Vom 25. bis 26. Februar 2015 veranstalteten die Bundespolizei und der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) den 7. Luftsicherheitstag. Dabei geht es um aktuelle Themen der Sicherheit in der Luftfahrtindustrie und an Flughäfen. Im Rahmen der Sicherheitspolitik sprach auch Ilja Schulz, Präsident der Pilotenvereinigung Cockpit (VC). Auch wenn eine Gewerkschaft auf Luftsicherheitstagen nichts zu suchen habe, betonte Schulz die klare Zielsetzung der VC zur Sicherheit im gewerblichen Luftverkehr beizutragen, wie es beispielsweise mit der Mängelliste für Flughäfen geschieht.
Hier die Rede von Ilja Schulz, leicht gekürzt: Sie alle kennen die Vereinigung Cockpit aus den Medien, wenn es mal einen Streik gegeben hat. Aber wussten Sie auch, dass wir 1969 als Berufsverband gegründet wurden, mit dem Ziel zur Sicherheit im gewerblichen Luftverkehr beizutragen? Da unser Wirken in diesem Bereich nicht jedem von Ihnen bekannt sein dürfte, will ich zunächst noch ein paar mehr Worte über die Vereinigung Cockpit verlieren.
Wir vertreten 9.700 Piloten, ehemalige Piloten und Flugschüler in allen deutschen Fluggesellschaften, im Linien-, Charter-, LowCost- und im Hubschrauberbereich. Die VC betreibt eine aktive Berufspolitik, denn das Fachwissen aus dem Cockpit leistet einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Flug– und Luftsicherheit. Dabei arbeiten über 200 VC- Experten in 15 Arbeitsgruppen mit Behörden, Interessenverbänden, Industrie, Forschungs- und Lehreinrichtungen zusammen. Zudem beschränken wir uns nicht auf Deutschland. Durch unsere Vertreter in den Dachverbänden ECA (European Cockpit Association) und IFALPA (International Federation Of Air Line Pilots Association) agieren wir auch auf europäischer und internationaler Ebene. Und deshalb stehe ich heute vor Ihnen, als Vertreter der deutschen Berufspiloten, die durch ihr Fachwissen tagtäglich einen wichtigen Beitrag zur Flug- und Luftsicherheit leisten. Lassen Sie mich kurz die Luftsicherheitskette darstellen. Verzeihen Sie mir, wenn ich das nun stark vereinfacht aufzeichne, für den Augenblick soll dies aber so genügen.
Wenn Probleme erst an Bord sichtbar werden
Die Luftsicherheitskette beginnt, wenn Personen oder Fracht, die sich an Ort A befinden an einen andern Ort B wollen. Wir bringen sie dorthin und nun kommen Sie ins Spiel, die Bundespolizei und die Sicherheitswirtschaft. Sie sichern, vereinfacht ausgedrückt, die Flughäfen und sorgen dafür, dass nur sichere Personen und Fracht in den Sicherheitsbereich des Flughafens gelangen. Da wir aber immer noch nicht zwischen den Flughäfen A und B “beamen” können, liegt dazwischen der Transportweg mit dem Flugzeug.
Was nun, wenn jemand oder etwas, dass am Flughafen A sicher ist, im Flugzeug nicht mehr sicher ist. Das einfachste Beispiel hierfür ist vielleicht der “Unruly Passenger”. Von Ihnen kontrolliert und völlig gerechtfertigt als sicher eingestuft – anschließend in der Bar noch ein paar Whisky getrunken – kann an Bord schnell eine unangenehme Situation entwickeln. Wir alle wissen auch, dass man zur Bedrohung an Bord nicht unbedingt eine Waffe mit an Bord bringen muss. Ein entsprechend ausgebildeter Kämpfer kann auch völlig ohne Waffen ein Bedrohungsszenario an Bord aufbauen. So entsteht schnell eine Luft- und Flugsicherheitsrelevante Situation. Es reicht also nicht der Blick auf die Flughäfen. Was wir brauchen ist ein möglichst lückenloses und flexibles Sicherheitsnetz im Zusammenspiel von Bundespolizei, Sicherheitswirtschaft und Piloten. Wenig verwunderlich also, dass der Pilot auch formal in die Luftsicherheitskette integriert ist.
Ich möchte an dieser Stelle nicht zu tief in die rechtlichen Vorgaben einsteigen, aber Luftverkehrsordnung, Luftsicherheitsgesetz und die JAR OPS z.B. nehmen den Kommandanten an Bord eines Flugzeuges mit weitreichenden Rechten und Pflichten in die Verantwortung. Nun mögen Sie sich fragen: “Was kann der Pilot denn zur Luftsicherheit beitragen?” Dazu sage ich nur: “Alles ist eine Frage der Perspektive”.
Zurück zu unserem Beispiel des “Unruly Passengers”. Können wir diesen damit verhindern? Nein, das können wir nicht. Aber wir können gemeinsam einen Beitrag leisten die Gefahr einzuschränken und die Auswirkungen zu minimieren. Meine Kolleginnen und Kollegen in der Kabine sind die ersten, die ungewöhnliches Verhalten an Bord entdecken können. Mit ihrer Hilfe mache ich mir als verantwortlicher Kapitän ein Gesamtbild der Situation an Bord. Entsteht eine für die Luftsicherheit kritische Lage und ich befinde mich mit meinem Flugzeug z.B. noch am Boden, so wäre mir jede Hilfe von Ihnen recht. Wir können zwar die beste Bewertung der Situation an Bord vornehmen, die Entfernung gefährlicher Personen aus dem Sicherheitsbereich oder dem Flugzeug ist aber eindeutig Ihr Spezialgebiet.
Bundesweite Rufnummer für Piloten
An dieser Stelle könnten wir uns hervorragend gegenseitig mit den Informationen versorgen, die dem jeweils anderen fehlen. Leider gibt es in Deutschland keine Meldekette, die jederzeit den direkten Informationsaustausch von Pilot und Bundespolizei ermöglicht. Wir brauchen eine bundesweite Rufnummer, eine Hotline zu einem Lagezentrum der Bundespolizei, die jedem Piloten in Deutschland bekannt ist. Der sofortige Kontakt mit Fachleuten hilft den Piloten die richtigen Entscheidungen an Bord zu treffen.
Auf der anderen Seite hilft die direkte Information über die Situation an Bord dem Lagezentrum einen Einsatz optimal zu steuern. Der heute noch mangelnde Informationsfluss wäre damit ohne großen Aufwand zu beheben und beide Seiten, und damit letztlich die Luftsicheheit, würde davon profitieren. Es gibt eine Vielzahl an Beispielen, die den Mehrwert der Perspektive der Piloten belegen.
Nehmen wir z.B. einen Regionalairport, bei dem sich die Bestreifung der Flughafengrenzen auf wenige Ereignisse am Tag beschränkt. Einem Piloten, der mit seinem Flugzeug auf dem Weg zur Startbahn am Zaun entlangrollt fällt vielleicht das Loch im Zaun auf, oder auch Menschen, die sich in einem Flughafenbereich bewegen, an dem eigentlich niemand sein sollte. Wir sehen jeden Tag nicht nur die ́heimischen Flughäfen` und nehmen schon kleinste `Veränderungen` im alltäglich gewohnten Ablauf wahr. Alles wichtige Informationen, die Piloten zur Luftsicherheit beitragen können und die ohne Einbindung der Piloten nicht oder verspätet zu Ihnen gelangen.
Immer Piloten durch Laser geblendet
Auch kommen neue Bedrohungen auf uns zu. Die Zahl der Laserblendungen von Piloten nimmt von Jahr zu Jahr zu. Besonders betroffen sind Hubschraubereinsätze von Polizei und Rettungsdiensten, aber auch im Bereich der Verkehrsflugzeuge verzeichnen wir zunehmend ein Problem. In Hannover ist vor einigen Jahren auf Initiative der Vereinigung Cockpit in enger Zusammenarbeit zwischen Behörden, der Bundes,- und Landespolizei und uns eine Meldekette entwickelt und erfolgreich getestet worden, die einen schnellen Zugriff auf die Täter ermöglicht und damit die Aufklärungsquote steigert.
Vergleichbares gilt für den Einsatz von Drohnen. In England musste ein Rettungshubschrauber abdrehen, weil mehrere mit Kameras ausgerüstete Drohnen von Schaulustigen über dem Unfallort kreisten. In Dubai musste kürzlich aufgrund einer herumfliegenden Drohne der gesamte Flughafen für eine halbe Stunde gesperrt werden. In allen Fällen ist der Austausch aller verfügbaren Informationen essentiell für die Luftsicherheit. Und die Informationen aus den verschiedenen Perspektiven “Landside” und “Airside” ergeben zusammengenommen das vollständigste Bild.
Ein Schwerpunkt der letzten Luftsicherheitstage war das Thema “Verhaltensbeobachtung”. Nicht mehr nur einheitliche Kontrollen für alle, sondern risikobasierte Kontrollen ja nach Bedrohungslage. Auch hier können Piloten und Flugbesatzungen im Allgemeinen einen Beitrag leisten. Ohnehin sind wir schon heute für die Kontrolle jeglichen Personals, das ein Flugzeug betritt, verantwortlich. Die Crews beobachten die Passagiere. Beim Aussteigen aus dem Passagierbus, beim Einsteigen zur Begrüßung, aber auch während des Fluges. Sie werden nicht glauben, was dem jahrelang im Umgang mit Passagieren geschulten Personal so alles auffällt.
Auf Platz 43h sitzt eine Dame, die sich mit zunehmender Flugzeit auffällig nervös benimmt. Ob wegen Flugangst oder weil Sie etwas zu verbergen hat (z.B. weil sie illegal eingeschleust werden soll), können wir an Bord natürlich nicht beurteilen. Aber wir können den örtlichen Verantwortlichen einen Hinweis über ungewöhnliches Verhalten einzelner Passagiere geben. Schließlich hat man auf einem zehn-Stunden Flug ausreichend Zeit, das Verhalten eines Passagiers zu beobachten. Was mich wirklich nachdenklich stimmt ist, dass Piloten in Deutschland leider immer noch viel zu oft als Teil des Problems gesehen werden, und nicht als Teil der Lösung.
Piloten werden wie Passagiere kontrolliert
Es hat z.B. lange gedauert, bis wir wieder zu den Sitzungen der Sicherheitskommissionen an den einzelnen Flughäfen eingeladen wurden. Man hatte uns dort zunächst ausgeladen, da unsere Kritik als Störung aufgenommen wurde anstatt als willkommenes Verbesserungspotential. Und auch jetzt werden wir Piloten vielerorts noch als nicht dazugehörig behandelt, nur weil unsere Perspektive eine andere ist. Dabei haben wir gerade gesehen, wie wichtig es ist, beide Perspektiven zu einem Gesamtbild zusammenzufügen.
Andere Länder sind an dieser Stelle schon viel weiter. In Holland, England, Schweiz, USA & Kanada, um nur einige zu nennen, sind Piloten bei allen relevanten Terminen und Entscheidungen im Bereich der Luftsicherheit selbstverständlich eingebunden. Piloten sind sorgfältig ausgewähltes und ausgebildetes Personal. Sie werden durch ein polizeiliches Führungszeugnis geprüft und laufend der Zuverlässigkeitsüberprüfung unterzogen. Und sie sind für die Sicherheit an Bord eines Flugzeuges verantwortlich. Trotzdem werden Piloten im Flughafenbereich wie Passagiere kontrolliert.
Glauben Sie, dass ich als Pilot eine Axt durch die Sicherheitskontrollen bringen könnte? Sicherlich nicht. Brauche ich auch gar nicht, denn diese ist Bestandteil der Notausrüstung im Cockpit jedes Flugzeuges und ich habe ohnehin ungehinderten Zugriff darauf. Im Cockpit wird mir als Teil der Sicherheitskette vertraut. Wäre es da im Interesse der Sicherheit nicht viel sinnvoller, auf dem Flughafen, anstatt der Sicherheitskontrolle lieber mittels biometrischer Kontrolle sicherzustellen, dass ich auch wirklich der Pilot bin, der diesen Flug durchführen soll?
Was wir in Deutschland brauchen, ist ein regelmäßiger Austausch aller an der Luftsicherheit Beteiligten – Bundespolizei, Sicherheitswirtschaft und Piloten. Wir müssen voneinander lernen und uns gegenseitig die Perspektiven aufzeigen, die der jeweils andere nicht selbst hat. Der Weg zur bestmöglichen Luftsicherheit führt über eine fortlaufende Anpassung von Maßnahmen, je nach Verordnungslage und Bedrohungspotential. Profitieren davon werden wir, die wir Luftsicherheit machen, sowie die Öffentlichkeit, die von uns zu Recht erwartet, dass Fliegen sicher ist und keine Bedrohung darstellt.