Forschungsflugzeug HALO misst Treibhausgase über Kanada

HALO im Anflug auf den Flughafen in Edmonton: Insgesamt ist HALO im Rahmen der Mission CoMet 2.0 Arctic rund 140 Flugstunden im Einsatz.
HALO im Anflug auf den Flughafen in Edmonton: Insgesamt ist HALO im Rahmen der Mission CoMet 2.0 Arctic rund 140 Flugstunden im Einsatz. (© DLR)
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Kohlebergbau, die Öl- und Gasförderung, Mülldeponien und Landwirtschaft – all das sind menschengemachte Quellen des Klimagases Methan (CH4), welches nach Kohlenstoffdioxid (CO2) den Klimawandel am stärksten anheizt. Dabei ist ein Methanmolekül bis zu 86-mal stärker in der Klimawirkung gegenüber CO2. Hinzu kommen große Feuchtgebiete und auftauende Permafrostböden als eine der wichtigsten, wenn auch am wenigsten verstandenen natürlichen Quellen und Senken im globalen CH4– und CO2-Budget. Um genauer herauszufinden, wieviel diese Quellen im Einzelnen emittieren und wie sich natürliche und menschengemachte Quellen besser in der Analyse trennen lassen, ist das deutsche Forschungsflugzeug  im August und September über im Einsatz. Im Rahmen der Mission CoMet 2.0 Arctic (Carbon dioxide and methane mission for ) forscht das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam mit den Partnern des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie Jena sowie der Universität Bremen und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München daran, Klimagasemissionen zukünftig genauer und umfangreicher zu erfassen sowie Klimaprognosen präziser zu gestalten.

„Ehrgeizige Ziele zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen und damit der globalen Erwärmung benötigen eine effektive Überwachung der Klimagas-Emissionen“, sagt DLR-Bereichsvorständin Raumfahrt Dr. Anke Pagels-Kerp. „Die Mission CoMet 2.0 trägt wesentlich dazu bei, neue Werkzeuge für das Klima-Monitoring bereitzustellen und die Datengrundlagen für zukünftige klimapolitische Entscheidungen zu verbessen. Hier zeigt sich die interdisziplinäre Stärke des DLR, neue -Sensorik zu entwickeln sowie diese am Boden, in der Luft und schließlich im All zu erproben und einzusetzen.“

Im Rahmen der Mission werden neuartige Instrumente für die Erfassung der Treibhausgase erprobt. Das im DLR-Institut für Physik der Atmosphäre entwickelte Lidar-Messgerät CHARM-F (CH4 Atmospheric Remote Monitoring) erlaubt es mittels eines Lasers, Methan und CO2 unabhängig vom Sonnenlicht, aus großer Entfernung und mit hoher Genauigkeit zu messen. „Ein solches Lidar-Instrument soll zukünftig als Kernstück der deutsch-französischen Satellitenmission MERLIN (Methane Remote Sensing Mission) regionale und globale Emissionen des Treibhausgases Methan aus dem All bestimmen“, erklärt der CoMet 2.0 Arctic-Projektleiter Dr. Andreas Fix vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen.

Daneben trägt HALO das abbildende Spektrometer MAMAP2DL der Universität , das Methan und Kohlenstoffdioxid aus lokalen Quellen bildgebend erfasst und ebenfalls ein flugzeuggetragenes Vorläuferexperiment für zukünftige Satellitensensoren wie beispielsweise bei der Mission CO2M (Copernicus CO2 Monitoring Mission) ist. Das räumlich hochauflösende abbildende Spektrometer specMACS der LMU München charakterisiert zudem die Reflektivität des Erdbodens und erlaubt die präzise Detektion der bei der Methanfernerkundung störenden Wolken. Die wissenschaftliche Instrumentierung ergänzen zwei Cavity-Ringdown-Spektrometer des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie Jena und des DLR, mittels derer die wichtigsten Treibhausgase in-situ gemessen werden, sowie ein Probensammler zur Bestimmung dieser und weiterer Gase in Laboranalysen der gesammelten Luftproben. Zudem tragen Flüge der Mission dazu bei, Daten bereits aktiver Satellitenmissionen wie beispielsweise Sentinel-5P, GOSAT-1, GOSAT-2 oder EnMAP besser zu kalibrieren. Denn die Lage großer Feuchtgebiete und Permafrost-Regionen in hohen Breiten ist für passive Satelliteninstrumente ohne eigene Lichtquelle besonders herausfordernd, da sich die oftmals geringe Sonneneinstrahlung und starke Bewölkung störend auswirken.

Blick auf das Mackenzie River Delta
Blick auf das Mackenzie River Delta: Das Mackenzie River Delta ist eines der beflogenen Feuchtgebiete in der kanadischen Arktis, noch nördlich von Inuvik. Die Vegetation von Feuchtgebieten nimmt Kohlenstoff auf und speichert ihn, und seine Zersetzung gibt CO2 und CH4 frei. Diese Prozesse machen die Feuchtgebiete wie das Flussdelta zu einer der wichtigsten, wenn auch bisher am wenigsten verstandenen Quellen und Senken im globalen CH4- und CO2-Budget. (© DLR)

Im Tiefflug über ein Fluss-Delta und hoch hinaus in den Norden

Während für die Fernerkundungsinstrumente wie das Lidar oder MAMAP2DL HALO bei den Forschungsflügen in rund sieben bis zehn Kilometer Höhe geflogen wird, ist es für die in-situ Vergleichsmessungen nötig, direkt oft möglichst tief in die zu beprobenden Luftmassen verschiedener Emissionsquellen hineinzufliegen. Dies ist immer auch eine Herausforderung für die Piloten. „Für CoMet 2.0 Arctic haben wir beispielsweise umfangreiche Passagen im Tiefflug über dem Mackenzie River Delta und auch über den Regionen mit Öl- und Gasförderung auf 500 bis 600 Meter über Grund absolviert“, berichtet DLR-Forschungspilot Dr. Marc Puskeiler. Das Mackenzie River Delta ist eines der beflogenen Feuchtgebiete in der kanadischen Arktis, noch nördlich von Inuvik. Die Vegetation von Feuchtgebieten nimmt Kohlenstoff auf und speichert ihn, und seine Zersetzung gibt CO2 und CH4 frei. Diese Prozesse machen die Feuchtgebiete wie das Flussdelta zu einer der wichtigsten, wenn auch bisher am wenigsten verstandenen Quellen und Senken im globalen CH4– und CO2-Budget. „Neben dem fliegerischen Können sind auch immer umfangreiche Vorbereitungen nötig“, sagt Puskeiler. „Speziell in haben wir uns für die vielfältige ausführlich mit der nationalen Flugsicherheitsbehörde NAV Canada und Vertretern der in den beflogenen Gebieten ansässigen indigenen Völkern.“ Ausgangspunkt der HALO-Forschungsflüge ist der in Edmonton im kanadischen Bundesstaat Alberta.

Methan: Treibhausgas mit starker Wirkung

CO2 ist allgemein als das wichtigste vom Menschen auf der Erde emittierte Treibhausgas bekannt. Weniger bekannt hingegen ist, das CH4 trotz der etwa 200-fach geringeren Konzentration in der Atmosphäre gegenüber CO2 ein sehr großes Treibhausgaspotential hat. Denn laut Bericht des Weltklimarates aus dem Jahr 2021 ist ein ausgestoßenes CH4-Molekül über die ersten 20 Jahre 86-mal so klimawirksam wie ein CO2-Molekül. Für 100 Jahre sinkt dieser Wert – da Methan schneller in der Atmosphäre abgebaut wird – auf die immer noch beachtliche 28-fache Klimawirksamkeit. Insgesamt beträgt der Anteil an der Klimaerwärmung von CO2 seit Beginn der industriellen Revolution etwa 65 Prozent, der von CH4 etwa 18 Prozent bezogen auf alle vom Menschen emittierten Treibhausgase. Dabei hat sich die Methankonzentration in der Atmosphäre seit dem Jahr 1750 sogar mehr als verdoppelt während CO2 im gleichen Zeitraum um etwa 44 Prozent angestiegen ist.

Klimagasemissionen von Waldbränden

Ein besonderer Fall umfangreicher Klimagasemissionen sind Waldbrände. „Auch im Rahmen der aktuellen HALO-Forschungsflüge nehmen wir diese nach Möglichkeit in den Blick“, berichtet Dr. Andreas Fix. „Denn neben dem offensichtlich freigesetzten CO2 solcher Brände, können diese auch zu einer erheblichen Methanquelle werden, wenn die Verbrennung nicht vollständig erfolgt.“ Messflüge in der Nähe von Feuern sind vorab nicht planbar und können nur kurzfristig anvisiert werden. So gelang es dem Team bei CoMet 2.0 Arctic einen großen Waldbrand am Rande der Rocky Mountains zu erfliegen.

Vielfältige Kooperation bei Forschungsflügen

Die Mission CoMet 2.0 Arctic der deutschen Forschungspartner DLR, Max-Planck-Institut für Biogeochemie Jena, Universität und München, ist in vielfältige internationale Kooperationen eigebunden. International ist die Forschungskampagne Teil der AMPAC-Initiative (Arctic Methane and Permafrost Challenge) von ESA und NASA, dessen Ziel es ist, abgestimmt und koordiniert die Analyse der arktischen Klimagasemissionen zu dokumentieren. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit absolvierte HALO bereits im August Forschungsflüge gemeinsam mit den Forschungsflugzeugen der NASA, einer B200 und einer G III. Die kanadische Raumfahrtagentur CSA lässt Höhenforschungsballone für zahlreiche Vergleichsmessungen aufsteigen. Im Mackenzie River Delta finden zeitgleich Aktivitäten des Geological Survey of Canada mit Boden-, Hubschrauber- und Schiffsmessungen statt. Kleinflugzeuge im Auftrag des Environmental Defense Fund untersuchen Methanquellen wie Kohleminen, Mülldeponien und Erdölförderanlagen. Auch hier finden gemeinsame Messflüge von HALO mit den Partnern statt.

Insgesamt wird HALO im Rahmen der Mission CoMet 2.0 Arctic, die von DLR, MPI Jena und DFG finanziert ist, rund 140 Flugstunden im Einsatz sein. Für den verbleibenden Teil der Mission im September hoffen die Forschenden gespannt auf geeignetes Flugwetter über den Hudson Bay Lowlands. Hier liegen nach Sibirien mit einer Fläche größer als Deutschland die zweitgrößten Feuchtgebiete der Nordhalbkugel deren genauere Methanemissionen eine der großen Unbekannten im Ringen um präzisere Klimaprognosen sind. Die große Reichweite von HALO ist für deren Befliegung eine entscheidende Voraussetzung. Bereits 2018 erfolgte die Vorgängermission CoMet , die quer über Europa Treibhausgasquellen zwischen Finnland und Nordafrika analysierte. Hierbei konnten beispielsweise erstmals Methanemission einer ganzen Region, dem Oberschlesischen Kohlerevier, mit Hilfe von Flugzeugmessungen quantifiziert werden.

Über HALO

Das Forschungsflugzeug HALO (High Altitude and Long Range) ist eine Gemeinschaftsinitiative deutscher Umwelt- und Klimaforschungseinrichtungen. Gefördert wird HALO durch Zuwendungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Helmholtz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Leibniz-Gemeinschaft, des Freistaates Bayern, des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), des Forschungszentrums Jülich und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

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