Wissenschaftler: Was wird aus der Weltraumforschung

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Exakt 30 Jahre nach dem Start der ersten deutschen Raumfahrtmission “D1” diskutieren auf Einladung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) vom 28. bis 30. Oktober 2015 rund 150 Wissenschaftler in Bonn über Vergangenheit und Zukunft der Forschung im Weltraum.

“Wissenschaftler aus Deutschland haben sich in den vergangenen 30 Jahren ein hohes Maß an Exzellenz erarbeitet, sind im internationalen Vergleich hervorragend positioniert und haben sich vielfach als Vordenker auf neuen Gebieten erwiesen”, sagte Dr. Gerd Gruppe, Vorstand des DLR-Raumfahrtmanagements bei der Eröffnung der Tagung, und ergänzt: “Wir ergänzen und erweitern mit unserer Förderung die Möglichkeiten von Forschung im irdischen Labor.”

Wege in die Schwerelosigkeit

Forschen unter Weltraumbedingungen hat “Tradition” – ob nun im amerikanischen Spacelab in den 1980er Jahren, auf der russischen Raumstation Mir in den 1990er-Jahren oder seit dem Jahr 2000 auf der Internationalen Raumstation ISS. “Dabei ist das Experimentieren auf einer Raumstation in den meisten Fällen die aufwendigste Möglichkeit”, erklärt Dr. Peter Gräf, Leiter der Abteilung “Forschung unter Weltraumbedingungen” im DLR Raumfahrtmanagement und Veranstalter des Symposiums. “Wir gehen damit vor allem fundamentalen Fragen aus Medizin und Biologie, Physik und Materialforschung auf den Grund.”

Neben der Internationalen Raumstation bietet das DLR seit den 1990-er Jahren mit Parabelflügen, Forschungsraketen wie TEXUS, Mitflügen auf unbemannten Forschungssatelliten wie den russischen FOTON- oder BION-Kapseln und Experimenten im Fallturm in Bremen ein breites Spektrum an Fluggelegenheiten. Dabei ergänzen sich die Plattformen: Während beispielweise die Schwerelosigkeit im Fallturm in Bremen nur maximal 9,3 Sekunden lang anhält, ist hier aber die so genannte µ-G-Qualität am besten. Bei den bislang durchgeführten 27 DLR-Parabelflugkampagnen herrscht pro Parabel 22 Sekunden Schwerelosigkeit und es können neben den physikalischen auch medizinische oder andere humanphysiologische Fragen untersucht werden, da die Wissenschaftler und Probanden selbst mitfliegen können.

Die TEXUS-Forschungsraketen “verschaffen” ihren Nutzlasten sechs Minuten Schwerelosigkeit, stellen aber aufgrund ihres hohen Automatisierungsgrads technologisch die größte Herausforderung dar. Die russischen Wiedereintrittskapseln FOTON und BION sind rund drei bis vier Wochen im All und Experimente auf der ISS von Monaten bis zu mehreren Jahren. Im Jahr 2011 gab es mit SIMBOX erste Kooperationsexperimente mit China auf der Shenzhou-8-Wiedereintrittskapsel.

“In den vergangenen 15 Jahren haben wir rund 120 verschiedene Arbeitsgruppen gefördert. Die Ergebnisse dieser Vorhaben wurden in mehr als 1.500 Publikationen in referierten Fachzeitschriften veröffentlicht und sind in mehr als 500 Diplom-, Master- und Doktorarbeiten eingeflossen”, veranschaulicht Peter Gräf und ergänzt: “Diese Zahlen zeigen, dass wir damit einen substanziellen Beitrag sowohl für die Beantwortung wissenschaftlicher Fragestellungen als auch die Nachwuchsförderung in den Naturwissenschaften leisten.” Die Erkenntnisse aus der Weltraumforschung fließen auch immer wieder in konkrete Anwendungen und verbesserte Verfahrenstechniken auf der Erde ein: Zum Beispiel in nicht-invasive Diagnostiken in der Humanmedizin, die ursprünglich bei Astronauten zum Einsatz kamen, wie etwa der Thermosensor zur Messung der Kernkörpertemperatur, oder neue beziehungsweise verbesserte Hochleistungswerkstoffe wie Titanaluminid, das unter anderem in Flugzeugturbinen eingesetzt wird und aufgrund seines geringeren Gewichts den Kerosinverbrauch deutlich senkt.

Auf der Internationalen Raumstation ISS sind seit DOSMAP bis heute rund 90 deutsche Experimente durchgeführt worden. Der deutsche Anteil am ESA-Forschungsprogramm ELIPS liegt damit bei knapp 45 Prozent. Wie auch bei den anderen Plattformen für “Forschung unter Weltraumbedingungen” stammt das Gros der Experimente aus Humanphysiologie (20 Prozent), Materialwissenschaften und Biologie (jeweils 19 Prozent), gefolgt von Physik (25 Prozent, aufgeteilt in Plasma-, Fluid-, Strahlen- und Solarphysik).

Auf den Bildern

AMS: Experiment an der Außenseite der Internationalen Raumstation: Am 16. Mai 2011 transportierte das Space Shuttle Endeavour das Alpha-Magnet-Spektrometer AMS zur Internationalen Raumstation ISS. Dort wurde das vom DLR geförderte Projekt an der Außenseite installiert, um mit ihren Detektoren die kosmische Strahlung zu erfassen (Quelle: NASA).

Symposium zur Forschung unter Weltraumbedingungen: Vom 28. bis zum 30. Oktober 2015 trafen sich rund 150 Wissenschaftler auf Einladung des DLR Raumfahrtmanagements zum nationalen Symposium “Forschung unter Weltraumbedingungen” im LVR-Landesmuseum Bonn. An der Eröffnung nahmen teil: Prof. Hanns-Christian Gunga, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Prof. Dr. Wolfgang Ertmer, DFG Vizepräsident, Dr. Reinhold Ewald, ESA Astronaut, Dr. Gerd Gruppe, Vorstand DLR Raumfahrtmanagement, Dr. Peter Gräf, DLR Raumfahrtmanagement, Stephanie Müller, LVR-LandesMuseum Bonn, und Catharina Carstens, DLR Raumfahrtmanagement.

Start TEXUS 50: TEXUS 50 ist am 12. April 2013 um 06:25 Uhr MESZ vom Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Nordschweden mit vier deutschen Experimenten gestartet. Die Forschungsrakete hat bei ihrem Flug eine Höhe von 261 Kilometern erreicht. Dabei herrschte für 06:20 Minuten Schwerelosigkeit.

Ausbau der Omegahab-Anlage: Nach 30 Tagen im All wurde im Mai 2013 die Omegahab-Anlage aus der unbemannte russische BION-M1-Rückkehrkapsel ausgebaut. Damit ging für die deutschen Wissenschaftler das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) geförderte Mini-Ökosystem-Projekt “Omegahab” mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu Ende: Noch nie haben Tiere eine längere Zeitspanne alleine in einem höheren Orbit verbracht (übrige Bilder: DLR CC-BY 3.0).

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