Vulkanasche lässt Triebwerksschaufeln aufschmelzen

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Vulkanasche kann im Luftverkehr zu ernstzunehmenden Problemen führen. Im Rahmen des Projekts VolcATS-Vehicle (Volcanic Ash Impact on the Air Transport System) erforschen Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Auswirkungen von Vulkanasche auf Flugzeuge.

Im Fokus stehen dabei die Auswirkungen der Asche auf die Triebwerke sowie der Einfluss von Vulkanasche auf die Leistung von Luftfahrzeugen durch verschmutzte Flugdatensensoren sowie Navigations- und Kommunikationseinrichtungen.

Auswirkungen von Asche noch unzureichend erforscht

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sollen helfen, das Gefahrenpotential von Vulkanasche für Luftfahrzeuge detaillierter einzuschätzen. Die gewonnenen Daten, beispielsweise zu Schubverlusten, fließen in die Konzeption weiterer Experimente ein und werden auch für Computersimulationen verwendet, die die Wirkung der Vulkanasche auf Triebwerkskomponenten simulieren.

"Der Grenzwert für den Luftverkehr liegt derzeit bei einer Aschekonzentration von zwei beziehungsweise vier Milligramm pro Kubikmeter. Ein bedeutender Faktor ist jedoch auch die Asche-Dosis, die im Laufe eines Fluges aufgenommen wird." sagt Dr. Hendrik Lau, Projektleiter VolcATS-Vehicle. "Wir wollen mit unseren Untersuchungen näher eingrenzen, in welchem Bereich eine für Triebwerke schädliche Aschedosis liegt."

Der Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjalla im Jahr 2010 sowie ähnliche Ausbrüche rund um den Globus, haben gezeigt, dass der internationale Luftverkehr durch derartige Naturphänomene empfindlich gestört werden kann. Die Auswirkungen der Aschepartikel auf entscheidende Komponenten eines Flugzeugs, wie Brennkammer, Verdichter und Sensorik, sind noch nicht hinreichend bekannt und müssen tiefergehend erforscht werden.

Prüfstände mit künstlicher Vulkanasche

Der Projektabschnitt VolcATS-Vehicle wird von den DLR-Instituten für Werkstoffforschung, Flugsystemtechnik und Antriebstechnik bearbeitet. Die Arbeitspakete beschäftigen sich mit dem direkten Einfluss auf das Triebwerk, die Triebwerksschaufeln sowie die Brennkammer. Zudem beschäftigen sich die DLR-Forscher mit der Entwicklung und thermophysikalischen Charakterisierung von künstlicher Vulkanasche für realitätsnahe Versuche und der Analyse von bekannten Vorfällen im Luftverkehr, die in Verbindung mit Vulkanasche standen.

Um die unterschiedlichen Konstellationen unter realistischen Bedingungen wissenschaftlich zu untersuchen, sind verschiedene Prüfstände und Testverfahren entwickelt worden. Hier können die verschiedenen Betriebsphasen und -temperaturen eines Triebwerks realitätsnah simuliert werden.

Asche schädigt Triebwerk auf verschiedene Weise

Vulkanasche schädigt Flugzeugtriebwerke hauptsächlich durch die von scharfkantigen Partikeln verursachte Erosion und durch geschmolzene Asche. Das Zusetzen von Brennstoffdüsen, Kühlluftbohrungen und Turbinenströmungsquerschnitten stellt ein zusätzliches Problem dar. Bei Flügen durch Vulkanaschewolken wurde zudem von Funkunterbrechungen und Auswirkungen auf Navigationssysteme berichtet. Beispielsweise wurden die für die Geschwindigkeitsmessung genutzten Pitot-Sonden mit Vulkanasche kontaminiert.

"Der Grad der Beschädigung ist stark abhängig von der jeweiligen Geometrie der Partikel, ihrer Konzentration, den Betriebsbedingungen des Triebwerks und den physikalischen und chemischen Eigenschaften der Asche", erklärt Dr. Hendrik Lau. Während die Erosion durch Vulkanasche weitgehend der durch Wüstenstaub verursachten Erosion gleicht, gab es bislang kaum Erkenntnisse, welche Schäden Vulkanasche-Partikel in der Brennkammer und an den Hochdruckturbinen-Schaufeln anrichten.

Um eine effiziente und saubere Verbrennung zu gewährleisten, herrschen in modernen Turbinen Temperaturen weit über dem Schmelzpunkt von Stahl, Flammentemperaturen von bis zu 2.000 Grad Celsius und mehr. Deshalb sind thermisch besonders belastete Bauteile wie Brennkammern und Turbinenschaufeln mit einer keramischen Hitzeschutzschicht ausgestattet. Diese Schutzschicht ist durch ihre säulenartige Struktur flexibel und kann sich dem temperaturbedingten Ausdehnen der darunterliegenden Metallstruktur anpassen.

Keramikschutz platzt ab, Turbinenschaufeln schelzen an

Vulkanasche besitzt aufgrund ihrer komplexen chemischen Zusammensetzung keinen Schmelzpunkt sondern einen Schmelzbereich, der bereits bei 900 Grad Celsius beginnen kann. Honigartig erweicht, kann sie so auf der keramischen Schutzschicht festbacken, wodurch sie der säulenartigen Struktur ihre Flexibilität nimmt und damit die Thermoschockbeständigkeit der Wärmedämmschicht herabsetzt.

Ähnlich wie bei einem Emaille-Topf, bei dem die kompakte Emaille (Keramik) bei einer Deformation des Topfes abplatzt, platzt eine durch geschmolzene Vulkanasche kompaktierte Wärmedämmschicht von einer Turbinenschaufel ab, die sich, je nach Flugphase, temperaturbedingt ausdehnt und zusammen zieht.

Demzufolge kommen ungeschützte, metallische Oberflächen der Turbinenschaufeln in Kontakt mit dem heißen Gasstrom und können lokal aufgeschmolzen werden. Durch diesen lokalen Schmelzprozess verlieren die Turbinenschaufeln ihre optimale aerodynamische Form, was zu einem Leistungsverlust sowie zu einem erhöhten Treibstoffverbrauch führt. In Extremfällen kann es zu einem Ausfall der Turbine kommen.

VolcATS für Echtzeitvorhersagen für den Luftverkehr

Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen von Vulkanasche auf den Luftverkehr bündelt das DLR im Projekt VolcATS (Volcanic Ash Impact on the Air Transport System) sowie auch im Projekt iVar (Increased Volcanic Ash Resistance, in Kooperation mit der Fachhochschule Düsseldorf, Labor für Umweltmesstechnik). VolcATS umfasst ein satellitengestütztes Verfahren, das in Echtzeit die Ascheverteilung in der Luft bestimmt und die Wolkenausbreitung vorhersagt und unterstützt ein flexibles Luftverkehrsmanagement für aschefreie und damit sichere Bereiche für den Flugverkehr. Ergänzend werden die noch unzureichend bekannten Folgen von Vulkanasche für Flugzeugtriebwerke untersucht sowie ein Asche-Warnsystem für Linienmaschinen entworfen.

Beteiligt sind die DLR-Institute für Physik der Atmosphäre, Flugführung, Werkstoff-Forschung, Antriebstechnik, Flugsystemtechnik sowie die DLR-Lufttransportsysteme und die DLR-Flugexperimente. Die Falcon gehört zu den wenigen Forschungsflugzeugen in Europa, die in der Lage sind im Rahmen gesetzlicher Aschegrenzwerte in großen Höhen und über längere Distanzen in Vulkanaschewolken einzufliegen. Während des Ausbruchs des Eyafjallajökull 2010 haben die Messflüge mit der DLR-Falcon dazu beigetragen, gesperrte Lufträume über Deutschland wieder freizugeben.

Versuchsaufbau mit Asche für die Kleingasturbine

Im Projekt iVar werden in Zusammenarbeit mit dem Labor für Umweltmesstechnik der FH Düsseldorf erstmalig die Turbinenschaufeln einer Kleingasturbine mit kommerziellen, flugerprobten sowie auch zukünftigen Wärmedämmschichten versehen.

In einem Windkanal-ähnlichen Versuchsaufbau werden in der Ansaugluft der Turbine definierte Vulkanasche-Konzentrationen dispergiert und dadurch Bedingungen eines Fluges der Turbine durch eine quasi-reale Vulkanasche-Wolke geschaffen. Dies erlaubt die Erforschung des schädigenden Einflusses von Vulkanasche-Partikeln auf ein Strahltriebwerk unter möglichst realen Testbedingungen.

Bild 1 und 2 zeigen eine aufgeschmolzene und schwer beschädigte Turbinenschaufel.

Bild 3 zeigt eine durch Aschepartikel beschädigte Keramikschicht, vergleichbar zum Abplatzen von Emaille.

Bild 4 zeigt die splitterförmigen Aschepartikel des Vulkans Eyjafjalla, welche sich nach Passieren eines 1.700 °C heißen Gasstroms Schmelztropfen formen.

Bild 5 zeigt die Gasturbine, die im Versuchsaufbau mit Turbinenschaufeln unterschiedlicher Materialien bestückt werden kann.

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