Forschungsflugzeuge messen Ozonbildung von Gewittern

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Gewitter haben einen erheblichen Einfluss auf die globale Ozonbildung: Blitze setzen Stickoxide frei, die in Höhen von zehn Kilometern Ozon produzieren, starke Aufwinde in Gewittern transportieren Emissionen vom Boden in die obere Atmosphäre. Doch wie groß ist dieser Einfluss – auch im Vergleich zum Luftverkehr? Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gehen gemeinsam mit dem amerikanischen National Center for Atmospheric Research (NCAR) und der Weltraumagentur NASA sowie weiteren Partnern diesen Fragen nach. Hierzu führen sie noch bis Mitte Juni Messflüge in den USA durch. Die Forscher wollen bestehendes Datenmaterial erweitern und die Prozesse in Gewittern besser verstehen.

"Gewitter sind wie Staubsauger", erklärt Dr. Heidi Huntrieser vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre. Als DLR-Projektleiterin begleitet sie die Messflüge in den USA. "Gewitter saugen mit teilweise über 100 Stundenkilometern die Luft vom Boden in rund zehn Kilometer Höhe in den so genannten Ambossbereich. Dies ist die pilzförmige Schicht ganz oben ‚auf‘ dem Gewitter – hier strömt die Luft nur noch seitlich, aber kaum mehr weiter nach oben."

Völlig andere Bedingungen am Ambossbereich

Wird verschmutzte Luft wie beispielsweise Auto-Emissionen vom Boden in diese Region transportiert, ändert sich aufgrund der dort herrschenden kalten Temperaturen, anderer Feuchtigkeit und intensiveren Sonneneinstrahlung auch deren Chemie: Der Abbau dauert sehr viel länger, die Produktion von Ozon steigt: "Stickoxide können in diesen Höhen bis zu zehn Mal so viel Ozon produzieren wie am Boden", erläutert Huntrieser.

Mit den Messungen wollen Huntrieser und ihre Projekt-Partner die bestehenden Datensammlungen erweitern: "Vorherige Messungen lassen den Schluss zu, dass der globale Luftverkehr etwa ein Teragramm Stickoxide pro Jahr produziert – Gewitter aber für etwa fünf Mal so viel verantwortlich sind. Alle Stickoxid-Quellen zusammen verursachen in der Atmosphäre etwa 50 Teragramm Stickoxide pro Jahr, die Gewitter sind also für rund 10 Prozent verantwortlich", sagt Huntrieser. Teragramm bedeutet 10 hoch 12, also eine Zahl mit 12 Nullen. Neue Modellsimulationen zeigen, dass der Einfluss von Gewittern auf den Ozonhaushalt sehr hoch sein kann. "Das waren zum Teil sehr überraschende Ergebnisse", sagt Huntrieser. "Wir brauchen jetzt mehr Messdaten, um das zu bestätigen."

Einsatz von drei Forschungsflugzeugen – möglichst am gleichen Gewitter

Drei Forschungsflugzeuge sind bei dieser Mission im Einsatz: Das DLR-Forschungsflugzeug Falcon wird in zehn Kilometern Höhe messen, das amerikanische Forschungsflugzeug Hiaper in bis zu 15 Kilometern Höhe und eine DC-8, ein wesentlich größeres Flugzeug, misst hauptsächlich in den niedrigeren Höhen. "Unser ehrgeiziges Ziel ist es, dass alle Flugzeuge gleichzeitig in Gewitternähe in unterschiedlichen Höhen arbeiten – das wäre weltweit einzigartig", sagt Huntrieser.

Einfluss verschiedener Blitz-Typen

Im Fokus stehen neben den Transportprozessen vom Boden in die obere Atmosphäre der Einfluss verschiedener Blitz-Typen: Es existieren verhältnismäßig kurze Blitze von einigen Kilometern Länge und welche, die horizontal auf eine Länge von über 100 Kilometern vorkommen. Die Bildung des Blitzes hängt auch von den Gewittertyp ab: Bisherige Messungen über Europa zeigen, dass diejenigen, die mit viel Hagel und Graupel in den mittleren Breiten vorkommen, verhältnismäßig viele und auch zum Teil längere Blitze enthalten können. Im Verhältnis dazu, zeigen Messungen in tropischen Gewittern in Brasilien weniger Eispartikel, mehr Wolkentröpfchen und viele, aber kürzere Blitze.

Zusätzlich zeigen bisherige Messungen, dass Gewitter mit kürzeren Blitzen im Verhältnis zu denen mit längeren Blitzen auch weniger Stickoxide pro Blitz produzieren. Dank der unterschiedlichen klimatischen Bedingungen in den USA können die Wissenschaftler beide Arten untersuchen: Über Alabama existieren Gewitter mit weniger Eis, über Colorado mit mehr Graupel und Hagel. Oklahoma ist für seine heftigen Gewitter, so genannten Superzellen, die auch Tornados auslösen können, bekannt.

Keine Flüge direkt durchs Gewitter

Die Forschungsflüge zum Gewitter sind hochanspruchsvoll, aber kaum gefährlich für die Insassen: "Wir fliegen nicht direkt in die Gewitter hinein, das wäre aufgrund der starken Turbulenzen, Vereisungsgefahr, Blitzeinschlag und den hohen Windgeschwindigkeiten viel zu gefährlich. Unsere Messungen finden im ruhigeren Amboss-Bereich statt", erklärt Huntrieser. Die robuste Falcon ist für diese Einsätze ideal geeignet, die DLR-Piloten haben schon viele ähnliche Messungen mit dem Forschungsflugzeug über Europa, Brasilien, Australien und Afrika durchgeführt.

Ein Stück Neuland betreten die Forscher bei ihren Messflügen ebenfalls: Rund zwölf bis 48 Stunden, nachdem sich das Gewitter aufgelöst hat, wollen die Wissenschaftler Messflüge in den übrig gebliebenen Gewitterluftmassen durchführen und beispielsweise erfassen, wie viel Ozon produziert wurde und wie sich die chemische Zusammensetzung durch das Gewitter verändert haben.

Internationale Partner

Neben dem DLR sind an den Messungen die Partner u.a. die amerikanische Weltraumagentur NASA, das National Center for Atmospheric Research (NCAR), die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) und die Uni Innsbruck beteiligt. Die Mission wird von der amerikanischen National Science Foundation (NSF) gefördert.

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