Reise in das kosmische Netz: Erste Bilder der Weltraumsonde Euclid

Der Pferdekopfnebel im Orion ist Teil einer großen kalten Gas- und Staubwolke, die in weiß-orangen Farben sichtbar ist. Aus dem Nebel in der unteren Hälfte des Bildes zeichnet sich eine orangefarbene Wolke in Form eines Pferdekopfes ab. Dieser Nebel hüllt junge Sterne wie in einen Kokon. Viele andere Teleskope haben Bilder des Pferdekopfnebels aufgenommen. Aber keines von ihnen ist in der Lage, ein so scharfes und weiteräumiges Bild mit nur einer Beobachtung wie dieses zu erzeugen.
Der Pferdekopfnebel im Orion ist Teil einer großen kalten Gas- und Staubwolke, die in weiß-orangen Farben sichtbar ist. Aus dem Nebel in der unteren Hälfte des Bildes zeichnet sich eine orangefarbene Wolke in Form eines Pferdekopfes ab. Dieser Nebel hüllt junge Sterne wie in einen Kokon. Viele andere Teleskope haben Bilder des Pferdekopfnebels aufgenommen. Aber keines von ihnen ist in der Lage, ein so scharfes und weiteräumiges Bild mit nur einer Beobachtung wie dieses zu erzeugen. (© ESA / Euclid / Euclid Consortium / NASA, image processing by J.-C. Cuillandre, G. Anselmi)
Geschätzte Lesedauer: 6 Minuten

Die ersten Bilder der europäischen Weltraumsonde Euclid geben Einblick in nahegelegenen Regionen unseres Universums. Nie zuvor hat ein Weltraumteleskop mit Einzelaufnahmen solch große Abschnitte des Himmels mit einer derartigen Bildschärfe abbilden können. „Die ersten Bilder übertreffen unsere Erwartungen – und das ist erst der Anfang“, erklärt Dr. Alessandra Roy, Euclid-Projektleiterin in der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Denn damit hat Euclid bewiesen, dass Sonde, Teleskop und wissenschaftliche Instrumente für die eigentliche Mission bereit sind: die Erforschung der Dunklen Materie und Dunklen Energie im Weltall.

Euclid beobachtet über hundert Mal größere Himmelsbereiche als das James-Webb-Teleskop

Die Erwartungen an Euclid sind groß: In nur sechs Jahren soll die Sonde der Europäischen Weltraumorganisation ESA mehr als ein Drittel des Himmels durchmustern und dabei eine dreidimensionale Karte von der Verteilung der Galaxien im Universum erstellen, die sich über zehn Milliarden Lichtjahre erstreckt. Diese Verteilung ähnelt einem gigantischen kosmischen Netz, in dem Galaxienhaufen durch die Schwerkraft wie an Fäden miteinander verbunden zu sein scheinen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden Teleskop und Instrumente vor allem darauf ausgerichtet, einen möglichst großen Himmelsabschnitt pro Aufnahme erfassen zu können. „Das Auflösungsvermögen von Euclid ist geringer als das des Hubble Space Teleskops“, erläutert Dr. Roy. „Stattdessen ist die die Sonde darauf spezialisiert, Himmelsbereiche zu beobachten, die mehr als hundertmal größer sind als das, was die Infrarotkamera des James-Webb-Teleskops leisten kann.“

Anhand der Aufnahmen wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die bislang unbekannte Natur der Dunklen Materie und Dunklen Energie erforschen. Mit rund 95 Prozent bilden diese beiden Komponenten den Hauptbestandteil des Universums. Die Euclid-Daten sollen die Eigenschaften dieser Bestandteile genau bestimmen, um die derzeitig anerkannte kosmologische Theorie zu verfeinern und gegebenenfalls Abweichungen innerhalb der Allgemeinen Relativitätstheorie zu erkennen.

Mehr als 50.000 Galaxien in der Aufnahme des Perseus-Galaxienhaufens

Eines der fünf ersten Bilder von Euclid ist eine Aufnahme des Perseus-Galaxienhaufens. Diese Struktur ist eines der massereichsten Objekte im Universum. Röntgenbeobachtungen haben dort das Vorhandensein von Dunkler Materie bereits nachgewiesen. Der Haufen enthält eine riesige Anzahl von Galaxien, die in eine enorme Wolke überhitzten Gases eingebettet sind. Euclid hat in der Aufnahme mehr als 50.000 Galaxien abgebildet, von denen einige noch nie zuvor auf Bildern zu sehen waren. Die Mission wird vor allem die Form der Hintergrundgalaxien erfassen. Anhand von Verzerrung innerhalb dieser Form können Astronominnen und Astronomen die Menge an Dunkler Materie messen, die sich zwischen den Galaxien und dem Sonnensystem befindet.

Die Verzerrung der Form der Hintergrundgalaxien ist ein bekannter Effekt. Er wird durch den Einfluss massereicher Objekte verursacht, die wie Glaslinsen wirken, die sich zwischen den Galaxien und dem Beobachter befinden. Dieses Phänomen wird durch die Allgemeine Relativitätstheorie erklärt und ist als schwacher Gravitationslinseneffekt bekannt. Die Mission wird sich dieses Phänomen zunutze machen und im Rahmen seiner gesamten Durchmusterung die Verzerrung der Formen von Milliarden von Galaxien messen. Darüber hinaus wird Euclid die räumliche Verteilung dieser Galaxien untersuchen und erforschen, wie sie sich in den letzten zehn Milliarden Jahren verändert haben. Auf diese Weise wollen die Forschenden herausfinden, wie die Dunkle Energie die Expansion des Universums beeinflusst hat.

Wissenschaftliche Instrumente durchdringen kosmische Wolken vor der „Versteckten Galaxie“

Eine Aufnahme der „Versteckten Galaxie“ (IC 342) zeigt die Leistungsfähigkeit des Nahinfrarot-Spektrometer und Photometer (NISP) von Euclid in Kombination mit dem Visible Instrument (VIS). Der Name der Galaxie rührt daher, dass sie sich hinter der Scheibe der Milchstraße befindet und daher im optischen Licht durch das Gas und den Staub in unserer eigenen Galaxie verdeckt wird. Das Infrarot-Licht kann diese kosmischen Wolken jedoch durchdringen. Die Aufnahme zeigt viele Details der einzelnen Sterne und Sternhaufen in der Galaxie. „Obwohl die Kosmologie das Hauptziel dieser Mission ist, werden Euclid-Daten wertvolle Informationen über die Physik von Sternen und Galaxien, einschließlich der Milchstraße, enthalten“, so Dr. Roy. Geplant ist zudem die Untersuchung des Pferdekopfnebels, des berühmtesten und nächstgelegenen Sternentstehungsgebiets. Hier könnte Euclid neue Gasriesenplaneten wie Jupiter sowie Sterne in ihren Anfangsphasen entdecken.

Die Mission ist am 01. Juli 2023 mit einer Falcon-9-Rakete des US-Raumfahrtkonzerns SpaceX vom US-Weltraumbahnhof Cape Canaveral gestartet. Ihre endgültige Position in 1.5 Millionen Kilometer Entfernung von der Erde hatte die Sonde Ende Juli erreicht und nach ihrer Inbetriebnahme mit der Datenerfassung begonnen. Die erste Veröffentlichung der Euclid-Daten ist im Jahr 2025 geplant. Bis dahin werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Euclid-Konsortiums die Bilder analysieren und auswerten.

Euclid – eine europäische Mission und ihre Partner

Euclid ist die zweite M-Klasse-Mission aus dem „Cosmic Vision“-Programm der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Das Service-Modul und die Satellitenplattform werden von Thales Alenia Space (Italien) bereitgestellt. Die zwei Instrumente NISP und VIS wurden von einem Konsortium bereitgestellt, das aus 14 ESA-Mitgliedsstaaten sowie Kanada, Japan und den USA besteht und an dem 2.600 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beteiligt sind. Das Nutzlastmodul steht unter der Verantwortung von Airbus Defence & Space (Frankreich).

Die Studien zum NISP-Instrument wurden in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching geleitet. Zudem waren die Institute ebenso wie die Ludwig-Maximilians-Universität in München, die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn sowie die Ruhr Universität Bochum an der Softwareentwicklung für Euclid beteiligt. Die deutschen Institute und Universitäten sind mit erheblichen finanziellen Mitteln beteiligt.

Deutschland ist der größte Beitragszahler im ESA-Wissenschaftsprogramm und trägt somit rund 21 Prozent zur Mission bei. Im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ist die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR für die Koordinierung der deutschen ESA-Beiträge verantwortlich. Darüber hinaus fördert sie Teile des NISP Instruments und der Software für die Datenverarbeitung und einem Datenzentrum mit mehr als 60 Millionen Euro bis zum Betriebsende der auf sechs Jahre ausgelegten Mission über das Nationale Raumfahrtprogramm.

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