Kollision mit Schleppseil: UL stürzt in Maisfeld

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Eine D4 Fascination startete um 17:57 Uhr auf der Asphaltpiste 10 am Flugplatz Münster-Telgte (EDLT) mit zwei Personen an Bord zu einem lokalen Übungsflug. Wenige Minuten später, gegen 18:03 Uhr, startete eine TL 96 Sting mit einem Segelflugzeug im Schlepp auf der Graspiste 10 in Münster-Telgte.

Identifikation

  • Art des Ereignisses: Unfall
  • Datum: 14. September 2014
  • Ort: Münster-Telgte
  • Luftfahrzeuge: 1. Ultraleichtflugzeug; 2. Ultraleichtflugzeug
  • Hersteller / Muster: 1. W.D. Flugzeugbau Leichtbau GmbH / D4 Fascination; 2. TL Ultralight / TL 96 Sting
  • Personenschaden: zwei Personen tödlich verletzt
  • Sachschaden: 1. Ultraleichtflugzeug zerstört; 2. Ultraleichtflugzeug leicht beschädigt
  • Drittschaden: Flurschaden

Ereignisse und weiterer Flugverlauf

Gegen 18:13 Uhr befanden sich beide Luftfahrzeuge im Anflug auf die beiden parallel verlaufenden Pisten 10. Während die D4 Fascination in einem verkürzten Queranflug von Süden kommend die Asphaltpiste 10 ansteuerte, flog die TL 96 Sting mit angehängtem Schleppseil über die Nordplatzrunde die Graspiste 10 an.

Nach übereinstimmenden Aussagen von mehreren Zeugen touchierte das Schleppseil der TL 96 Sting im kurzen Endanflug die D4 Fascination, worauf diese nach der Seite abkippte und aus 120 bis 150 ft Höhe auf den Boden prallte und ausbrannte. Die beiden an Bord befindlichen Luftfahrzeugführer wurden schwer verletzt und verstarben binnen einer Woche im Krankenhaus.

Der Pilot der TL 96 Sting gab an, im Endanflug ein “Rucken” gespürt zu haben. Er startete daraufhin durch, flog eine Platzrunde und landete, nachdem er das Schleppseil auf der Graspiste abgeworfen hatte. Der Flugleiter gab an, dass zum Unfallzeitpunkt die TL 96 Sting ihren Anflug aus nördlicher Richtung gemeldet hatte. An weitere Funksprüche konnte er sich nicht erinnern.

Dass ein Flugzeug abgestürzt ist, habe er durch einen Funkspruch erfahren. Zum Unfallzeitpunkt habe er sich “vor der Segelflughalle ungefähr 50 Meter westlich des Turms” befunden, von wo aus der Anflug auf die Landerichtung 10 nicht eingesehen werden könne. Zwei Zeugen, die sich nach eigenen Angaben ca. 1.500 Meter hinter den beiden kollidierten Luftfahrzeugen im Anflug auf die Piste 10 befunden hatten, sagten aus, das Unfallgeschehen beobachtet zu haben.

Einer der beiden Zeugen, der verantwortliche Luftfahrzeugführer, gab zu Protokoll, dass der Pilot der D4 Fascination “jeden Richtungswechsel deutlich per Funk angekündigt hat”. Auch “die Ankündigung des Richtungswechsels für den unmittelbaren Landeanflug” habe er deutlich gehört. Durch seine Position mit der Sonne im Rücken, habe er freie Sicht ohne Einschränkungen in Landerichtung gehabt.Das Titelbild zeigt den Flugplatz Münster-Teltge mit Unfallstelle (Foto: Polizei/ BFU). Abb. 2 zeigt die Flugwege und die Unfallstelle (Quelle: DFS/ BFU).

“Kurz vor der Straße” sei aus der nördlichen Segelflugplatzrunde das Schleppflugzeug gekommen und habe sich vor das verunglückte Flugzeug gesetzt. Der zweite an Bord befindliche Zeuge bestätigte im Kern die Aussagen des Piloten und ergänzte, dass sich die D4 Fascination im “kurzen Queranflug” gemeldet habe. Weitere Zeugen gaben an, dass das Rettungsgerät der Fascination während des Abkippens ausgelöst worden sei, sich der Schirm wegen der geringen Höhe aber nicht mehr öffnen konnte.

Nach Aussage einer weiteren Zeugin (Startleiterin Segelflugbetrieb) habe sich das Schleppflugzeug in der Nordplatzrunde zur Landung per Funk angekündigt. Es habe dann in einer 180-Grad-Kurve am Ende des Rollfeldes zur Landung angesetzt. “Plötzlich” habe sie dann das zweite Flugzeug bemerkt, dass sie als etwas tiefer fliegend wahrgenommen hatte. Von diesem Flugzeug habe sie “keine Funkdurchsagen” gehört. Weiter sagte sie aus, dass das Schleppseil gegen den Propeller des tiefer fliegenden Luftfahrzeuges stieß, dieses daraufhin zur Seite abkippte und “mit der Nase voran” auf den Acker prallte.

Angaben zu Personen

Insassen der D4 Fascination

Der auf dem linken Sitz befindliche 57-jährige Luftfahrzeugführer war seit dem 18.10.1996 im Besitz eines Luftfahrerscheins für Luftsportgeräteführer zum Führen von aerodynamisch gesteuerten Ultraleichtflugzeugen. In die bis zum 10.09.2019 gültige Lizenz war die Passagierflugberechtigung eingetragen. Das Tauglichkeitszeugnis Klasse 2 war bis 19.05.2015 datiert. Es enthielt mit dem Eintrag “VNL” die Auflage, eine Sehhilfe zu tragen und eine Ersatzbrille mitzuführen.

Der auf dem rechten Sitz befindliche 49-jährige Luftfahrzeugführer war seit dem 05.12.2002 im Besitz eines Luftfahrerscheins für Luftsportgeräteführer zum Führen von aerodynamisch gesteuerten Ultraleichtflugzeugen. In die bis zum 05.12.2016 gültige Lizenz waren eine bis zum 05.12.2015 gültige Lehrberechtigung zur Ausbildung von Luftsportgeräteführern sowie die Passagierflugberechtigung eingetragen.

Darüber hinaus verfügte er seit dem 16.08.2013 über eine Lizenz für Motorflugzeugführer LAPL (A), ausgestellt nach den Regelungen der Europäischen Union. In die unbefristet gültige Lizenz war die Klassenberechtigung für einmotorige Flugzeuge mit Kolbentriebwerk (SEP land) eingetragen. Das Tauglichkeitszeugnis Klasse 2 war bis 24.08.2016 datiert. Unterlagen und Informationen über die Flugerfahrung beider Luftfahrzeugführer lagen der BFU nicht vor.

Pilot der TL 96 Sting

Der 32-jährige Luftfahrzeugführer war seit dem 25.07.2001 im Besitz eines Luftfahrerscheins für Luftsportgeräteführer zum Führen von aerodynamisch gesteuerten Ultraleichtflugzeugen. In die bis zum 16.03.2017 gültige Lizenz waren eine bis zum 09.07.2016 gültige Lehrberechtigung zur Ausbildung von Luftsportgeräteführern sowie die Passagierflugberechtigung eingetragen.

Darüber hinaus verfügte er seit dem 19.09.2012 über einen national gültigen Luftfahrerschein für Privatflugzeugführer PPL (A) mit dem Eintrag SEP (land), gültig bis 19.09.2017. Ferner war er im Besitz eines unbefristet gültigen Luftfahrerscheins für Segelflugzeugführer. In die erstmals am 31.05.2001 ausgestellte Lizenz war die Berechtigung für Schleppstarts hinter Luftfahrzeugen eingetragen.

Das Tauglichkeitszeugnis Klasse 2 war bis 16.05.2018 datiert. Es enthielt mit dem Eintrag “VDL” die Auflage, eine Sehhilfe zu tragen und eine Ersatzbrille mitzuführen. Am 14.09.14 hatte er insgesamt 27 Flugzeugschlepps mit der TL 96 Sting durchgeführt. Unterlagen und Informationen über die Flugerfahrung lagen der BFU nicht vor.

Angaben zu den Luftfahrzeugen

TL Ultralight / TL 96 Sting

Das Ultraleichtflugzeug TL 96 Sting ist ein zweisitziger, aerodynamisch gesteuerter, freitragender Tiefdecker mit Kreuzleitwerk. Es wurde 2007 mit der Werknummer 07 St 218 des Herstellers TL Ultralight Dobrovskeho CR in Glas- und Kohlefaser-Sandwich-Konstruktion gebaut. Es verfügt über ein Dreibeinfahrwerk und ein gedämpftes Höhenleitwerk. Angetrieben wird es von einem 73,5 kW starken Rotax-912-Motor. Abb. 3 zeigt eine 3-Seiten-Ansicht (Quelle: Hersteller).

Die TL 96 Sting war mit einem Kollisionswarngerät ausgestattet. Das Luftfahrzeug war in Deutschland zum Verkehr zugelassen und in Besitz und Halterschaft eines Vereins. Die letzte Prüfung der Lufttüchtigkeit erfolgte am 21.10.2013. Informationen zur Betriebszeit lagen der BFU nicht vor.

W.D. Flugzeugbau Leichtbau GmbH / D4 Fascination

Das Ultraleichtflugzeug D4 Fascination ist ein freitragender Tiefdecker mit Kreuzleitwerk in Glas- und Kohlefaser-Sandwichbauweise. Es wurde 1999 mit der Werknummer 046 des Herstellers W.D. Flugzeugbau Leichtbau GmbH hergestellt. Angetrieben wird es von einem 73,5 kW starken Rotax-912-Motor mit einem Constant-Speed-Verstellpropeller. Das Flugzeug war in Deutschland zum Verkehr zugelassen und wurde in privater Halterschaft betrieben. Die letzte Prüfung der Lufttüchtigkeit erfolgte am 04.05.2014. Abb. 4 zeigt eine 3-Seiten-Ansicht (Quelle: Hersteller). Informationen zur Betriebszeit lagen der BFU nicht vor.

Meteorologische Informationen

Auf dem Flugplatz Münster-Telgte herrschten zur Unfallzeit Sichtflugbedingungen mit einer Lufttemperatur von 20 Grad Celsius und Sichtweiten von über 10 km.

Die Windstärke wurde mit ca. vier Knoten aus 30 Grad angegeben. Die Routinewettermeldungen (METAR) für die Flughäfen Münster (EDDG) und Dortmund/Wickede (EDWL) lauteten:

METAR EDDG 141650Z 34002KT 9999 SCT035 20/13 Q1019 NOSIG=

METAR EDLW 141650Z 03006KT 9999 FEW030 19/11 Q1019 NOSIG=

Die Sonne befand sich zur Unfallzeit gegen 18:13 Uhr in einer Position von ca. 260 Grad und einem Winkel von etwa neun Grad über dem Horizont. Ein Zeuge gab an, zum Unfallzeitpunkt direkt in die Sonne geschaut zu haben. Um etwas sehen zu können, habe er “durch seine flache Hand am ausgestreckten Arm die Lichteinwirkung der Sonne zu mindern versucht”.

Funkverkehr

Es bestand Funkverbindung zwischen den Luftfahrzeugen und der Flugleitung von Münster-Telgte. Der Flugplatz verfügt über eine Anlage zur Aufzeichnung des Funkverkehrs. Nach Angaben des Platzbetreibers stand die Anlage am 14.09.14 wegen eines Stromausfalls nicht zur Verfügung.

Angaben zum Flugplatz

Der Verkehrslandeplatz Münster-Telgte (EDLT) liegt ca. fünf Kilometer östlich der Stadt Münster und zwei Kilometer südlich der Stadt Telgte. Er befindet sich in einer Höhenlage von 177 ft AMSL und verfügt über eine 850 Meter lange und 20 Meter breite Asphaltbahn mit der Ausrichtung 010/280 Grad. Nördlich der Asphaltpiste befindet sich eine 990 Meter lange und 50 Meter breite Graspiste, die für den Segelflugbetrieb genutzt wird. Zur Unfallzeit war die Piste 10 in Betrieb.

Nach der Flugbetriebsordnung für den Verkehrslandeplatz Münster-Telgte und den Darstellungen im Luftfahrthandbuch (AIP) befindet sich die Platzrunde für motorisierte Luftfahrzeuge südlich des Platzes. Landeanflüge im Schulbetrieb aus ungewohnter Position sind gemäß der Flugbetriebsordnung nach Ankündigung über Münster-Telgte erlaubt. Landungen von Segelflugzeugen und Schleppmaschinen erfolgen aus der Nordplatzrunde. Für den sicheren Ablauf von Segelflugstarts und Landungen muss ein Startleiter anwesend sein, der von Telgte-Info bestätigt wird.

Flugdatenaufzeichnung

Der BFU standen GPS-Daten sowie Radaraufzeichnungen der TL 96 Sting zur Verfügung. Eine Rekonstruktion des Flugweges war möglich.

Medizinische und pathologische Angaben

Die beiden Insassen der D4 Fascination hatten den Aufprall schwer verletzt überlebt, verstarben aber nach einer Woche im Krankenhaus.

Unfallstelle und Feststellungen an den Luftfahrzeugen

Die Unfallstelle befand sich rund 320 Meter südwestlich des Pistenrandes der Asphaltpiste 10 von Münster-Telgte innerhalb eines Maisfeldes. Abb. 5 zeigt die Unfallstelle mit dem Flugzeugwrack. Das Luftfahrzeug wurde durch die Brandeinwirkung vollständig zerstört vorgefunden, nur der ausgelöste Rettungsschirm war bis auf die verbrannte Ausziehleine unbeschädigt.

Nach Aussagen der Ersthelfer wurde das Wrack bei der Bergung der beiden Piloten zunächst mit Handfeuerlöschern und danach von der Feuerwehr gelöscht. Der Boden im Bereich der Unfallstelle war durch Betriebsstoffe, Löschschaum und verbrannte Composite-Bestandteile kontaminiert. Die Funktion der Steuerorgane sowie die Stellungen von Schaltern und Bedienhebeln konnten aufgrund des brandbedingten Zerstörungsgrades nicht geprüft bzw. nachvollzogen werden.

Bei der TL 96 Sting wurde die Schleppvorrichtung verzogen vorgefunden. Am Schleppseil wurde festgestellt, dass die Umschlingung an dem segelflugzeugseitigen Ringpaar ausgerissen war. Das Ringpaar und eine eventuell vorhandene Sollbruchstelle fehlten.

Brand

Die D4 Fascination fing nach dem Aufprall Feuer und brannte aus.

Beurteilung

Die verantwortlichen Luftfahrzeugführer hatten die erforderlichen Lizenzen zur Durchführung der Flüge. Die Luftfahrzeuge waren ordnungsgemäß zum Verkehr zugelassen und nachgeprüft. Hinweise auf technische Mängel lagen nicht vor.

Nach den vorliegenden Informationen zum Wetter kam der Wind zum Unfallzeitpunkt aus nordöstlicher Richtung und war mit vier Knoten schwach windig. Mit angegebenen Sichtweiten von über 10 km ist davon auszugehen, dass keine Sichteinschränkungen vorlagen.

Aus der Perspektive der aus der Nordplatzrunde anfliegenden TL 96 Sting befand sich die D4 Fascination vor der Sonne und war deshalb nicht oder nur mit erheblichen Einschränkungen erkennbar. Da nur eines der beiden Luftfahrzeuge über ein Kollisionswarngerät verfügte, war eine Warnung bezüglich des Konfliktverkehrs nicht möglich. Der Unfallhergang ließ sich durch die Angaben von Zeugen sowie der Flugwegdarstellung gemäß den GPS- und Radardaten gut rekonstruieren. Abb. 6 zeigt die Flugwege und Unfallstelle (Quelle: BFU/ Google EarthTM).

Beide Luftfahrzeugführer hatten sich nach den Zeugenaussagen zur Landung angemeldet, die Fascination nach einer Zeugenaussage im “kurzen Queranflug” und die TL 96 Sting in der nördlichen Platzrunde. Im Gegensatz zu der Besatzung eines weiteren anfliegenden Motorflugzeuges gaben der Flugleiter und die Startleiterin an, die Meldungen der D4 Fascination nicht gehört bzw. wahrgenommen zu haben.

Ein gegenseitiges Hören und Verstehen der Meldungen aller Teilnehmer am Flugbetrieb (Luftfahrzeugführer, Flugleiter, Startleiter) ist Voraussetzung für den Aufbau eines Bildes der Verkehrssituation in der Platzrunde mit den Positionen der beteiligten Luftfahrzeuge.

Da keine Aufzeichnung des Funkverkehrs erfolgte, ist eine Bewertung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der jeweils gemachten Angaben nicht möglich. Zur Sicherstellung eines geordneten Betriebsablaufes bei Mischbetrieb mit Segelflugbetrieb kommt dem Flugleiter sowie dem Startleiter Segelflug eine besondere Bedeutung zu.

Da die Flugleitung zum Zeitpunkt des Unfalles nicht besetzt war, konnte der Flugleiter den Platzbetrieb nicht hinreichend einsehen, um ggf. Konflikte durch geeignete Informationen an die Piloten zu entschärfen.

Schlussfolgerungen

Der Unfall ist darauf zurückzuführen, dass sich die Luftfahrzeugführer bis zur Kollision nicht wahrgenommen hatten.

Neben generellen Defiziten in der Luftraumbeobachtung und Wahrnehmung bei beiden Luftfahrzeugführern haben folgende Faktoren maßgeblich zu dem Unfall beigetragen:

  • eine unzureichende Kommunikation zwischen den Luftfahrzeugführern untereinander und der Flugleitung Telgte Info, die zur Folge hatte, dass die Beteiligten nicht ausreichend über die Verkehrslage in beiden Platzrunden informiert waren
  • eine nicht besetzte Flugleitung bei Mischbetrieb
  • das Eindrehen der TL 96 Sting aus der Nordplatzrunde in den kurzen Endanflug und den damit verbundenen Einschränkungen zum Erkennen des anfliegenden Verkehrs auf die Asphaltpiste
  • eine Blendung des Piloten der TL 96 Sting durch die Position der Sonne im Queranflug
  • der laut Zeugenaussage verkürzte Anflug der D4 Fascination aus der Südplatzrunde direkt “aus der Sonne” heraus in Bezug auf die aus der Nordplatzrunde eindrehende TL 96 Sting

Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit. Bilder und Quelle, sofern nicht angegeben: BFU

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