IAC: Raum­fahrt-Com­mu­ni­ty trifft sich erst­mals vir­tu­ell

Ci­mon-2 bei Tests im EAC
Ci­mon-2 bei Tests im EAC (© DLR)
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Aufgrund der besonderen Umstände in diesem Jahr trifft sich die internationale Raumfahrt-Community beim 71. International Astronautical Congress (IAC) vom 12. bis 14. Oktober 2020 erstmals rein virtuell. Unter dem Motto “Connecting @ll Space People” wird die wichtigste Konferenz für den globalen Weltraumsektor in dieser Form – ebenfalls zum ersten Mal – kostenlos und auch für die allgemeine Öffentlichkeit zugänglich sein. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) präsentiert in neuen “Cyberspace”-Formaten aktuelle sowie zukünftige Projekte und Ziele der deutschen Raumfahrt.

Begleitet wird der dreitägige Kongress von einer rund um die Uhr “geöffneten” virtuellen Ausstellung, auf der das DLR mit einem virtuellen Messestand vertreten sein wird. Eine Online-Expertendiskussion zum Thema “Wissenschaft für die Zukunft – Erdbeobachtungstechnologien im Zeitalter des Klimawandels” findet am 12. Oktober 2020 statt. Auf dem IAC 2020 – The CyberSpace Edition werden insgesamt folgende Themen aus den Bereichen Raumfahrtforschung und -technologie sowie dem Raumfahrtmanagement des DLR präsentiert:

CIMON – Mensch-Maschine-Interaktion im All

CIMON steht für Crew Interactive MObile companioN und ist der weltweit erste, in Schwerelosigkeit fliegende und dank künstlicher Intelligenz autonom agierende Astronauten-Assistent. Er kam bei der Horizons-Mission des deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst im Jahr 2018 an Bord der internationalen Raumstation ISS zum Einsatz. Auch die Weiterentwicklung CIMON-2 stellte seine Funktionalität bereits unter Beweis. Er interagierte im Frühjahr 2020 erfolgreich mit dem italienischen Astronauten Luca Parmitano auf der ISS. CIMON ist ein vom DLR Raumfahrtmanagement in Kooperation mit Airbus und IBM entwickeltes Pionierprojekt für den Einsatz von KI für die astronautische Raumfahrt.

MERLIN – Die deutsch-französische Klimamission

In der Mythologie ist Merlin ein Zauberer der Artus-Sage rund um die Ritter der Tafelrunde und die Suche nach dem Heiligen Gral. Methan ist heute ein wesentliches Treibhausgas, auf dessen Spuren sich ein zeitgenössischer Nachfolger und Namensvetter des Zauberers begeben wird, der deutsch-französische Kleinsatellit MERLIN (Methane Remote Sensing LIDAR Mission). Ab 2024 soll er Methan in der Atmosphäre aus einer Höhe von rund 500 Kilometern aufspüren und überwachen. Ziel der dreijährigen Mission unter Leitung des DLR Raumfahrtmanagements und der französischen Raumfahrtagentur CNES ist unter anderem die Erstellung einer globalen Weltkarte der Methan-Konzentrationen. Außerdem soll durch MERLIN klarer werden, in welchen Regionen der Erde Methan in die Atmosphäre gebracht wird und in welchen Gebieten es ihr wieder entzogen wird.

Einzigartiges Weltraumradar GESTRA ist dem Weltraumschrott auf der Spur

GESTRA (German Experimental Space Surveillance and Tracking Radar) ist eines der modernsten Radarsysteme zur Ortung von Trümmern im Weltraum. Das weltweit einzigartige System kann Weltraumschrott und aktive Raumfahrtsysteme im erdnahen Orbit rund um die Uhr überwachen. GESTRA wurde im Auftrag des DLR Raumfahrtmanagements mit Mitteln des BMWi vom Fraunhofer Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik (FHR) gebaut und startet in Kürze seinen operationellen Betrieb von seinem Standort bei Koblenz aus. GESTRA soll einen signifikanten Beitrag zur Sicherheit im Weltraum auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene liefern.

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Wiederverwendbare Raumtransportsysteme

Die Kosten im Raumtransport zu senken und zugleich die Umweltverträglichkeit der Raumfahrt zu steigern, ist ein entscheidender Faktor, mit dem Europa auf dem Markt dauerhaft konkurrenzfähig sein kann. Erreichbar ist dies jedoch nur durch eine grundlegende Änderung der Trägerarchitektur, bei der die Wiederverwendbarkeit die größte Rolle spielt. Insbesondere die Wiederverwendung der ersten Stufe, die den wesentlichen Anteil an den Kosten ausmacht, verspricht hier ein Einsparpotenzial in Höhe zweistelliger Prozentwerte. Das DLR untersucht und erprobt dazu zwei Konzepte: CALLISTO (Cooperative Action Leading to Launcher Innovation in Stage Toss back Operations) und ReFEx (Reusability Flight Experiment).

CALLISTO ist ein wiederverwendbarer Demonstrator für eine sogenannte “Vertical takeoff, vertical landing”-Raketenstufe, kurz VTVL, also ein System, das senkrecht starten und wieder landen kann. Das Gemeinschaftsprojekt von DLR, der französischen Raumfahrtagentur CNES und der japanischen JAXA zielt darauf ab, die Kenntnis über VTVL-Raketenstufen zu verbessern und entsprechende Technologien zu entwickeln, zu testen und vermarkten zu können. Das CALLISTO-Raumfahrzeug besteht aus einer mit flüssigem Sauerstoff und Wasserstoff betriebenen Raketenstufe. Der Antrieb kann gedrosselt werden, um präzise und weich zu landen.

Gleichzeitig verfolgt das DLR mit dem Projekt ReFEx einen weiteren, etwas anderen Ansatz für wiederverwendbare Trägerraketen und Wiedereintrittstechnologien: Anstelle einer vertikalen Landung wird die horizontale Landung einer Erststufenrakete mit autonomer Navigation und Flugführung in jeder Phase seiner Mission erprobt. Ein Demonstrationsflug ist für 2022 geplant.

Globaler Wandel: Thema Urbanisierung

Seit wenigen Jahren leben global erstmals mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Und der Trend der Urbanisierung setzt sich fort. Innerhalb weniger Jahre wuchsen und wachsen Megastädte heran, es bilden sich über weite Flächen ausdehnende Städtelandschaften und ganze Landstriche werden “zersiedelt”. Wie können aber auch Chancen der Urbanisierung aussehen? Wie lassen sich diese sinnvoll nutzen, wie die negativen Begleiterscheinungen des schnellen Wachstums mildern oder sogar vermeiden?

Das ist eine der großen gesellschaftlichen Aufgaben der kommenden Jahrzehnte. Das DLR liefert mit Hilfe der Erdbeobachtung Daten für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung: Siedlungsflächen werden detailliert aus dem All erfasst und über die Zeit. So hat zum Beispiel das Projekt “Global Urban Footprint” (GUF) zum Ziel, weltweit besiedelte Flächen in einer bislang einzigartigen räumlichen Auflösung von 0,4 Bogensekunden – etwa zwölf Metern – zu kartieren.

Rover-Technologien für Mond und Mars

Das DLR setzt bei der Entwicklung von Rover-Technologien auf autonome, geländegängige Rover. In Zukunft sollen sie selbständig möglichst lange Strecken zurücklegen können. Ein Beispiel ist der deutsch-französische Rover auf der Mission Martian Moons eXploration (MMX) der japanischen Raumfahrtagentur JAXA, die 2024 starten soll. Die Landung des MMX-Rovers auf dem Marsmond Phobos ist als Teil der Mission für Ende 2026 oder Anfang 2027 geplant. Der mobile Landeroboter wird unter der gemeinsamen Leitung des DLR und der CNES entworfen und gebaut und soll die Oberfläche von Phobos für rund 100 Tage erkunden. Mit der Mission MMX setzen JAXA, CNES und DLR ihre bereits langjährige und erfolgreiche Kooperation fort.

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