Die neu konzipierte Oberstufe der europäischen Trägerrakete Ariane 6 muss vor ihrem ersten Einsatz im Weltall intensive Funktions-Checks bestehen. Dazu hat das Deutsche Zentrum für Luft– und Raumfahrt (DLR) gemeinsam mit ArianeGroup in Lampoldshausen am 01. September einen weiteren Heißlauftest durchgeführt. Der rund 22 Stunden dauernde Versuchstag bildete die Anforderungen ab, welche die Oberstufe bei ihrem ersten Einsatz im All erfüllen muss. Das Besondere: Die Testanforderungen entsprachen dem Flugszenario beim Erststart.
DLR und ArianeGroup führten den Test am ESA-Prüfstand P5.2 durch
„Ich freue mich sehr über den gelungenen Test und beglückwünsche die Teams von ArianeGroup, ESA und DLR zu der erfolgreichen Zusammenarbeit. Dieser Test ist ein zentraler Meilenstein und elementar für die Qualifikation der Oberstufe für ihren Erststart“, erklärte Dr. Walther Pelzer, DLR-Vorstandsmitglied und Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR. „Das DLR ist für seine einzigartige Testinfrastruktur weltweit bekannt und setzt mit dem Prüfstand P5.2 neue Maßstäbe in Europa. Bei der Ministerratskonferenz im November letzten Jahres in Paris haben sich die ESA-Mitgliedsstaaten auch darauf verständigt, dass Lampoldshausen als Standort für Triebwerks- und Stufentests Teil der strategischen ESA-Infrastruktur ist“, so DLR-Vorstand Walther Pelzer weiter.
Komplexes Anforderungsprofil und wichtige Funktions-Checks erfüllt
Bei der Ariane-6-Oberstufe handelt es sich um eine von Grund auf neu entwickelte Raketenstufe. Konzipiert und gebaut hat sie das Unternehmen ArianeGroup als Hauptauftragnehmer im Namen der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Sie besteht aus zwei Haupttanks, die mit flüssigem Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff gefüllt sind. Dazu kommt das bis zu viermal wiederzündbare Vinci-Triebwerk und die APU (Auxiliary Power Unit), eine innovative Antriebseinheit. Die APU erweitert die Einsatzmöglichkeiten der Ariane 6:
Mit zwei Zündungen des Vinci-Triebwerks und zwei Zündungen der APU wurde bei diesem Heißlauftest ein sehr komplexes Anforderungsprofil am Prüfstand nachgestellt. „Bei den bisherigen Arbeiten und Tests haben wir wichtige Informationen und Daten über die Stufe erhalten. Beim aktuellen Test haben wir einen weiteren wichtigen Schritt geschafft: Es ist uns gelungen, auf dem Prüfstand ein Szenario nachzustellen, das den Anforderungen des Erstflugs der Ariane 6 entspricht“, verdeutlichte Prof. Stefan Schlechtriem, Direktor des DLR-Instituts für Raumfahrtantriebe. „Das Ergebnis ist eine umfassende Datenbasis, die nun von ArianeGroup detailliert analysiert und ausgewertet wird.“
Ariane-6-Oberstufe: konzipiert für flexiblere Raumfahrtmissionen
„Dieser erneute erfolgreiche Test stellt einen sehr wichtigen Meilenstein auf dem Weg zum Erstflug der Ariane 6 dar. Dieser Erfolg ist das Ergebnis einer seit vielen Jahrzehnten erfolgreichen, engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen der ArianeGroup und dem DLR am Standort Lampoldshausen. Bei diesen sogenannten ‚Hot Firing Tests‘ wird die am Standort Bremen gefertigte Ariane-6-Oberstufe – und die dazugehörige Triebwerkstechnologie aus Ottobrunn – auf Herz und Nieren geprüft. Anschließend wird sie dann in einem zweiten Schritt gemeinsam mit der in Frankreich gefertigten Hauptstufe getestet. Ich möchte an dieser Stelle meinen Dank an die beteiligten Teams an allen Standorten aussprechen und mich auch für die sehr gute Zusammenarbeit mit dem DLR bedanken“, so Pierre Godart, CEO ArianeGroup GmbH.
Der ESA-Direktor für Raumtransport, Toni Tolker Nielsen, dankte den Partnern DLR und ArianeGroup, dem Hauptauftragnehmer der Ariane 6, für die Durchführung der Tests in Lampoldshausen: „Die Ariane 6 steigert unsere Fähigkeiten beim Raumtransport dramatisch und die Oberstufe mit ihrem wiederzündbaren Vinci-Triebwerk wird einen erheblichen Wandel bewirken. Die Ergebnisse dieser Tests geben uns großes Vertrauen, dass wir mit der Flexibilität dieses Startsystems allen Missionsanforderungen gerecht werden können. Gemeinsam mit unseren Partnern machen wir enorme Fortschritte und ich freue mich auf die nächsten Etappen unserer Ariane-6-Reise.“
Bei der Oberstufe der Ariane 6 spielen viele neue Technologien zusammen: Durch das mehrmals wiederzündbare Vinci-Triebwerk und die APU sind flexiblere Missionsprofile möglich. Zudem ist die Oberstufe so konzipiert, dass sie nach dem Einsatz komplett in der Erdatmosphäre verglüht, also keine Trümmerteile hinterlässt. Das ist eine wichtige Maßnahme, um keinen weiteren Weltraumschrott zu verursachen.
Das DLR am Standort Lampoldshausen ist mit seinem Portfolio an Prüfständen für Tests von zukunftsweisenden Raumtransport-Systemen optimal aufgestellt. Mit dieser einmaligen Forschungsinfrastruktur und seiner umfassenden Expertise unterstützt das DLR die deutsche und europäische Raumfahrtindustrie dabei, neuartige Antriebssysteme zu entwickeln.
Anspruchsvolle Tests für den Einsatz im Weltall
Ein Testtag mit der Ariane-6-Oberstufe nimmt rund 22 Stunden in Anspruch und erfordert mehrere Wochen intensiver Vorbereitung. Beim Test werden Vorgänge simuliert, wie sie auch bei einem echten Startvorgang stattfinden. Dazu zählt das Betanken der Oberstufe mit flüssigem Sauerstoff und flüssigem Wasserstoff sowie das Entleeren der Tanks nach Ende des Tests. DLR und ArianeGroup sammeln während der Versuche eine große Menge an relevanten Daten: Dazu gehören auch Daten, die zum Beispiel Einblicke in die ballistischen Phasen – wenn die Oberstufe ohne Schub fliegt – geben und für die Auswertung wichtig sind.
Deutsche Beteiligung am Ariane-Programm
Deutschland trägt aktuell mit 44 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren über seinen ESA-Beitrag zur Sicherung des Zentrums für Triebwerkstests in Lampoldshausen bei. Die deutsche Raumfahrtagentur im DLR steuert im Auftrag der Bundesregierung die deutschen ESA-Beiträge. Bei der Ministerratskonferenz im November letzten Jahres in Paris zeichnete Deutschland knapp 490 Millionen Euro für Aktivitäten im Trägerraketen-Bereich und ist nach Frankreich zweitstärkster Ariane-6-Partner. Deutschland ist mit rund 23 Prozent am Ariane-6-Entwicklungsprogramm beteiligt. Die Oberstufe der Trägerrakete wird am Standort Bremen der ArianeGroup integriert.