nicht ein ganzes Bauteilsortiment zur Raumstation transportiert werden. Das spart Material für die Fertigung und somit auch Treibstoff für den Weltraumtransport.

Bislang kommt auf der Internationalen Raumstation ISS ein 3D-Drucker zum Einsatz, der ein Filament aus aufgeheiztem Kunststoff, Metall oder anderem Material Schicht für Schicht aufträgt, um ein dreidimensionales Objekt herzustellen. In diesem Parabelflugexperiment testet ein Konsortium von Wissenschaftlern der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), der TU Clausthal und dem DLR nun auch die industriell sehr erfolgreichen pulverbasierten Fertigungsverfahren auf ihre Eignung für einen Einsatz in Schwerelosigkeit, um ihr großes Potenzial für künftige Weltraummissionen zugänglich zu machen.

Bilder vom ZERO-G

  • Abb. 1 bis 3: A310 ZERO-G beim Parrabelflug, im Inneren des Flugzeuges erleben Experimentatoren und ihre Versuche für einige Sekunden Schwerelosigkeit
  • Erstflieger und Vielflieger vor dem ZERO-G: Prof. Jens Günster (l.) von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und Nils-Alexander Bury von der Deutschen Sporthochschule Köln freuen sich beide schon auf ihren Flug im A310 ZERO-G. Während Prof. Günster als Erstflieger zum ersten Mal die Schwerelosigkeit spüren wird, ist dieses Gefühl für Vielflieger und Diplom-Sportwissenschaftler Bury fast schon alltäglich geworden. Doch nach dieser Kampagne, die seine sechste sein wird, ist erst einmal Schluss, weil er nun sein Projekt und seine Doktorarbeit abschließen wird.
  • Elf Experimente im freien Fall: Während der DLR-Parabelflugkampagne sind diesmal elf Experimente aus den Bereichen Lebenswissenschaften, Biologie, Physik, Materialforschung und Technologie mit an Bord. Hier ein Bild vom Einbau der TEMPUS-Anlage.
  • Vorbereitungen im A310 ZERO-G für die 30. DLR-Parabelflugkampagne: Vorbereitungen für die 30. DLR Parabelflugkampagne: Vom 11. bis zum 15. September 2017 testen Wissenschaftler und Techniker von elf verschiedenen Hochschulen und Bundeseinrichtungen ihre Experimente unter Schwerelosigkeitsbedingungen. An insgesamt vier Flugtagen je 31 Parabeln startet der umgebaute A310 ZERO-G vom französischen Bordeaux aus.
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