Astronomisches Schauspiel – Venustransit vor der Sonne

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Letzte Gelegenheit! Zumindest für diejenigen, die zurzeit leben, ist am 6. Juni in , und der etwa zwischen 4.40 Uhr und 6:55 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ) die letzte Gelegenheit, die Venus auf ihrer Bahn zwischen Erde und Sonne zu beobachten. Wie ein schwarzer, kreisförmiger Fleck, der über die Sonnenscheibe wandert, wird die Venus zu sehen sein – und dieses Schauspiel erst wieder in 105,5 Jahren, also im Dezember 2117, wiederholen. "Man kann die schwarze Venus gerade noch mit dem bloßen Auge auf der Sonne erkennen – allerdings muss man dazu unbedingt eine Spezialbrille zur Sonnenbeobachtung benutzen, um nicht das Augenlicht zu verlieren", empfiehlt Dr. Manfred Gaida, Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für – und (DLR) und Astronom.

Der Venusdurchgang, der derzeit die Astronomen weltweit in Aufregung versetzt, sorgte bereits im 18. Jahrhundert für große Anspannung: Bei David Rittenhouse, Uhrenmacher, Teleskopbauer und Gründer der ersten amerikanischen Sternwarte, löste der Venustransit eine Ohnmacht aus – der Astronom war schlichtweg so aufgeregt vor Beginn des astronomischen Schauspiels, dass er den ersten Kontakt der Venus mit der Sonnenscheibe verpasste. Auch Nevil Maskelyne hatte in diesem Jahr schlechte Karten: Mit 400 Litern Wein und Rum, 20 Litern Branntwein und 70 Flaschen Bordeaux reiste der frühere Hilfspfarrer als Königlicher Astronom per Schiff nach St. Helena um die Venuspassage vor der Sonne zu beobachten – und konnte bei schlechtem Wetter nichts sehen, geschweige denn wissenschaftlich relevante Kontaktdaten bestimmen.

Bereits 1631 und 1639 hatte der "Abend- und Morgenstern" seine Bahn zwischen Erde und Sonne gezogen, doch damals war die Zahl der Beobachter noch gering. Das änderte sich 1761: Nicht nur Rittenhouse und Maskelyne sahen zum Himmel. 120 Beobachter an 62 Stationen weltweit verfolgten den Venustransit. Ganze Expeditionen reisten zur Beobachtung nach Sumatra, St. Helena, Neufundland, Sibirien, , Rodrigues und Mauritius.

Beobachtungsreisen von der Südsee bis nach

"Man wollte durch die Beobachtung des Venustransits von unterschiedlichen Standorten aus die Entfernung von der Erde zur Sonne absolut und exakt berechnen", erklärt DLR-Wissenschaftler Gaida. "Diese so genannte Astronomische Einheit (AE, ca. 149.600.000 km) benötigte man damals auch implizit für die geographische Längenberechnung auf der Erde." Wer die Entfernung von der Erde zur Sonne absolut kannte, konnte die Ausdehnung des Sonnensystems sowie die Bahn des Mondes präziser berechnen und dadurch auf See genauer navigieren. "Die Beobachtung der Venuspassage war also nicht nur von wissenschaftlichem, sondern auch von machtpolitischem Interesse."

Doch 1761 enttäuschte die Venus die Forscher: Statt als vollkommen rundes Scheibchen vor der Sonne löste sie sich nur tropfenförmig vom inneren Sonnenrand ab und verschlechterte dadurch die Messungen der Kontaktzeiten. "Die Teleskope waren erheblich kleiner und beugungstechnisch nicht so gut wie heute", sagt Gaida. Blicken heute metergroße Teleskope auf die Venus vor der Sonne, hatten die damaligen Instrumente gerade einmal einen Durchmesser von etwa 20 oder 30 Zentimetern.

Die Begeisterung der Astronomen ließ dennoch nicht nach. 1769 starteten alleine 80 Expeditionen aus Europa. Auch Entdecker James Cook gehörte auf seiner Seereise nach Tahiti dazu. "Wir sahen sehr deutlich eine oder einen düsteren Schatten um den Körper des Planeten, was große Verwirrung bei der Bestimmung der Zeiten der Kontakte verursachte", schreibt er in seinen Aufzeichnungen. Immerhin hatte er freie Sicht ohne Wolken auf das Ereignis. Im 19. Jahrhundert reisten Wissenschaftler nach , auf die -Insel, blickten im chilenischen Punta Arenas zum Himmel oder stellten ihre Teleskope in Ägypten, Persien und in South Carolina auf. Auch wenn die Bestimmung der Erde-Sonne-Entfernung noch nicht so gut funktionierte –  "Die Abweichung zur heute gemessenen Entfernung zwischen Erde und Sonne betrug nur zwei Prozent", erläutert DLR-Planetenforscher Dr. Pascal Hedelt. Auch dass die Venus keine Monde hat, stellten die Astronomen damals bereits fest.

Suche nach der zweiten Erde

Das Transitphänomen wie bei der Venuspassage nutzen die Planetenforscher allerdings auch noch für eine ganze andere Suche – der Suche nach der zweiten Erde. "Wenn wir nach Exoplaneten, also Planeten außerhalb unseres Sonnensystems suchen, können wir diese finden, wenn sie vor ihrem Zentralstern vorbeiziehen und dabei dessen Licht abschwächen." Das Prinzip funktioniert also genauso wie bei der Venusbeobachtung: Wenn sich ein Planet auf seiner Bahn zwischen seinen Zentralstern und die Erde bewegt, wird er sichtbar.

Das europäische Weltraumobservatorium CoRot (Convection, Rotation and Planetary Transits), an dem das DLR beteiligt ist, hat bisher über 25 Exoplaneten vom Gasriesen bis zur Super-Erde entdeckt. Durch die Beobachtung des Venustransits, der in einer viel größeren Nähe zur Erde stattfindet, lernen die Wissenschaftler vor allem eines: "Die Beobachtungen helfen uns dabei, tatsächliche Planetentransits beispielsweise von ‚normalen‘ Sternflecken zu unterscheiden", erläutert DLR-Forscher Hedelt. Diese schwächen nämlich ähnlich wie ein Planetentransit das Licht des Zentralsterns ab.

Blick auf die Venus

"Von der Erde aus wird man den Venustransit am 05./06. Juni am besten im östlichen Teil Australiens, von Neuseeland, Ostasien, von Hawaii, Alaska oder generell einem Standpunkt oberhalb des nördlichen Polarkreises, wo die Sonne nicht untergeht, sehen können", sagt DLR-Astronom Dr. Manfred Gaida. Wer den Venustransit am 06. Juni 2012 verpasst, hätte höchstens noch am 21. Dezember 2012 eine Chance – allerdings müsste er dafür auf dem Saturn stehen. Dann schiebt sich von dort gesehen die Venus zwischen Saturn und Sonne. Beobachten wird dies dann aber nur die amerikanische Cassini-Raumsonde, die seit 2004 den Saturn umrundet, und während des Venustransits auf den Abendstern ausgerichtet wird.

Cassini, für die das DLR einen Teil der Datenprozessierung und der Kartographierung der Eismonde des Saturn durchführt, hat dabei unter anderem das VIMS-Spektrometerexperiment (Visible and Infrared Mapping Spectrometer) und das deutsche ISS-Kameraexperiment an Bord. Um die Venus selbst ist dabei jederzeit ein permanenter Beobachter im Einsatz: Die deutsche Venus Monitoring Camera (VMC) blickt von der Sonde Venus Express auf die heiße Oberfläche des Planeten. Dpch selbst aus dieser kurzen Entfernung macht das "schlechte" Wetter mit seinen dichten Wolken den Wissenschaftlern oftmals einen Strich durch die Rechnung.

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