Parabelflieger Airbus A300 ZERO-G geht in Ruhestand

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5.200 Flüge, 4.200 Flugstunden und 13.180 Parabeln hat der Airbus A300 ZERO-G im Dienste der Wissenschaft und Schwerelosigkeitsforschung gemeistert. Nun verabschiedet sich der Parabelflieger der französischen Firma Novespace nach der 25. Forschungskampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in den wohlverdienten Ruhestand.

Seit dem Jahr 1999 haben Wissenschaftlerteams aus Deutschland mehr als 400 Experimente in 15 Stunden Schwerelosigkeit an Bord der Maschine durchgeführt und dadurch wichtige biologische, medizinische und physikalische Fragen beantwortet. Ebenso standen viele technologische Tests auf dem Programm. Experimentiereinrichtungen wurden für ihren späteren Einsatz im Weltraum – zum Beispiel auf der Internationalen Raumstation ISS – erprobt.

Parabelflüge für Doktorarbeiten und neue Behandlungsmöglichkeiten

Pflanzen "wissen", wo Oben und Unten ist. Woher "wissen" sie das aber auch in der Schwerelosigkeit? Welche Rolle spielt die Schwerkraft für gesunde, funktionsfähige Zellen? Wie verändern sich unsere Gehirnaktivitäten, und wie reagiert unser Immunsystem, wenn die Schwerkraftwirkung aufgehoben ist? Was können wir bei Untersuchungen in Schwerelosigkeit für den Menschen auf der Erde lernen? Wie sammelt man Weltraumschrott am besten ein? Wie kann man die Eigenschaften von Metalllegierungen verbessern? Wie sind unsere Planeten entstanden?

"Alle diese und noch viele weitere wissenschaftliche Fragen wurden während der 25 deutschen Parabelflugkampagnen untersucht und haben vielen Nachwuchswissenschaftlern unerlässliche Daten für ihre Forschung beschert", sagte Dr. Ulrike Friedrich, Projektleiterin der Parabelflüge im Raumfahrtmanagement des DLR. Bild 1 zeigt Schmelzversuche der TEMPUS-Anlage an Bord des A300 ZERO-G.

Über 150 wissenschaftliche Abschlussarbeiten von Studierenden und Doktoranden basieren auf Parabelflugergebnissen. Dabei gibt es immer wieder Beispiele dafür, dass Ergebnisse aus der Grundlagenforschung zu verbesserter Diagnose oder Behandlung von Erkrankungen bei Menschen auf der Erde führen. Zum Beispiel kamen Forscher durch Parabelflugexperimente auf die Idee, Ganzkörpervibration nicht nur für ein verbessertes Astronautentraining, sondern auch in der klinischen Rehabilitation einzusetzen. Es gibt Hinweise darauf, dass dadurch Kinder mit spastischen Lähmungen ihre Bewegungsmotorik, ihre Koordination und Kondition verbessern können.

Flüge mit Mond- und Mars-Parabel

Für manche wissenschaftliche Untersuchungen werden unterschiedliche Beschleunigungen benötigt. Deshalb gibt es auch Flüge mit Schwerkraftbedingungen, wie sie auf dem Mond (0,16 g) oder dem Mars (0,38 g) herrschen. Eine "Mondparabel" bietet die entsprechende Beschleunigung für 25 Sekunden, eine "Marsparabel" für 35 Sekunden. "g" bezeichnet dabei als Einheit den Faktor, in welcher Schwerkraft – gemessen an dem Schwerefeld der Erde – Gewichtsbeschleunigungen auf einen Körper wirken.

Derartige Kampagnen wurden zum Beispiel in den Jahren 2011 und 2012 zusammen mit der französischen Raumfahrtagentur CNES und der Europäischen Weltraumorganisation ESA geflogen. Bild 2 zeigt die Durchführung von Experimenten der Universität Duisburg zu Staubphänomenen, wie sie auf anderen Planeten herrschen.

Parabelflug – Brückenfunktion zur Raumstation

Es gibt viele wissenschaftliche Fragen, die mehr Untersuchungszeit als die 22 Sekunden Schwerelosigkeit einer 0 g-Parabel zu Beantwortung benötigen. Zwar steigt und fällt das Flugzeug 31 Mal und garantiert so elf schwerelose Minuten pro Flugtag – bei drei bis fünf Flugtagen herrscht also 33 bis 55 Minuten Schwerelosigkeit pro Kampagne, jedoch kann es oft notwendig sein, Schwerkraft über einen längeren Zeitraum am Stück zu vermeiden. Die dauerhafte Schwerelosigkeit ist nur im Weltraum möglich. Deshalb wollen viele Wissenschaftler auch auf der ISS in permanenter Schwerelosigkeit forschen.

"Der Parabelflug ist ihre Brücke zur Raumstation. Denn haben die Experimente hier interessante Ergebnisse erzielt, können die Wissenschaftler darauf hoffen, ihre Forschung in 400 Kilometern Höhe über der Erde fortzusetzen", erklärte Dr. Friedrich. Beispielsweise wurden für 18 deutsche ISS-Experimente vorher umfangreiche Voruntersuchungen auf den DLR-Parabelflügen durchgeführt.

"Fliegendes Klassenzimmer" – Schüler und Lehrer im A300 ZERO-G

Parabelflüge sind auch dazu geeignet, den ganz jungen wissenschaftlichen Nachwuchs direkt mit Themen der Schwerelosigkeitsforschung in Kontakt zu bringen. Bei sechs medizinischen und biologischen Projekten waren dutzende Schülerinnen und Schüler an der Vorbereitung und Auswertung der Parabelflugexperimente beteiligt. Etliche konnten sogar mitfliegen. Ein anderes Mal haben ein Dutzend Lehrer und Lehrerinnen Demonstrationsexperimente ausprobiert, die später der deutsche Astronaut Alexander Gerst auf der Raumstation durchgeführt hat.

Der Heimatflughafen des Airbus A300 ZERO-G ist das französische Bordeaux-Mérignac: Hier bietet die Firma Novespace, von der das DLR die Kampagnen durchführen lässt, die entsprechende Infrastruktur, die für die Vorbereitung und den Ablauf der Kampagnen nötig ist. Auch seine letzte wissenschaftliche Parabelflugkampagne – die gleichzeitig die 25. DLR-Kampagne ist – startete dort. Direkt im Anschluss führt ihn seine allerletzte Reise am 03. November zu seinem endgültigen Ziel – dem Flughafen Köln/Bonn, wo er zukünftig öffentlich besichtigt werden kann.

Damit ist die Ära der wissenschaftlichen Parabelflüge jedoch nicht zu Ende – ein Nachfolgeflugzeug steht bereits in den Startlöchern: ein Airbus A310, der seit 1989 als deutsches Regierungsflugzeug seinen Dienst tat und unter anderem die amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel zuverlässig zu ihren Zielen brachte. Nach seinem Umbau wird dieser Airbus als neuer "ZERO-G" für künftige Parabelflugkampagnen genutzt.

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