Gründe der Vereinigung Cockpit für Klage gegen Gesetz zur Tarifeinheit

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Die Vereinigung Cockpit hat im Rahmen einer schriftlichen Verbändeanhörung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Stellung zu dem geplanten Gesetz zur Tarifeinheit Stellung genommen. Ein solches Gesetz ist verfassungswidrig, daher bereitet sich die VC jetzt schon darauf vor, notfalls auch Klage beim Verfassungsgericht einzureichen. Zur Begründung führt die Vereinigung Cockpit 12 Punkte auf, derentwegen sie Klage einreichen möchte.

Die Vereinigung Cockpit e.V. lehnt den Referentenentwurf eines Tarifeinheitsgesetzes aus diesen Gründen ab:

1. Das vorgesehene Tarifeinheitsgesetz greift verfassungswidrig in die Tarifautonomie ein, indem es das Recht zum Abschluss von Tarifverträgen und damit auch das Streikrecht von Minderheitsgewerkschaften im Betrieb beschränkt. Ein Arbeitskampf wäre nach dem Gesetz unzulässig, wenn er auf den Tarifabschluss einer Minderheitsgewerkschaft gerichtet ist. Dies verletzt die Tarifautonomie.

2. In der arbeitsrechtlichen Praxis müsste ein Arbeitsgericht einen Arbeitskampf für unzulässig erklären, wenn der angestrebte Tarifvertrag letztlich verdrängt würde. Hierfür müsste das Arbeitsgericht aber eine Prognose darüber aufstellen, welche Mehrheitsverhältnisse in welchem Betrieb des bestreikten Unternehmens zum Zeitpunkt eines möglichen Tarifvertragsabschlusses herrschen werden. Dies würde die Arbeitsgerichte vor unlösbare Aufgaben stellen, zumal zahlreiche Fragen zur Abgrenzung eines Betriebs sowie zur Feststellung der Betriebszugehörigkeit im jeweiligen Einzelfall geklärt werden müssten.

3. Der stärkste Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie besteht darin, dass wegen einer ggf. knappen Mehrheitsentscheidung ein ausgehandelter und erkämpfter Tarifvertrag in einzelnen Betrieben im Nachhinein für nicht anwendbar erklärt wird. Der Minderheitstarifvertrag wird nicht nur im persönlichen Überschneidungsbereich, sondern komplett im Betrieb verdrängt.

4. Für die Rechtfertigung des Eingriffs in die Tarifautonomie wären gewichtige Gemeinwohlbelange erforderlich. Rein theoretische Funktionsstörungen durch die Tarifpluralität auf Betriebsebene, welche in der Begründung des Gesetzentwurfs allein aufgeführt werden, sind aber nicht solche gewichtigen Gemeinwohlbelange.

5. Der Gesetzentwurf ist auch ungeeignet, um die in seiner Begründung angeführten Ziele zu erreichen. lm Falle einer gewillkürten Tarifpluralität wird keines der in der Gesetzesbegründung angeführten Ziele im Rahmen der „Auflösung von Tarifkollisionen“ erreicht. Auch diese Ungeeignetheit führt zur Verfassungswidrigkeit des Eingriffs in die Tarifautonomie.

6. Das Mehrheitsprinzip soll an den Betrieb anknüpfen, wobei die Gesetzesbegründung eine tarifrechtliche Bestimmung des Betriebsbegriffs vornehmen will, die bislang nicht existiert. Aber auch bei einer Übertragung des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs entsteht für Unternehmen, die über eine Vielzahl von Betrieben verfügen, eine extreme Rechtsunsicherheit, wenn es für jeden seiner Betriebe die Mehrheitsverhältnisse der Gewerkschaftsmitglieder feststellen muss und dies ggf. jeweils im gerichtlichen Beschlussverfahren geklärt wird. Außerdem müssen bei jeder Betriebsänderung nach § 4a Abs. 1 S. 4 TVG-E die Mehrheitsverhältnisse neu beurteilt werden, was zu einem häufigen Wechsel des (allein) anwendbaren Tarifvertrags im Betrieb führen kann.

7. Das Anhörungsrecht der Minderheitsgewerkschaft nach § 4a Abs. 4 TVG-E soll keine formale Wirksamkeitsvoraussetzung für das Streikrecht und den Tarifvertragsabschluss der Mehrheitsgewerkschaft sein und entfaltet somit keinerlei praktische Wirkung.

8. Die in § 4a Abs. 3 vorgesehene Nachzeichnungsmöglichkeit würde selbst in der Theorie nur einem Tarifdiktat der Mehrheitsgewerkschaft gleichkommen. ln der Praxis wird durch die Regelung aber ein Verbot der Minderheitsgewerkschaft erzeugt: Nach der Begründung der Bundesregierung soll das Nachzeichnungsrecht nur für Gewerkschaften bestehen, die bereits einen kollidierenden Tarifvertrag abgeschlossen haben (S. 12 f.). Eine an sich im Betrieb zuständige Minderheitsgewerkschaft, der die Arbeitgeberseite von vornherein einen Tarifabschluss verweigert, wird daher sogar vom Nachzeichnungsrecht ausgeschlossen und darf aufgrund der Tarifeinheit keinerlei Arbeitskampfmaßnahmen durchführen.

9. Die angeführte Notwendigkeit der Regelung der Tarifeinheit ist unzutreffend. Es entspricht bestimmten Schlüsselpositionen, dass deren Arbeitsleistung einen Wert hat, der von der Leistung anderer Arbeitnehmer abweicht. Daher besteht in Bezug auf die Herstellung von „Lohngerechtigkeit” kein Gegensatz zwischen der Leistung von Arbeitnehmern und ihrer Schlüsselposition.

10. Auch die Behauptung, dass der Betriebsfrieden durch die Konkurrenz von Gewerkschaften gefährdet werde, ist unzutreffend. Dass anders- und nichtorganisierte Arbeitnehmer nicht an erfolgreichen Tarifverhandlungen der tarifschließenden Gewerkschaft partizipieren, liegt im Wesen der Tarifautonomie. Verantwortungsvolle Tarifabschlüsse können hingegen für mehr Verteilungsgerechtigkeit sorgen. Die Befriedungsfunktion der Tarifautonomie wird im Übrigen noch viel mehr gestört, wenn eine Berufsgewerkschaft infolge der Tarifeinheit für ihre Mitglieder gar keinen gültigen Tarifvertrag abschließen könnte.

11. Mit der Geltung des Tarifeinheitsgesetzes reduziert sich der Kostenaufwand für die Arbeitgeber nicht. Sie müssten zunächst prüfen, ob überhaupt eine Tarifkollision vorliegt und sodann ggf. im Wege einer gerichtlichen Feststellung den anwendbaren Tarifvertrag identifizieren.

12. Durch die vorgesehene Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes wird auch auf die Arbeitsgerichte ein erheblicher Mehraufwand zukommen.

Aufgrund der aufgezeigten Konflikte des geplanten Gesetzes mit unserem Grundgesetz wird die Vereinigung Cockpit zum frühestmöglichen Zeitpunkt Verfassungsklage einreichen, sollte ein solches Gesetz beschlossen werden. Das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung zur Verabschiedung eines Tarifeinheitsgesetzes sollte daher vollständig aufgegeben werden.

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