Cessna 510 Mustang: Absturz wegen Vereisung in EDNY

Übersicht zur Hindernisberührung und Unfallstelle
Übersicht zur Hindernisberührung und Unfallstelle
Geschätzte Lesezeit: 46 Minuten

Beim Einkurven auf den Endanflug des Instrumentenanfluges ILS RWY 24 für eine Landung bei Nacht auf dem Verkehrsflughafen verlor ein kleiner Privatjet vom Typ Cessna C510 Mustang bei Schneefall und Vereisungsbedingungen plötzlich an Flughöhe, kollidierte mit Bäumen und prallte in einem Waldgebiet auf.

Am Unfalltag flogen morgens zwei Piloten eines österreichischen Luftfahrtunternehmens mit dem betroffenen Flugzeug C510 Mustang vom Verkehrsflughafen Friedrichshafen zum Verkehrslandeplatz Egelsbach.

Identifikation

  • Art des Ereignisses: Unfall
  • Datum: 14. Dezember 2017
  • Ort: nahe Waldburg
  • Luftfahrzeug: Flugzeug
  • Hersteller / Muster: Cessna Aircraft Company / C510 Mustang
  • Personenschaden: drei Personen tödlich verletzt
  • Sachschaden: Luftfahrzeug zerstört
  • Drittschaden: Forstschaden

Ereignisse und Flugverlauf

Die Startzeit war um 08:51 Uhr. An Bord befand sich auch ein Passagier. Um 17:43 Uhr startete die Besatzung mit demselben Passagier zu dem Rückflug nach Instrumentenflugregeln (IFR) nach Friedrichshafen. Die Flugroute in Richtung Süden führte an Mannheim, Stuttgart und Mengen-Hohentengen vorbei. Die maximal erreichte Flughöhe betrug Flugfläche (FL) 210.

Um 17:59 Uhr, nordwestlich von Stuttgart, wurde die Besatzung von Center Langen angewiesen auf FL 170 zu sinken. Um 18:01 Uhr, direkt westlich von Stuttgart in Richtung des Wegpunktes HEUSE, wurde von Center Langen ein weiterer Sinkflug auf FL 150 angewiesen. Um 18:03 Uhr wurde die Besatzung angewiesen die Frequenz auf Swiss Radar zu wechseln. Swiss Radar wies die Besatzung an, weiter auf FL 110 zu sinken. Um 18:05 Uhr nahm die Besatzung Kontakt mit Arrival auf.

Von Zürich Arrival wurde das ILS Rwy 24 in Friedrichshafen angekündigt und das Flugzeug mit Vektoren zum Anflug geführt. Um ca. 18:06 Uhr wurden ein Kurs von 140 Grad und ein weiterer Sinkflug auf FL 90 angewiesen. Um ca. 18:10 Uhr wies Zürich Arrival einen weiteren Sinkflug auf 6.000 ft AMSL an. Um ca. 18:11 Uhr wurden 5.000 ft AMSL und um 18:12 Uhr eine Rechtskurve auf 150 Grad und weiteres Sinken auf 4.000 ft AMSL angewiesen. Um 18:13:28 Uhr wies Zürich Arrival an: […] right heading two one five, cleared for the ILS approach two four, report established. Dies wurde von der Besatzung bestätigt bzw. korrekt zurückgelesen.

Im Anschluss beobachtete der Radarlotse, dass das Flugzeug in 4.000 ft AMSL, beim Einkurven mit ca. 240 KIAS, die Anflug-Grundlinie (Localizer) leicht überflog und stark zu sinken begann. Auf sein wiederholtes Anrufen reagierte die Besatzung nicht mehr. Zeugen nahe Waldburg sahen und hörten ein Flugzeug im Tiefflug. Ein Zeuge hörte den Unfall und sah eine kurzeitige heftige Feuerentwicklung in einem Waldgebiet ca. 1,5 km westlich von Waldburg. Er alarmierte die Rettungskräfte. Um ca. 18:14 Uhr hatte das Flugzeug in einem Waldgebiet direkt westlich von Waldburg Hindernisberührungen. Anschließend flog es mit hoher Geschwindigkeit, in einem flachen Winkel, in ein anderes, ca. 1.000 Meter entferntes, Waldstück ein. Dabei wurden die drei Insassen tödlich verletzt und das Flugzeug zerstört.

Verantwortlicher Pilot

Der 45-jährige verantwortliche Pilot war im Besitz einer österreichischen Lizenz für Berufspiloten (CPL (A)) gemäß Teil-FCL, inklusive Airline Transport Pilot Licence (Aircraft) / Lizenz für Verkehrspiloten (Flugzeug) (ATPL(A)) Theorie und Multi Crew Cooperation (MCC), erstmalig ausgestellt im Jahr 2009. In die Lizenz waren die Musterberechtigungen als verantwortlicher Pilot auf C510, EMB 500/505 Multi-Pilot-Operation (MPO), Single-Engine-Piston (SEP) (Land), Touring-Motor-Glider (TMG) und Night (A) sowie die Instrumentenflug- (IR) und Fluglehrerberechtigung (FI) eingetragen. Alle Berechtigungen waren zeitlich gültig. Sein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 1, ohne Auflagen, war zuletzt am 12.10.2017 ausgestellt worden und bis zum 18.10.2018 gültig.

Laut seinem Flugbuch hatte er eine Gesamtflugerfahrung von ca. 2.816 Stunden, davon waren ca. 1.953 Stunden nach Instrumentenflugregeln und ca. 246 Stunden im Nachtflug durchgeführt worden. Nach Angaben des Halters habe der Pilot eine Flugerfahrung von ca. 2.000 Stunden auf dem Muster C510 gehabt. Der letztmalige Operator Proficiency Check (OPC) wurde am 04.10.2017 in einem Flugsimulator dokumentiert, der letztmalige Line Check (LPC) am 30.03.2017. Ein eCourse basiertes Upset Prevention and Recovery Training (UPRT) hatte der Pilot am 23.03.2017 abgeschlossen.

Laut dem Flugdienst- und Ruhezeiten-Nachweis hatte er Friedrichshafen im Jahr 2017 insgesamt 58 Mal angeflogen. Der Unfalltag war der vierte Flugdiensttag nach einer elftägigen Unterbrechung. Am Abend des 13.12.2017 war er um 21:48 Uhr mit dem betroffenen Flugzeug nach einem verlängerten Flugdienst in Friedrichshafen gelandet. Laut vorgefundenem Bordbucheintrag war er Pilot Flying während des Unfallflugs. Gegenüber der BFU wurden die fliegerischen Fähigkeiten und die Umsichtigkeit des Piloten von Vertretern des Halters und von Pilotenkollegen gelobt.

Copilot

Der 49-jährige Copilot war im Besitz einer österreichischen Lizenz für Berufspiloten (CPL(A)) gemäß Teil-FCL, inklusive ATPL(A) Theorie und MCC, erstmalig ausgestellt im Jahr 2008. In die Lizenz war die Musterberechtigung C510 in Verwendung als Copilot, gültig bis zum 31.07.2018 eingetragen. Sein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 1, mit der Auflage VDL (Brille/Kontaktlinsen für Kurzsichtige), war zuletzt am 24.08.2017 ausgestellt worden und bis zum 23.09.2018 gültig.

Nach Angaben des Halters habe der Copilot eine Gesamtflugerfahrung von ca. 800 Stunden gehabt. Am 24.07.2017 hatte er einen 14-tägigen EASA Initial Pilot Course C510 incl. 20 Stunden Simulator-Flugtraining abgeschlossen. Nach den Angaben in seinem C510-Mustererwerb-Checkflugprotokoll hatte er am 24.07.2017 eine Gesamtflugerfahrung als verantwortlicher Pilot von 371 Stunden. Laut dem Flugdienst- und Ruhezeiten-Nachweis des Piloten hatte er nach Mustererwerb eine C510-Mustererfahrung von ca. 140 Stunden.

Der Copilot befand sich nach Angaben des Halters noch in der Supervisions-Phase nach Mustererwerb. Die entsprechenden Supervisionsaufzeichnungen sollen sich an Bord des verunfallten Luftfahrzeugs befunden haben. Ein e-Course basiertes Upset Prevention and Recovery Training hatte der Pilot am 29.07.2017 abgeschlossen. Laut dem Flugdienst- und Ruhezeiten-Nachweis hatte er Friedrichshafen seit Beginn seiner Tätigkeit im Luftfahrtunternehmen im Juli 2017 insgesamt 15 Mal angeflogen. Der Unfalltag war der erste Flugdiensttag nach einer achttägigen Unterbrechung. Gegenüber der BFU konnten weder Vertreter des Halters noch Pilotenkollegen Auskünfte über die fliegerischen Fähigkeiten oder das Verhalten des Copiloten geben.

Angaben zum Luftfahrzeug C510 Mustang

Das Muster C510 Mustang, ein kleiner Privatjet des Herstellers Cessna Aircraft Company ist ein sogenannter Very Light Jet für maximal sechs Personen in Metallbauweise, der 2006 nach den Bauvorschriften CS 23 / FAR 23 musterzugelassen wurde. Bis zur Beendigung der Produktion im Jahr 2017 wurden 471 Stück hergestellt. Das Flugzeug ist als Tiefdecker ausgelegt, hat ein T-Leitwerk und verfügt über zwei PW 615F-A Triebwerke des Herstellers Pratt & Whitney Canada Inc.

Das ist mit einem Doppelsteuer ausgestattet. Die Flugsteuerung erfolgt konventionell mittels Drahtseilen zu den Ruderflächen. Ein Hydrauliksystem wird für die Betätigung des Fahrwerkes sowie der Bremsen genutzt. Die höchstzulässige Abflugmasse beträgt 3.921 kg. Das Flugzeug ist für den Ein-Piloten Betrieb und für in Vereisungsbedingungen zugelassen.

Avionik

Das Flugzeug ist mit einem integrierten Garmin G-1000 Avionik System ausgerüstet. Das mit drei Bildschirmen ausgestattete System stellt die Fluginstrumente, die Triebwerks- und Systemüberwachung dar und beinhaltet die Flugreglungs-, Navigations- sowie Kommunikationsanlagen. Außerdem beinhaltet das G-1000 das Warn- und Caution-System an Bord inklusive Engine Indication and Crew Alerting System (EICAS).

Das Garmin G-1000 umfasst ein Automatic Flight Control System (AFCS), das eine Flugweg- und automatische Fluglagenkontrolle gewährleistet. Das AFCS beinhaltet die folgenden Grundfunktionen: Flight Director, Autopilot, Yaw Damper, Manual Electric Pitch Trim. Hierzu werden insgesamt vier Servos angesteuert.

Die wesentlichen Funktionen sind redundant ausgelegt. Die Flight Director (FD) Steuerung ist limitiert auf: Pitch ±20°, Vertical Acceleration 0,1g, Bank Angle 30°, Bank Rate 5°/second. Die maximal vom FD eingesteuerte Querneigung beim Einkurven auf die Anflug-Grundlinie im APR-(LOC)-Mode beträgt 25°. Bei eingeschaltetem FD ist der Roll-Hold-Mode (ROL) immer aktiviert. Dieser reduziert u.a. Querneigungen über 30° automatisch zurück auf 30°. Neben der Garmin G-1000 Avionik verfügt das Flugzeug über eine Notinstrumentierung mit künstlichem Horizont, Geschwindigkeitsanzeige und Höhenmesser.

Vereisungsschutz

Im Rahmen der Erprobung und Zulassung des Musters C510 wurden Flüge in Vereisungsbedingungen durchgeführt oder simuliert. Laut den Nachweisen des Herstellers bezüglich Natrual Icing sowie Ice Contaminated Tailplane Stalls (ICTS) ergaben sich keine Einschränkungen oder Abweichungen zu den Zulassungsanforderungen (Cessna Aircraft Company, FT510-9 Test Results Natural Icing / Ice Contaminated Tailplane Stalls (ICTS)).

Vereisungsschutz sind bei der Cessna C510 die üblichen Anti-Ice und De-Ice Systeme. Die Triebwerkseinlässe werden mit Zapfluft (Bleed Air) beheizt. Die Tragflächen und die Leitwerke sind mit pneumatischen De-Ice Boots versehen. Die Cockpitscheiben, die Abnahmen für den dynamischen und statischen Druck, der Strömungsabrisswarner, der Anstellwinkelsensor sowie die T2 Triebwerkssensoren werden elektrisch beheizt.

Der Hersteller empfiehlt im Operation Manual Chapter 10 Ice and Rain Protection folgende Verfahren: Engine anti-ice should be selected ON anytime the indicated ram air temperature RAT is +10°C or below, and visible moisture in any form is present. WING/STAB DEICE should be selected as soon as ice is observed to accrue anywhere on the airplane.

Der Schalter für die Tragflächen- und Leitwerksenteisung im Cockpit hat drei Stellungen: OFF, AUTO und MANUAL. Die De-Ice Boots an den Tragflächen und am Leitwerk werden elektronisch gesteuert mit Druckluft versehen, wenn der Schalter sich in MANUAL oder AUTO befindet. Wenn der Pilot den Schalter auf MANUAL drückt, werden alle DE-ICE Boots gleichzeitig befüllt, solange bis der federbelastete Schalter wieder losgelassen wird. Nach Loslassen des Schalters springt er in die Position AUTO.

Der automatische DE-ICE Zyklus startet dann mit einer zweiminütigen Verzögerung. Der automatische De-Ice Zyklus wird immer aktiviert, wenn der Schalter auf AUTO steht. Hierbei regelt ein Timer alle zwei Minuten einen De-Ice Zyklus, solange bis der Schalter auf OFF oder MANUAL gestellt wird.

Bei Vereisungsbedingungen wird, außer bei Start, Anflug und Landung, eine Mindestfluggeschwindigkeit von 160 KIAS empfohlen, um Eisansatz hinter den De-Ice Boots, auf der Unterseite der Tragfläche und des Höhenleitwerks, zu vermeiden. Beim Aktivieren der De-Ice Boots wird automatisch die Strömungsabriss-Warnung (Stall Warning) auf High geschaltet.

Daten des betroffenen Flugzeugs

Der BFU lagen die technischen Unterlagen (CESCOM 10 – Aircraft Status Report, CESCOM 20 – Projected Maintenance Due, CESCOM 100 – Long Range Projected Maintenance, Master AD/SI Report, Aircraft Maintenance Program C510 des Halters) des betroffenen Flugzeugs zur Auswertung vor. Das Flugzeug hatte die Werknummer 510-0049, war Baujahr 2007 und in Österreich zum Verkehr zugelassen. Die Bescheinigung über die Prüfung der Lufttüchtigkeit (ARC) wurde zuletzt am 08.05.2017 ausgestellt und war bis zum 08.05.2018 gültig. Das letzte Release to Service wurde am 05.12.2017 bei einer Betriebszeit von 3.606:43 Stunden, nach einer Aircondition-Instandhaltung, ausgestellt. Seitdem wurden im Bordbuch keine Störungen vermerkt.

Die Piloten, die das Flugzeug seitdem geflogen haben, gaben gegenüber der BFU an, dass keine Probleme oder Systemausfälle vorgelegen hätten. Zum Unfallzeitpunkt betrug die Gesamtbetriebszeit ca. 3.633 Stunden. Das Flugzeug wurde in einem Instandhaltungsbetrieb, zertifiziert gemäß EASA Part 145, am Flughafen Linz technisch betreut.

Das Leergewicht (Basic Empty Weight) betrug laut Wägebericht vom 28.04.2016 ca. 2.442 kg / 5.385 lbs. Am Morgen des Unfalltages wurde das Flugzeug am Verkehrsflughafen Friedrichshafen mit 800 Liter Jet A1 betankt. Laut Bordbucheintrag befanden sich beim Start in Friedrichshafen 2.100 lbs Kraftstoff an Bord und beim Start in Egelsbach noch 1.500 lbs. Mit drei Personen an Bord (Standardgewicht gem. Operation Manual Part A, Kapitel 8 des Halters: Flugbesatzung 85 kg und Passagier 104 kg) und unter Berücksichtigung des Kraftstoffverbrauchs für ca. 30 Minuten Flugzeit betrug das Fluggewicht zum Unfallzeitpunkt ca. 3.195 kg / 7.043 lbs.

Der Schwerpunkt lag, laut den Berechnungen des Herstellers, beim Start in Egelsbach und während des gesamten Fluges im zulässigen Bereich. Die Vref (minimum final approach speed) mit Anti Ice ON und Landeklappen 15° beträgt für eine Flugmasse von 7.000 lbs 105 KIAS bzw. 115 KIAS bei “Landing with ice on wing leading edge”. Für eine Flugmasse von 7.500 lbs beträgt die Vref109 KIAS bzw. 119 KIAS.

Meteorologische Informationen

Für die Flugunfalluntersuchung wurde der Deutsche Wetterdienst (DWD) mit der Erstellung eines amtlichen Wettergutachtens beauftragt. Im Fazit kam das Gutachten zu folgenden Schlüssen:

Die für die Flugvorbereitung zur Verfügung stehenden Informationen für den 14.12.2017 um 15 und 18 UTC zeigen, dass auf der Flugstrecke Egelsbach (EDFE) – Friedrichshafen (EDNY) signifikante Wettererscheinungen hauptsächlich in Form von Schauern mit Regen und Schnee sowie einzelne Gewitter zu erwarten waren. Zusätzlich prognostizierte die Significant Weather Chart (SWC-Karte) für 15 UTC südlich der ein großes Niederschlagsgebiet mit Regen und/oder Schnee.

Für die gesamte Flugstrecke wurden in der Advanced Diagnosis and Warning system for aircraft Icing Environments (ADWICE-Vorhersage) Vereisungsbedingungen erwartet, die insbesondere auf dem ersten Teil der Strecke bis etwa zum Neckar und im Zielgebiet gebietsweise mit mäßiger und starker Intensität prognostiziert wurden. Die Höhenwindvorhersagen ließen einen mäßig starken Wind aus westlichen Richtungen erwarten. Für den geplanten Landezeitpunkt musste gemäß der TAF-Vorhersage von EDNY von keinen größeren Einschränkungen während der Instrumentenlandung ausgegangen werden. Außerdem gab es im Vorfeld keine Warnungen des Flugwetterdienstes des DWD, die auf größere Beeinträchtigungen des Fluges hätten schließen lassen.

Die tatsächlich eingetroffenen Flugwetterbedingungen auf der Flugstrecke EDFE – EDNY lagen für die erste Streckenhälfte sehr nahe an den geschilderten Vorhersagen. Das beobachtete Wettergeschehen auf der zweiten Hälfte der Flugstrecke unterschied sich allerdings dahingehend deutlich von der Vorhersage, dass sich die frontalen Wetterbedingungen weiter nach Norden ausweiteten […]

Zusammenfassend wurden am 14.12.2017 gegen 17.15 UTC am Ort des Flugunfalls nahe Ravensburg die folgenden Flugwetterbedingungen angetroffen. Die meteorologische Sicht betrug etwa neun Kilometer und es trat laut den Niederschlagsradarmessungen mäßiger Regen auf. Die Hauptwolkenuntergrenze befand sich etwa in 3.100 FT AMSL. Die Nullgradgrenze lag zwischen 3.500 und 4.000 FT AMSL. Der Bodenwind kam aus Südwest mit zehn bis 15 Knoten. Am Ort des Flugunfalls gab es wahrscheinlich leichte Turbulenz, zeitweise mit mäßiger Intensität. Die Lufttemperatur betrug am Boden etwa vier °C. Es war eine Flugplatzwarnung für EDNY veröffentlicht, die vor böigem Südwestwind warnte.

Das Luftfahrzeug […] erreichte gegen 16:49 UTC während des Steigfluges in einer Höhe von etwa FL140 das Niederschlagsgebiet über dem südlichen Odenwald. Der Niederschlag zog dabei von Südwest nach Nordost, d.h. dem Flugzeug hauptsächlich entgegen. Das Niederschlagsgebiet wurde etwa vier Minuten später gegen 16:53 UTC auf einer Flughöhe von FL210 wieder verlassen. Der genannte Höhenbereich entsprach […] einer Temperaturspanne von -23 bis -40 °C. Die Niederschlagsintensität entlang des Flugweges war leicht. […] Bei leichter Niederschlagsintensität trat im genannten Temperaturbereich bei schwacher Konvektion sehr wahrscheinlich maximal leichte auf.

Auf dem folgenden Streckenabschnitt war ohne Niederschlagstätigkeit […] Vereisung in Reiseflughöhe (FL210) äußerst unwahrscheinlich, da die Temperatur von -20 °C deutlich unterschritten wurde.

Gegen 17:05 UTC flog die Maschine […] in das Niederschlagsgebiet über dem Südwesten Deutschlands ein. Sie befand sich zu diesem Zeitpunkt im leichten Sinkflug in etwa FL150. In dieser Höhe wurde in der für dieses Gebiet repräsentativen Radiosondenmessung von Payerne eine Temperatur von etwa -20 °C ermittelt. […] in Schichtwolken mit Niederschlag am Boden musste in einem Temperaturbereich zwischen 0 und -40 °C äußerst wahrscheinlich mit leichter bis mäßiger Vereisung gerechnet werden. Generell erhöht die Niederschlagstätigkeit die Wahrscheinlichkeit und die Intensität der Vereisung. Die Niederschlagsintensität war anfangs leicht.

Im weiteren Verlauf des Sinkfluges überflog das Unfallflugzeug in einer Höhe von FL100 die Donau um etwa 17:09 UTC. Die Lufttemperatur betrug in dieser Höhe ca. -10 °C. […] es schwächte sich der Niederschlag auf dem folgenden Streckenabschnitt vorübergehend ab.

Schließlich erreichte die Maschine […] gegen 17.12 UTC in einer Flughöhe von etwa FL070 den Bereich, in dem die Niederschlagsmessung von leichter zu mäßiger Intensität überging. Die Lufttemperatur war in dieser Höhe bis auf etwa -5 °C angestiegen. Ab dem Einflug in den Wolkenbereich […] musste mit dem Auftreten von starker Vereisung gerechnet werden.

Die Ceiling um 17:20 UTC ist die niedrigste während des betrachteten Zeitraumes zwischen 16 und 18 UTC. Die sehr feuchte Luftschicht reichte im Raum Friedrichshafen damit von FL100 bis etwa 3500. FT AMSL hinab und erreichte somit eine Mächtigkeit von ca. 6.500 Fuß. […]

Diese beiden Tatsachen – die mächtige sehr feuchte Luftschicht und die feuchtlabile Luftschicht – sowie der Temperaturbereich von 0 bis -10 °C in diesem Höhenbereich erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass es hier zu starker Vereisung gekommen ist. […]

Nach Bewertung all dieser für den letzten Streckenabschnitt zusammengetragenen Erkenntnisse, der aus meteorologischer Sicht gegen 17:12 UTC mit dem Einflug in den Bereich mit mäßiger Niederschlagsintensität begann, ist es sehr wahrscheinlich, dass am 14.12.2017 im fraglichen Zeitraum im Höhenbereich zwischen FL050 und FL090 mäßig bis starke und/oder starke Vereisung aufgetreten ist.

Laut der zum Zeitpunkt des Anflugs gültigen Routinewettermeldung (METAR) von 17:50 Uhr des Flughafens Friedrichshafen (ATIS Yankee) herrschten dort folgende Wetterbedingungen: Sichtweiten von mehr als 9.999 Meter, leichter Regen, Wind aus 200° mit 8 kt, leicht bewölkt (SCT) in 1.700 ft, bedeckt (OVC) in 2.500 ft, die Temperatur betrug 5 °C und der Taupunkt 1 °C, der Luftdruck (QNH) lag bei 1.001 hPa. Sonnenuntergang war im Bereich Friedrichshafen um 16:29 Uhr. Der Kapitän eines Verkehrsflugzeuges berichtete der BFU, dass er um ca. 18:00 Uhr im Anflug auf Stuttgart, zwischen FL 150 und FL 70, starke Vereisung an seinem Flugzeug beobachtet hatte. In kurzer Zeit habe sich zwei bis drei cm Eis am Ice Indicator der Windschutzscheibe angesetzt.

Im Zeitraum von 17:57 Uhr bis 18:04 Uhr passierte das verunfallte Flugzeug den Luftraum Stuttgart im Sinkflug von FL 210 auf FL 170. Zirka zehn Minuten vor dem Unfall landete ein weiteres Flugzeug, ebenfalls eine C510, des betroffenen Unternehmens in Friedrichshafen. Der verantwortliche Pilot gab gegenüber der BFU an, dass es zwischen FL 70 und FL 50 recht windig gewesen sei und “auch etwas bockig”. Der Wind habe im Sinkflug auf dem ILS 24 aber merklich abgenommen und es sei fliegerisch gut handzuhaben gewesen. Im Sinkflug aus 7.000 ft AMSL habe eine leichte Vereisung vorgelegen. Es sei lediglich ein dünner Streifen Eis an der Nasenleiste der Tragfläche entstanden. Er habe die De-Ice-Boots nicht benutzt. Im Anflug habe es Schnee bzw. Schneeregen gegeben. Das Flugzeug sei aber bereits ab ca. 3.500 ft AMSL frei von Wolken und die Pistenbefeuerung schon frühzeitig in Sicht gewesen.

Zirka 45 Minuten nach dem Unfall landete in Friedrichshafen ein Beechcraft 1900. Nach Angaben des Enteisungspersonals in Friedrichshafen war dieses Flugzeug an der Bugnase, den Tragflächen und am Leitwerk massiv mit Klareis vereist. Der Pilot beschrieb die Vereisung gegenüber der BFU als moderate. Das Flugzeug musste vor dem Wiederstart ungewöhnlich lange mit ca. 70 Grad heißem Taumittel enteist werden. Dazu wurden 400 Liter, das Vierfache der üblichen Menge, benötigt.

Navigationshilfen

Der Verkehrsflughafen Friedrichshafen verfügt über mehrere Instrumentenanflugverfahren für die Anflugrichtungen 06 und 24. Für das Instrumentenanflugverfahren ILS/LOC 24 ist ein Anflug auf das Final Approach Fix (FAF) ETREM in 4.000 ft AMSL mit einem Kurs von 238° vorgesehen.

Funkverkehr

Der Funkverkehr wurde aufgezeichnet. Die Gespräche mit Center Langen und Swiss Radar standen der BFU als Umschrift zur Auswertung zur Verfügung. Der Funkverkehr mit Zürich Arrival stand zusätzlich als Tonaufzeichnung zur Verfügung. Im gesamten Funkverkehr gab es seitens der Besatzung keine Meldungen über technische Probleme oder flugbetriebliche Einschränkungen. Der Funkverkehr endete um 18:13:41 Uhr. Vertreter des Halters identifizierten anhand der Tonaufzeichnung den Copiloten als funkenden Piloten.

Angaben zum

Der Verkehrsflughafen Friedrichshafen (EDNY) befindet sich am Bodensee, östlich des Stadtzentrums Friedrichshafen. Er liegt auf einer Höhe von 1.368 ft AMSL. Der Flughafen verfügt über eine 2.356 Meter mal 45 Meter Asphaltpiste mit der Ausrichtung 060°/240° (06/24).

Flugdatenaufzeichnung

Das Flugzeug war nicht mit einem Flight Data Recorder oder Cockpit Voice Recorder ausgerüstet. Diese Aufzeichnungsgeräte waren entsprechend den gültigen Luftfahrtvorschriften nicht gefordert. Der Flugweg des Flugzeugs von Egelsbach nach Friedrichshafen wurde vom Radar der Flugverkehrskontrollen aufgezeichnet. Radaraufzeichnungen der deutschen und schweizerischen Flugverkehrskontrollstellen sowie von der Bundeswehr lagen der BFU zur Auswertung vor.

Das Flugzeug sendete über Automatic Dependent Surveillance – Broadcast (ADS-B) Positions- und Flugdaten (u.a. Roll Angle, Ground Speed ,True Airspeed, Indicated Airspeed, Barometric Altitude, Altitude Selected Altitude). Diese Daten wurden in unterschiedlicher Sekundentaktung von der schweizerischen Flugverkehrskontrolle erfasst.

Das Garmin G-1000 kann am Multi-Funktions-Display (MFD, mittlerer Bildschirm im Cockpit) Flugparameter auf einer SD-Speicherkarte speichern. Insgesamt wurden an der Unfallstelle vier SD-Karten aus dem Flugzeug gefunden. Die SD-Karten waren mechanisch beschädigt, zwei vollständig durchgebrochen. Trotz mehrerer Versuche und Kontakt zu anderen Sicherheitsuntersuchungsstellen und spezialisierten Laboren war es der BFU nicht möglich Daten von den Speicherkarten auszulesen.

Die beiden Triebwerke verfügten jeweils über eine Full Authority Digital Electronic Control (FADEC). FADEC speichern bei einem auftretenden Fehler oder einer Grenzwertüberschreitung Triebwerksparameter zu diesem Zeitpunkt (snapshot). Die beiden FADECs wurden zum Triebwerkshersteller nach gesandt und dort unter Aufsicht der Kanadischen Flugunfalluntersuchungsbehörde (Transportation Safety Board of Canada, TSB) ausgelesen. Dabei wurde festgestellt, dass die FADEC des rechten Triebwerks während des Unfalls einen Fehler (Loss of Interpowerplant Communications) aufgezeichnet hat. Zum Zeitpunkt des Fehlers lief das Triebwerk mit 70 Prozent N2 (high idle speed) und Anti Ice war eingeschaltet. Das linke Triebwerk hatte keine Speicherungen in der FADEC ausgelöst.

Nach Angaben des Triebwerksherstellers ergaben sich bei der Auswertung der FADECs keine Hinweise auf eine Fehlfunktion der beiden Triebwerke während des Unfallflugs. Basierend auf den aufgezeichneten Parametern des letzten Power Assurance Tests der Triebwerke vom 18.11.2017, im Vergleich mit den Parametern des Snapshots zum Unfallzeitpunkt, vermutete der Triebwerkhersteller, dass zum Unfallzeitpunkt Bleedair für die De-Ice Boots des Flugzeugs genutzt wurde.

Im Auftrag der BFU überprüfte das zuständige Flugverkehrskontrollunternehmen, ob sich zum Unfallzeitpunkt andere Luftfahrzeuge in der Nähe des betroffenen Flugzeugs befanden. Die Überprüfung ergab, dass sich keine Luftfahrzeuge in der Nähe befanden, die ggf. Wirbelschleppen hätten erzeugen können.

Aufgrund des Unfalls wurden die Radaraufzeichnungen des betroffenen Flugzeugs von den letzten sechs Anflügen auf Friedrichshafen vor dem Unfall nachgefragt. Diese zeigten, dass die Anflüge im Intercept auf den Localizer mit einer Geschwindigkeit von 220 bis 240 kt über Grund geflogen wurden und die Anflug-Grundlinie jedes Mal überschossen wurde.

Unfallstelle und Feststellungen am Flugzeug

Das Flugzeug hatte westlich der Ortschaft Waldburg, in dem Waldstück Frankenberg, in einer Höhe von ca. 2.450 ft AMSL Hindernisberührung. In diesem Waldstück wurden der Randbogen (Wingtip) der linken Tragfläche sowie Teile der Seitenruderflosse gefunden. Die Unfallstelle nahe Sieberatsreute befand sich ca. 1.000 Meter in südwestlicher Richtung von der Stelle der Hindernisberührung. Die Spuren zeigten einen flachen Einflug in das Waldstück. Das Flugzeug erzeugte eine ca. 130 Meter lange Absturzspur mit einer Ausrichtung von ca. 240 °. Entlang dieser Spur wurden mehrere Bäume abgeschlagen und entwurzelt. Das Gelände im Bereich der Unfallstelle hatte eine Höhe von ca. 2.300 ft AMSL. Das Titelbild zeigt die Übersicht zur Hindernisberührung und Unfallstelle.

Das Flugzeug wurde bei dem Einflug in den Wald zerstört. Wrackteile lagen in einem Bereich von ca. 130 mal 50 Metern. Auffällig war, dass viele Wrackteile seitenverkehrt lagen, d.h. z. B. Teile der rechten Flugzeugseite lagen links der Unfallspur und umgekehrt (siehe Anlage: Wrackverteilung). Am Beginn der Einflugschneise waren einzelne Bäume in Brand geraten. Es roch an der gesamten Unfallstelle nach Kraftstoff. Nach der Dokumentation vor Ort wurde das Wrack geborgen und zur weiteren Untersuchung zur BFU nach Braunschweig transportiert.

Das Wrack wurde mit Unterstützung eines Mitarbeiters des Flugzeugherstellers ausgelegt und untersucht. Es konnte festgestellt werden, dass alle Ruderflächen vorhanden und alle Rudergelenke durch Überlastung getrennt worden waren. Alle Steuerverbindungen bzw. Steuerseile von den Steuereinrichtungen im Cockpit zu den Rudern konnten nachvollzogen werden. Es wurde festgestellt, dass das Fahrwerk und die Landeklappen zum Unfallzeitpunkt eingefahren waren. Die Speed-Brakes waren ebenfalls eingefahren. Die Trimmklappen am Querruder und am Seitenruder befanden sich in Neutralstellung. Insgesamt ergaben sich bei der Untersuchung der Wrackteile keine Hinweise, die auf eine technische Beeinträchtigung vor dem Unfall hindeuten würden.

Medizinische und pathologische Angaben

Die beiden Piloten und der Passagier wurden obduziert. Dabei ergaben sich keine Anzeichen einer ursächlichen gesundheitlichen Beeinträchtigung der Piloten. Alle drei Personen verstarben an schwerem Polytrauma. Die toxikologischen Untersuchungen ergaben bei beiden Piloten keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung durch Medikamente, Drogen oder Alkohol.

Brand in der Einflugschneise

An der Unfallstelle, am Beginn der Einflugschneise, zeigten mehrere Bäume Brandspuren. Das zentrale Tragflächenstück, mit einem Teil der rechten Tragfläche und dem eingefahrenen rechten Hauptfahrwerk, war verbrannt. Zeugen des Unfalls sahen ein heftiges Aufflammen im Wald, das nach kurzer Zeit wieder erlosch.

Ãœberlebensaspekte

Aufgrund der Zerstörung der Rumpfstruktur beim Einflug in den Wald war der Unfall nicht überlebbar. Der Notfunksender (ELT) hatte ausgelöst. Die Antenne war jedoch abgerissen und ein ELT-Signal wurde weder bei der Flugsicherung noch über Satellitensignal aufgefasst. Der Unfall wurde von Zeugen beobachtet und ein telefonischer Notruf unmittelbar ausgeführt. Die ersten Rettungskräfte trafen innerhalb weniger Minuten nach der Alarmierung an der Unfallstelle ein.

Organisationen und deren Verfahren

Laut dem Änderungsantrag auf Eintragung vom 16.01.2017 und dem Nachweis der Ãœbertragung der Halterschaft vom 12.01.2017 waren zwei Unternehmen (A und B) Halter des verunfallten Flugzeugs. Die beiden Piloten waren bei dem Unternehmen (A) beschäftigt, unter dessen Namen die Flüge vermarktet und durchgeführt wurden. Sitz des Unternehmens war Bregenz, Österreich. Der Schwerpunkt des Unternehmens lag in der Vermarktung von Flügen mit zwei C510 Flugzeugen vom Standort Friedrichshafen aus. Der betroffene verantwortliche Pilot war Geschäftsführer dieses Unternehmens und wurde als “Chefpilot” bezeichnet.

Ein Luftverkehrsbetreiberzeugnis (Air Operator Certificate (AOC)) hatte dieses Unternehmen seit dem 02.06.2017 nicht mehr. Das zweite Unternehmen (B) mit Sitz in Wien, stellte den luftrechtlichen Rahmen, um gewerbliche Personentransportflüge durchführen zu können. Es war ein genehmigtes Luftfahrtunternehmen und der luftrechtliche Halter des betroffenen Luftfahrzeugs. Dieses Unternehmen führte die Pilotenakten, Flugdienst- und Ruhezeiten-Nachweise und technischen Unterlagen des Luftfahrzeugs. Der verantwortliche Pilot war in der Crew-List des Flugbetriebshandbuchs (Operation Manual (OM)) Stand 19.07.2017 aufgeführt. Er hatte die unternehmensinterne Berechtigung Line-Check-Flüge durchzuführen. Der Copilot war nicht in der Crew-List aufgeführt.

Die Mindestflugbesatzung bestand laut OM Teil A 4.1.4 aus einem nach OM Teil A 5.2.1 qualifizierten Commander / verantwortlichen Piloten sowie einem nach OM Teil A 5.2.3 qualifizierten Copiloten. Die Zusammenarbeit der Besatzung, die Aufgabenbeschreibung in den Rollen Pilot Flying (PF) und Pilot Non-Flying (PNF) sowie die Verwendung von Checklisten waren im OM Teil B 2.1 Normal Procedures and Duties beschrieben.

Im OM Teil A 8.3.11.2 Icing Conditions war in Bezug auf Vereisung folgendes festgelegt:

Inflight

Prior to entering areas with a risk of icing all anti-icing-de-icing equipment shall be switched on.

Known areas of severe icing shall be avoided. When severe icing is nevertheless encountered, every effort shall be made in order to find altitudes or areas with less icing, i.e. keep the rate-of-descent-climb high in order to cut down the time spent in these conditions.

Approach and Landing

When ice has accumulated, stalling speeds are considerably higher than normal and a stall may be entered without warning. Therefore, in such a condition it is recommended to increase the airspeed according to PIC’s discretion, taking into account all relevant factors, in particular the available runway length.

Make wider turn […]

Zusätzliche Informationen

Luftfahrzeugvereisung im Flug

Luftfahrzeugvereisung im Flug ist bei Flügen in Wolken oder Niederschlag bei niedrigen Temperaturen eine eminente Gefahr. Flugunfälle im Zusammenhang mit Vereisung im Flug treten häufig auf. Dies führte in der Vergangenheit zu einer Fülle von Studien und Publikationen zu diesem Thema. Exemplarisch hierzu:

  • Aircraft Icing Handbook, Civil Authority New Zealand
  • Flight in Icing Conditions Summary, French Civil Aviation Authority (Direction générale de l’aviation civile)
  • Aircraft Icing, AOPA Air Safety Foundation
  • Flight in Icing Conditions, Federal Aviation Administration, USA
  • The Adverse Aerodynamic Effects of Inflight Icing on Airplane Operation, TP185 – Aviation Safety Letter, Transport Canada

Vorrausetzung für Vereisung im Flug sind Wassertropfen (unterschiedlichster Größe, von schwebenden Tröpfchen in Wolken bis Niederschlag) und eine niedrige Lufttemperatur. Vereisung kann im Temperaturbereich um 0 °C bis -40 °C auftreten. Generell werden drei Arten von Eisbildung an Luftfahrzeugzellen unterschieden: Klareis (clear ice), Raueis (rime ice) und Mischeis (mixed ice). Die Stärke der Vereisung bzw. die Menge von Eisansatz in Bezug auf eine Zeitspanne wird wie folgt klassifiziert (Auszüge aus Flight in Icing Conditions, Chapter 4. Icing severity index):

  • Trace: Ice becomes perceptible and it can barely be seen. The rate of ice accumulation is slightly greater then the rate of sublimation. Trace ice is not hazardous even without use of deicing/anti-icing equipment, unless the conditions are encountered for an extended period of time (over one hour)
  • Light: The rate of accumulation of light icing may create a problem if flight is prolonged in this environment (over one hour). Occasional use of deicing/antiicing equipment removes or prevents its accumulation
  • Moderate: The rate of accumulation of moderate icing is such that even short encounters become potentially harzadous and the use of deicing/anti-icing equipment or a flight diversion is necessary
  • Severe: The rate of accumulation is such that deicing/anti-icing equipment fails to reduce or control the accumulation. The only thing to do is conduct an immediate flight diversion
  • The rate at which ice builds up depends on the atmospheric conditions, but the shape of the object on which it builds affects both the rate and the severity of the ice buildup. Ice tends to build first on parts of the airframe with a low radius of curvature, so it will for example tend to form on the tailplane before the wing, and small protuberances like a temperature probe or door stop may well see the first indication of icing. In severe icing conditions, the ice accretion can become critical within a few minutes

Luftfahrzeugvereisung kann vielfältige Einschränkungen und Gefahren für die Flugdurchführung verursachen (Auszüge aus Flight in Icing Conditions, Chapter 3. Aerodynamics degradation):

  • Ice causes: a reduction of lift, a reduction of stall angle, an increase in drag, a modification of longitudinal and lateral stability
  • Even a small amount of roughness on airfoil leading edge can deteriorate stall characteristics
  • Flow separation caused by ice can also cause a loss of effectiveness (or a command inversion) of control surfaces (ailerons and elevators)
  • Moderate to severe ice accrual creates entirely new, unpredictable aerodynamic flow over the wings and tail. Airfoil shape, aerodynamic flow, the relationship of forces and design logic are all subject to random changes unique to the specific ice encounter.

Neben der bekanntesten Gefahr eines unerwarteten Strömungsabrisses (Stall) aufgrund zu geringer Fluggeschwindigkeit mit vereister Tragfläche traten bei Flugunfalluntersuchungen in jüngerer Vergangenheit der Strömungsabriss am Leitwerk sowie ein unkommandiertes Rollen um die Längsachse in den Blickpunkt. Diese Gefahren sind kurz zusammengefasst wie folgt beschrieben (Auszüge aus Flight in Icing Conditions, Chapter 7. Aircraft operation: effect of ice on aircraft):

  • Icing Contaminated Tail Stall (ICTS)

[…] If tail-plane is contaminated by icing, the stall characteristics are degraded and this maneuver may increase the tail-plane angle of attack beyond tail-plane ice contaminated stall angle of attack. Once the tail-plane is stalled, the tail-plane downward force is reduced and the aircraft will pitch nose down. Considering that this phenomenon may typically happen during approach, the low altitude could annul the effects of any recovery action.

  • Icing contaminated roll upset

[…] It is a little known and infrequently occurring flight hazard potentially affecting airplanes of all sizes. Roll upset can result from severe icing conditions without the usual symptoms of ice or perceived aerodynamic stall. In some conditions ice accretion on the wing leading edge may form a separation bubble; with the increase of the angle of attack such bubble could extend backward up to the aileron. In this condition an aileron hinge moment reversal could cause the aileron to deflect towards the separation bubble (Aileron “snatch”) in aircraft with unpowered control. Aileron “snatch” is a descriptive term that results from an unbalance of aerodynamic forces, at an AOA that may be less than that of the wing stall, that tends to deflect the ailerons away from their neutral position.

Eine von vielen Empfehlungen bei Flügen in Vereisungsbedingungen lautet: Disengage the autopilot and hand-fly the aeroplane. The autopilot may mask important handling cues, or may self-disconnect and present unusual attitudes or control conditions. (DGAC, 7.3.2 Avoidance of Roll Upset / Cessna C510 Emergency/Abnormal Procedures: Severe Icing Encounter).

Zusammenfassend schrieb die CAA NZ (Aircraft Icing Handbook, Chapter 6.3.3 Pneumatic De-Ice Boots):

[…] Accident investigators and ice experts believe that autopilot use and pilot training also contribute to icing upsets and accidents, and must be addressed along with boot operating procedures.

The first challenge is to get flight crews to activate de-ice systems early. A lot of the inflight, ice-related accidents and incidents are so vicious, it has become fairly apparent that they occur when de-icing systems are not used. In most of these incidents, the FAA suspect the flight crews were comfortable with some level of accretion and intended to delay the activation of their de- icing systems until they gauged that the ice had reached [the AFM] recommend thickness.[…]

Loss of Control in Flight

Loss of Control (LoC) ist einer der hauptbeitragenden Ursachen für tödliche Flugunfälle weltweit. LoC-Ereignisse und Unfälle können die Folge vielfältiger Ursachen sein. Diese reichen von System- oder Bauteilversagen am Luftfahrzeug, meteorologischen Herausforderungen, Wirbelschleppen kreuzender oder vorausfliegender Luftfahrzeuge, Fehlbedingungen des Flight Management Systems, Steuerfehlern, Missverständnissen, Verlust des Situationsbewusstseins (Situational Awareness) oder auch Ablenkungen innerhalb der Besatzung.

Aufgrund der Häufigkeit und Schwere von LoC-Unfällen wurden in der Vergangenheit u.a. von der International Air Transport Association (IATA) und dem NASA Flight Research Center Studien und Publikationen zu diesem Thema veröffentlicht. Neben statistischen Auswertungen wurden auch Empfehlungen zur Vermeidung von LoC- Ereignissen ausgesprochen.

Die IATA kam 2015 zu folgender Feststellung (Loss of Control In-Flight, Accident Analysis Report, Section 8—Conclusion):

[…] In Loss of Control In-Flight (LOC-I) accidents, as with most accident categories, the investigation usually reveals a multitude of factors leading up to a loss of control. Very often the trigger that initiates a LOC-I accident sequence is an external environmental factor, predominantly meteorological but potentially traffic related in the form of wake turbulence. Human performance deficiencies, including improper, inadequate or absent training, automation and flight mode confusion, distraction the ‘startle’ factor and loss of situational awareness frequently compounded the initial upset and precluded an effective recovery until it was too late.

The analysis found that pilots often missed or ignored readily available indications that could have alerted them to an impending upset or LOC-I event. These included icing conditions, flight control system malfunctions and turbulence. Ultimately, the failure to recognize these precursors to loss of control led to inadvertent or in some cases even deliberate pilot-induced upsets and LOC-I accidents. […]

Die NASA kam zu dem Ergebnis (Aircraft Loss of Control, Causal Factors and Mitigation Challenges, VIII. Conclusions):

[…] Human-induced causal factors are a stronger contributor to loss of control accidents when compared to environmentally-induced and systems-induced causal factors. For near-term impacts on human-induced loss of control, mitigation strategies should focus on loss of control prevention and recovery training. […] Avoidance and detection of loss of control events are more important strategies when compared to recovery based mitigations, however, development of recovery-based mitigations are also required in order to ensure complete coverage when “breaking the chain” of events in a loss of control scenario. […]

Um LoC-Unfälle zu vermeiden sollen sich Piloten einem Upset Prevention and Recovery Training unterziehen. In diesem Training lernen sie dem Verlassen des normalen Flugzustandes rechtzeitig vorzubeugen bzw. es zu erkennen (Upset Prevention) sowie das Wiederherstellen eines stabilisierten Flugzustandes bevor es zu einem Kontrollverlust kommt (Recovery Training). Inhalte und Verfahren zum UPRT sind u.a. beschrieben im Advisory Circular No: 120-111 der FAA und in der Opinion 06/2017 Loss of control prevention and recovery training der EASA.

Flugdatenspeicherung

Aufgrund fehlender objektiver Daten oder ungeklärter Ursachen für Flugunfälle mit kommerziell betrieben Luftfahrzeugen, die bisher von der Ausrüstungsverpflichtung mit Flugdatenschreibern und Cockpit Voice Recordern befreit waren, haben in der Vergangenheit mehrere Untersuchungsstellen diesbezüglich Sicherheitsempfehlungen ausgesprochen.

Beispiele sind:

AAIB UNKG-2005-101: The EASA should promote the safety benefits of fitting, as a minimum, CVR equipment to all aircraft operated for the purpose of commercial air transport, regardless of weight or age.

TSB Recommendation A13-0: The Department of Transport should work with industry to remove obstacles to and develop recommended practices for the implementation of flight data monitoring and the installation of lightweight flight recording systems by commercial operators not currently required to carry these systems.

TSB Recommendation A91-13: The Department of Transport expedite legislation for upgrading the flight recorder requirements for Canadian-registered aircraft.

NTSB Safety Recommendation A-06-017: TO THE FEDERAL AVIATION ADMINISTRATION: Require all rotorcraft operating under 14 Code of Federal Regulations Parts 91 and 135 with a transport-category certification to be equipped with a cockpit voice recorder (CVR) and a flight data recorder (FDR). For those transport-category rotorcraft manufactured before October 11, 1991, require a CVR and an FDR or an onboard cockpit image recorder with the capability of recording cockpit audio, crew communications, and aircraft parametric data.

Die EASA veröffentlichte 2017 im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens (RMT.0271 (MDM.073(a)) & RMT.0272 (MDM.073(b))) die Notice of Proposed Amendment (NPA) 2017-03 In-flight recording for light aircraft.

This Notice of Proposed Amendment (NPA) addresses safety and regulatory harmonisation issues related to the need of in-flight recordings for accident investigation and accident prevention purposes. 12 safety recommendations were addressed to the European Aviation Safety Agency (EASA) by 7 safety investigation authorities, recommending an in-flight recording capability for light aircraft models which are outside the scope of the current flight recorder carriage requirements. In addition, new Standards (recently introduced in ICAO Annex 6) require the carriage of lightweight flight recorders for light aeroplanes and light helicopters. […] This NPA proposes to mandate the carriage of lightweight flight recorders for some categories of light aeroplanes and light helicopters when they are commercially operated and manufactured 3 years after the date of application of the amending regulation. In addition, this NPA proposes to promote the voluntary installation of in-flight recording equipment for all other light aeroplanes and light helicopters and for all balloons. The proposed changes are expected to increase safety with limited economic and social impacts.

Flugverlauf

Der ca. 31-minütige Instrumentenflug bei Nacht führte von Egelsbach in Richtung Süden entlang der Route Mannheim, Stuttgart und Mengen-Hohentengen zum Zielflugplatz Friedrichshafen. Der Steigflug wurde mit über 200 KIAS bis zum Erreichen der maximalen Flughöhe von FL 210 durchgeführt. Der Sinkflug bis zum Erreichen des ILS-Anfluges in Friedrichshafen wurde mit ca. 240 KIAS geflogen.

Weder der erfasste Flugverlauf oder die via ADS-B übermittelten Flugparameter noch der aufgezeichnete Funkverkehr ergaben Hinweise auf ein Problem im Flug oder ungewöhnliches Verhalten der Besatzung bzw. des Flugzeugs. Die aufgezeichneten Flugparameter lassen vermuten, dass der Flug mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit kontinuierlicher Nutzung des Autopiloten durchgeführt wurde.

Die übermittelten Flugparameter zeigten eine gleichmäßige Verringerung der Sinkrate bis zum Erreichen der angewiesenen Flughöhe von 4.000 ft AMSL. In der Kurve zur Anflug-Grundlinie erhöhte sich die Querneigung auf Werte größer 25°. Die Querneigungswerte lagen damit oberhalb der maximal vom Flight Director im APR-Mode, und bei mehr als 30° im ROL-Mode, möglichen Werte. Sofort folgend entstanden sehr hohe Sinkratenwerte. Die Kombination aus schnell zunehmender Querneigung nach rechts und hoher Sinkrate innerhalb weniger Sekunden lässt auf einen Kontrollverlust beim Übersteuern des Autopiloten oder auf eine Abschaltung des Autopiloten schließen.

Zwischen dem unauffälligen Zurücklesen des letzten Funkspruchs durch den Copiloten während des Sinkflugs bis zum Kontrollverlust beim Eindrehen auf den Localizer vergingen ca. 36 Sekunden. Die Tatsachen, dass es Hindernisberührungen vor der eigentlichen Unfallstelle gab und das Flugzeug sich in einem flachen Sinkflugwinkel befunden haben muss, lassen vermuten, dass die Besatzung ein Abfangen des Flugzeugs versuchte und dies in Bezug auf die Verringerung der Sinkrate gelang. Jedoch reichte die Flughöhe nicht aus. Nach den Hindernisberührungen und dem Verlust von Tragflächen- und Leitwerksteilen war vermutlich die Kontrolle über das Flugzeug vollständig verloren und der Flugverlauf bis zur eigentlichen Unfallstelle unkontrolliert.

Besatzung

Beide Piloten verfügten über die luftrechtlich vorgeschriebenen Lizenzen und Berechtigungen. Sie waren entsprechend den Berechtigungen als verantwortlicher Pilot und als Co-pilot (PIC und COP) eingesetzt.Der verantwortliche Pilot, in der Funktion als Line Training Kapitän, verfügte über eine hohe Mustererfahrung und flog nahezu ausschließlich das Muster C510. Sein letzter Überprüfungsflug im Simulator lag wenige Monate zurück.

Der Copilot verfügte erst seit Ende Juli über die Musterberechtigung C510. Er befand sich noch in der unternehmensinternen Supervision. Seit Erlangen der Berechtigung war er jedoch bereits ca. 140 Stunden auf dem Luftfahrzeugtyp geflogen. Bemerkenswert aus Sicht der BFU war, dass weder der Halter noch andere Besatzungsmitglieder Auskünfte über ihn erteilen konnten. Auch lagen keine Nachweise der Supervision vor.

Beide Piloten sollten in der Lage gewesen sein, das betroffene Luftfahrzeug alleine sicher zu führen. Sie waren sicherlich mit dem Anflug auf Friedrichshafen vertraut, da es sich um den Hauptstationierungsort des Luftfahrzeugs handelte und sie Friedrichshafen regelmäßig anflogen.

Über das Verhältnis der beiden Piloten zueinander konnte die BFU nichts erfahren. Aufgrund der zeitlichen Nähe zur Landung des Schwesterflugzeugs des Unternehmens ist zu vermuten, dass die Besatzung über Funk den Anflug bzw. die Landung mitgehört hatte und daher ggf. in Bezug auf das Wetter und die möglichen Vereisungsbedingungen beruhigt war. Aufgrund der Eintragung im Bordbuch und der Tatsache, dass der Copilot den Funkverkehr durchführte wird seitens der BFU vermutet, dass der verantwortliche Pilot der steuerführende Pilot (PF) beim Unfallflug war.

Luftfahrzeug C510 Mustang

Das Luftfahrzeugmuster C510 Mustang wurde im Jahr 2006 Musterzugelassen. Bis zur Beendigung der Produktion im Jahr 2017 wurden 471 Stück hergestellt. Der Unfall des betroffenen Flugzeugs war der erste tödliche Unfall mit diesem Muster. Das Flugzeug ist aus Sicht der BFU vom Aufbau, der Komplexität der Systeme und der Bedienung als kleiner Privatjet ein vergleichsweise einfacher Jet. Dies drückt sich auch in der Single-Pilot-Zulassung des Musters aus.

Wesentliche Systeme, wie z.B. das Autopilotensystem sind redundant ausgeführt. Ein einfacher Systemausfall, z.B. eines Triebwerks, eines Generators oder eines Autopiloten sollten nicht zu einer größeren Beeinträchtigung oder gar zum Verlust der Kontrolle über das Flugzeug führen. Gleiches gilt für den Einflug in unerwartete leichte bis mäßige Vereisungsbedingungen. Laut den Nachweisen des Herstellers wurden bei der Erprobung in Bezug auf Vereisung im Flug und die Gefahr eines Icing Contaminated Tail Stall (ICTS) keine außergewöhnlichen oder negativen Eigenschaften festgestellt.

Das betroffene Luftfahrzeug war in Österreich zugelassen und entsprechend den vorgelegten Wartungsunterlagen des Halters kontinuierlich instandgehalten worden. Bei der Untersuchung des Wracks konnten keine Hinweise auf technische Beeinträchtigungen und Störungen an der Steuerung festgestellt werden. In Bezug auf die Konfiguration wurde festgestellt, dass das Fahrwerk, die Landeklappen und die Speedbrakes zum Unfallzeitpunkt eingefahren waren.

Die Auswertung der beiden FADEC der Triebwerke durch den Triebwerkshersteller ergab, dass zum Unfallzeitpunkt beide Triebwerke auf ca. 70 Prozent N2 (high idle) liefen, Anti-Ice eingeschaltet und, aufgrund von Vergleichsdaten vom letzten Engine Power Assurance Check, vermutlich auch De-Ice eingeschaltet war. Wann Anti-Ice und ggf. De-Ice eingeschaltet wurden, konnte nicht ermittelt werden.

Die von der Verkehrskontrolle erfassten Fluggeschwindigkeiten lagen sowohl im Steigflug bis zur Reiseflughöhe als auch im Sinkflug bis zum Unfall oberhalb der empfohlenen Mindestfluggeschwindigkeit von 160 KIAS bei Vereisungsbedingungen. Dies sollte gewährleisten, dass sich keine Vereisung hinter den De-Ice Boots, auf den Unterseiten der Tragfläche und des Höhenleitwerks bilden kann. Gleichzeitig lag die Fluggeschwindigkeit bis zum Unfall weit oberhalb der angegeben Stall-Speeds aus dem Flughandbuch und der Vref für das tatsächliche Fluggewicht. Somit kann aus Sicht der BFU ein Strömungsabriss in Querneigung aufgrund zu geringer Geschwindigkeit beim Eindrehen auf die Anflug-Grundlinie ausgeschlossen werden.

Die hohe Anfluggeschwindigkeit unter Nutzung des Autopiloten führte jedoch zu einem Überschießen der Anflug-Grundlinie. Die Aufzeichnungen vorangegangener Anflüge auf Friedrichshafen zeigten, dass sich dies aufgrund der hohen Anfluggeschwindigkeiten jedes Mal ereignete und daher für die Besatzung nicht überraschend gewesen sein konnte.

Meteorologische Bedingungen

Laut dem meteorologischen Gutachten des DWD ergaben die Informationen, die für die Flugvorbereitung zur Verfügung standen, für die Flugstrecke Egelsbach – Friedrichshafen signifikante Wettererscheinungen hauptsächlich in Form von Schauern mit Regen und Schnee sowie einzelne Gewitter. Für die gesamte Flugstrecke musste mit Vereisungsbedingungen gerechnet werden, die insbesondere auf dem ersten Teil der Strecke bis etwa zum Neckar und im Zielgebiet gebietsweise mit mäßiger und starker Intensität prognostiziert wurden. Zum geplanten Landezeitpunkt musste für die Instrumentenlandung von keinen größeren Einschränkungen am Verkehrsflughafen Friedrichshafen ausgegangen werden.

Das tatsächlich beobachtete Wettergeschehen auf der zweiten Hälfte der Flugstrecke unterschied sich allerdings dahingehend deutlich von der Vorhersage, dass sich die prognostizierten frontalen Wetterbedingungen weiter nach Norden ausgeweitet hatten. Die Beobachtungen der Besatzungen anderer Luftfahrzeuge passen sehr gut zu dem Wechsel der Wetterbedingungen.

In diese frontalen Wetterbedingungen, mit Niederschlag und wahrscheinlich anfänglich leichter, dann jedoch mäßiger bis starker Vereisung, flog das Flugzeug im Sinkflug ab ca. FL150 ein. Nach ca. zehn Minuten in Vereisungsbedingungen mit unterschiedlichster Intensität war das Flugzeug wahrscheinlich zum Unfallzeitpunkt, zumindest teilweise, vereist.

Der Unfall ereignete sich nach Sonnenuntergang, in einem örtlichen Niederschlagsgebiet in Form von Regen und Schnee. Die Wolkenuntergrenze lag zum Unfallzeitpunkt im Bereich der Anflug-Grundlinie in ca. 3.100 ft AMSL, ca. 800 ft über Grund. Laut den Beobachtungen anderer Besatzungen lagen die Feuersichten darunter trotz der Niederschläge bei über zehn km.

Der plötzliche Kontrollverlust ereignete sich somit in Wolken, Niederschlag und Dunkelheit. Falls die Landescheinwerfer eingeschaltet waren, hätten zusätzlich Schneeflocken im Scheinwerferstrahl die Sicht der Besatzung nach außen verhindert. Die Besatzung hatte somit keine Erdsicht und bis zum Verlassen der Bewölkung in unkontrollierter Fluglage keine optischen Referenzpunkte (Lichtquellen am Boden oder Hindernisbefeuerungen). Die unkontrollierte Fluglage hätte von der Besatzung anhand der Fluginstrumente erkannt und behoben werden müssen. Die leichte bis mäßige Turbulenz wird die Arbeitsbelastung der Besatzung im Anflug zusätzlich erhöht haben.

Organisation und Verfahren

Der Halter des Flugzeugs war ein Österreichisches Luftfahrtunternehmen. Dieses Unternehmen stellte zwar den luftrechtlichen Rahmen für die gewerblichen Flüge, hatte aber aus Sicht der BFU wenig mit dem tatsächlich gewerblich durchgeführten Flugbetrieb mit dem betroffenen Flugzeug und der Schwestermaschine gleichen Typs aus Friedrichshafen zu tun.

Diese beiden Luftfahrzeuge wurden von einem zweiten Unternehmen, dessen Geschäftsführer der verunfallte verantwortliche Pilot war, vermarktet, geplant und eingesetzt. Dies spiegelte sich auch in der Tatsache wider, dass es der BFU nicht möglich war von dem Halter des Flugzeugs Informationen bezüglich des Copiloten zu erhalten. Auch lagen beim Halter keine Nachweise der schon länger andauernden Supervision des Copiloten vor. Dieses zweite Unternehmen hat infolge des Unfalls den Flugbetrieb eingestellt.

Die flugbetrieblichen Verfahren des Halters entsprachen im Wesentlichen den Verfahren des Aircraft Flight Manuals des betroffenen Musters. Diese Verfahren und die weiteren Vorgaben des Flugbetriebshandbuches, z.B. bzgl. Flüge in Vereisungsbedingungen oder der Zusammenarbeit der Besatzung, sollten einen sicheren Instrumentenanflug gewährleisten.

Aus Sicht der BFU waren alle nachträglich betrachteten Anflüge mit hoher Geschwindigkeit geflogen worden. Dies erhöht die Arbeitsbelastung der Besatzungen im Anflug, da weniger Zeit für die Konfiguration des Flugzeugs und das Erlangen aller Stabilitätskriterien usw. zur Verfügung steht. Der Halter bemerkte diesbezüglich, dass es an vielen internationalen Flughäfen anders nicht möglich sei, sich in den Verkehrsfluss der größeren einzuordnen.

Aircraft Icing und Loss of Control in Flight

Ein Kontrollverlust im Flug (LoC in Flight) kann vielerlei Ursachen haben. Technische Probleme sind in diesem Fall aus Sicht der BFU mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Im vorliegenden Fall ist es eher wahrscheinlich, dass es bei dem Versuch bei Schneefall und in Dunkelheit die Anflug-Grundlinie wieder anzufliegen, zu einem Steuerfehler ggf. aufgrund einer räumlichen Desorientierung des steuerführenden Piloten gekommen ist. Möglich ist auch, dass es zu Missverständnissen innerhalb der Besatzung oder bei der Bedienung des Autopiloten im Aktivieren des Anflugverfahrens gekommen ist.

Aufgrund der frontalen Wettersituation und der wahrscheinlich damit einhergehenden starken Vereisung unmittelbar vor dem Unfall ist es aus Sicht der BFU aber auch möglich, dass es zu aerodynamischen Beeinträchtigungen am Flugzeug kam. Ein sogenanntes Roll Upset ist ein Szenario, dass unter Betrachtung aller Faktoren möglich gewesen wäre. Das Flugzeug verfügte nicht über servogesteuerte Querruder, hatte lediglich De-Ice Boots und flog wahrscheinlich unter Nutzung des Autopiloten. Ein von der Besatzung unerwartetes Ausschalten (decoupeln) des Autopiloten aufgrund von zu hohen aerodynamischen Stellkräften könnte zu einem LoC geführt haben. Solche Ereignisse mit anderen Luftfahrzeugmustern wurden in der Vergangenheit in der Literatur beschrieben. Aber auch viele weitere Ursachen könnten vorgelegen haben.

Schlussfolgerungen

Der Flugunfall war auf einen plötzlichen Kontrollverlust über das Flugzeug in Wolken beim Eindrehen für den Anflug auf Friedrichshafen bei Nacht zurückzuführen. Wahrscheinlich beigetragen hat das frontale Wettergeschehen mit leichter bis mäßiger Turbulenz, Schneefall und Vereisung. Gesicherte Ursachen für den Kontrollverlust konnten aufgrund fehlender Informationen über die Ereignisse an Bord des Flugzeugs nicht ermittelt werden.

Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit. Quelle und Bilder, soweit nicht anders angegeben: BFU

Keine Tags zu diesem Beitrag.

Verwandte Artikel

- Anzeige -