Absturz statt Durchstartemanöver: Motorsegler an EDFC

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Vom Flugplatz Aschaffenburg (EDFC) startete das Luftfahrzeug um 12:39 Uhr mit zwei Personen an Bord zu einem Überlandflug. Zuvor wurde der Motorsegler nach Zeugenaussagen mit ca. 36 l Kraftstoff betankt. Gegen 15:02 Uhr meldete sich der Pilot über Funk bei Aschaffenburg Info mit der Positionsmeldung “Flugplatz Obernau”.

Identifikation

  • Art des Ereignisses: Unfall
  • Datum: 02. März 2013
  • Ort: Flugplatz Aschaffenburg
  • Luftfahrzeug: Motorsegler
  • Hersteller / Muster: Scheibe / SF 25 C
  • Personenschaden: eine Person tödlich verletzt, eine Person schwer verletzt
  • Sachschaden: Luftfahrzeug zerstört
  • Drittschaden: keiner

Ereignisse und Flugverlauf

Drei Minuten später meldete er “langes Endteil 26”. Danach erfolgte um 15:06:39 Uhr die Meldung “kurzes Endteil, starte durch”. Von Zeugen wurde beobachtet, dass der tief anfliegende Motorsegler aus einer Flughöhe von unter 100 Meter nach vorn abkippte und mit großer Längsneigung auf einem Ackergelände aufprallte. Das Luftfahrzeug wurde zerstört und die beiden Insassen erlitten schwere Verletzungen. Der Pilot erlag später seinen Verletzungen. Das Titelbild und Abb. 2 zeigen die Unfallstelle.

Angaben zu Personen

Der 82-jährige Luftfahrzeugführer war seit 28. Dezember 1961 Inhaber einer Erlaubnis für Privatflugzeugführer. In dem nach den Regelungen JAR-FCL (deutsch) ausgestellten Luftfahrerschein für Segelflugzeugführer war die Berechtigung Touring Motor Glider (TMG) eingetragen. Er besaß die Berechtigungen zum Führen von Segelflugzeugen und Motorseglern. Seit 27. Oktober 2011 war er im Besitz eines Luftfahrerscheins für Luftsportgeräteführer. Sein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 2 war bis 16.05.2013 gültig. Es bestand die Auflage, eine Sehhilfe zu tragen und eine Ersatzbrille mitzuführen.

Er besaß eine Gesamtflugerfahrung von mehr als 8.000 Stunden. Auf Motorseglern hatte er eine Flugerfahrung von ca. 5.100 Stunden, auf Segelflugzeugen ca. 2.350 Stunden, auf Flugzeugen bis 2 t ca. 1.015 Stunden und auf Ultraleichtflugzeugen (UL) ca. 13 Stunden. In den letzten 90 Tagen wurden keine Flüge durchgeführt. In der Lizenz waren keine Überprüfungsflüge eingetragen.

Angaben zum Luftfahrzeug

Bei dem Muster handelt es sich um einen zweisitzigen in Gemischtbauweise hergestellten Motorsegler SF 25 C mit 15 Meter Spannweite.

  • Hersteller: Scheibe
  • Baujahr: 1993
  • Werknummer: 44555
  • Höchstgewicht: 650 kg
  • Leergewicht: 444 kg
  • Gesamtflugzeit: ca. 5.795 Stunden
  • Triebwerk: Rotax 912 mit MT 165 R130-2A Festblattpropeller

Das Luftfahrzeug war in Deutschland zum Verkehr zugelassen und im Besitz eines Luftsportvereins. Die letzte Lufttüchtigkeitsprüfung erfolgte am 05.02.2013 und danach wurden 93 Stunden mit dem Luftfahrzeug geflogen.

Meteorologische Informationen

Zur Startzeit herrschten nach Zeugenaussagen CAVOK-Sichtflugbedingungen ohne Besonderheiten. Der Wind war sehr schwach und kam aus 200° mit ca. 3 kt. Der Luftdruck (QNH) lag bei 1.022 hPa.

Funkverkehr

Es bestand Funkverbindung auf der Flugplatzfrequenz 132,425 MHz zwischen der Flugleitung und dem Piloten. Es gab dabei keine Meldung über Besonderheiten oder Probleme. Der Funkverkehr wurde aufgezeichnet und lag der BFU vor.

Angaben zum Flugplatz

Der Verkehrslandeplatz Aschaffenburg (EDFC) verfügt über eine 840 Meter lange Asphaltpiste in der Ausrichtung 08/26. Zur Unfallzeit war die Start- und Landerichtung 26 in Betrieb.

Flugdatenaufzeichnung

Aus den Datenaufzeichnungen eines sichergestellten Garmin GPS 269 und einem Flarmgerät ließ sich der Flugweg des Motorseglers rekonstruieren.

Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug

Die Unfallstelle befand sich ca. 150 Meter vom östlichen Ende der Asphaltpiste entfernt auf einem Ackergelände. Es war beobachtet worden, wie das Luftfahrzeug aus einem steilen Bahnneigungsflug mit großer Längsneigung auf den Boden stürzte. Rumpfbug und Kabinenbereich des Luftfahrzeuges waren zerstört und die Tragflächen waren zum Teil zerbrochen sowie die Beplankung stark beschädigt. Die Längsachse des Wracks wies in Richtung 250°. Der Rumpf des Motorseglers hinter dem Tragflächenverbund und das Leitwerk waren leicht beschädigt. Beide Propellerblätter wurden im Bereich der Propellernabe abgetrennt.

Die Höhenrudertrimmung wurde leicht kopflastig eingestellt vorgefunden. Im Luftfahrzeug wurde Kraftstoff in der Tankanlage festgestellt und der Benzinhahn war geöffnet. Der Hauptschalter befand sich in der Position “Ein” und der Zündschalter in der Position “R”. Der Gashebel stand auf Vollgas und die Regelung über den Bowdenzug zum Vergaser war funktionsfähig. Abb. 3 zeigt das Instrumentenbrett.

Beide Steuerknüppel waren abgebrochen. Bis auf zwei Kerzen im vorderen rechten Zylinder, die stark verrußt waren, zeigten die Zündkerzen ein unauffälliges Verbrennungsbild. Am Höhenmesser war der eingestellte QNH-Wert 1.021,5 hPa und eine angezeigte Flughöhe von 350 ft abzulesen. Technische Mängel wurden am Luftfahrzeug nicht festgestellt. Das Triebwerk wurde einer weitergehenden Untersuchung zugeführt.

Brand

An der Unfallstelle entstand kein Brand.

Beurteilung

Das Luftfahrzeug war ordnungsgemäß in Deutschland zum Verkehr zugelassen und versichert. Es wurde im zulässigen Bereich für die Zuladung und den Schwerpunkt betrieben. Die Wetterbedingungen für den Flug waren ohne Besonderheiten und hatten keinen Einfluss auf den Unfall.

Der Pilot hatte eine große Flugerfahrung, auch auf dem Muster SF 25 C. Aufgrund der beginnenden Flugsaison verfügte er über eine geringe Inübunghaltung. Er war am 13. November 2012 das letzte Mal mit dem Motorsegler geflogen. Die Untersuchung der Bruchstellen an den Steuerknüppeln zeigte, dass der Bruch infolge des Aufpralls entstanden war. Die Triebwerksuntersuchung ergab keinen Befund.

Die Rekonstruktion des Flugweges zeigte, dass der Funkspruch zur Information des Durchstartmanövers um 14:06:39 Uhr östlich der Unfallstelle aus ca. 220 Meter Flughöhe über Grund gegeben wurde. 19 Sekunden später erreichte das Luftfahrzeug mit einer durchschnittlichen Sinkgeschwindigkeit von ca. 3,8 m/s eine Flughöhe von 148 Meter über Grund. Anschließend vergrößerte sich das Sinken weiter. Aufgrund der Aufzeichnungsrate des GPS-Gerätes konnte dies jedoch nicht genauer bestimmt werden. Die Zeugenaussagen und die Flugwegdaten zeigen übereinstimmend, dass der Anflug auf den Flugplatz bis zum Aufprall auf dem Acker kontinuierlich steiler wurde.

Aufgrund der Feststellung, dass der Motorsegler kopflastig getrimmt wurde und der Pilot beim Einleiten des Durchstartmanövers umgreifen musste, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Zunahme der Längsneigung vom Piloten zu spät bemerkt wurde bzw. eine Fehlbedienung der Steuerung diese begünstigte.

Schlussfolgerungen

Der Flugunfall ist darauf zurückzuführen, dass das Luftfahrzeug beim Anflug des Flugplatzes aus geringer Flughöhe in einen sehr steilen Bahnneigungsflug überging und bis zum Aufprall auf den Boden dieser Flugzustand vom Luftfahrzeugführer nicht korrigiert wurde.

Dadurch, dass der Pilot kurz zuvor ein Durchstartmanöver über Flugfunk angekündigt hatte, ist davon auszugehen, dass es bei den nachfolgenden Handlungen zur ungewollten Vergrößerung des Bahnneigungswinkels kam. Begünstigt wurde der Unfallablauf durch die geringe Inübunghaltung des Piloten.

Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit. Quelle und Bilder, sofern nicht anders angegeben: BFU.

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