Institute für Design und Instandhaltung: DLR in Hamburg

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Die Luftfahrt der Zukunft steht vor der großen Herausforderung, ihre Emissionen deutlich zu senken. Die Digitalisierung der Luftfahrt eröffnet dafür neue Wege, schon in der Designphase sparsamer Flugzeuge das Gesamtsystem Luftfahrt zusätzlich effizienzsteigernd mitzudenken und später im Betrieb die passgenaue und kosteneffektive Wartung zu revolutionieren.

Mit dem Institut für Systemarchitekturen in der Luftfahrt und dem Institut für Instandhaltung und Modifikation bündelt und erweitert das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nun die Forschungsaktivitäten zur Digitalisierung der Luftfahrt, die vom ersten digitalen Flugzeugentwurf bis zur simulierten Außerdienststellung reicht. Die DLR-Vorstandsvorsitzende Prof. Pascale Ehrenfreund und der DLR-Luftfahrtvorstand Prof. Rolf Henke eröffneten jetzt in Hamburg gemeinsam mit Dirk Wiese, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, und Olaf Scholz, Erster Bürgermeister und Präsident des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, beide DLR-Institute im Zentrum für angewandte Luftfahrtforschung (ZAL).

Hamburg bietet zudem die Nähe zu einem der weltweit größten Standorte der zivilen Luftfahrt für die zwei neugegründeten DLR-Institute. Im ZAL solle eng mit den Industriepartnern in der anwendungsorientierten Forschung zusammengearbeitet werden. Die beiden neuen Hamburger DLR-Institute sollen unter dem ‘Dach der Digitalisierung der Luftfahrt’ die Komplexität von Luftfahrzeugen über den gesamten ‘digitalen Faden’ abbilden – vom Entwurf, über Produktion und Betrieb bis hin zur Ausserbetriebsetzung.

Digitaler Entwurf und digitaler Zwilling

Das Institut für Systemarchitekturen in der Luftfahrt untersucht dabei schwerpunktmäßig die Themen digitaler Entwurf und dessen Verbindung zur digitalen Produktion, um Luftfahrzeuge mithilfe digitalisierter Prozesse ideal auslegen und fertigen zu können (‘Digitales Flugzeug’). Dabei rücken die Wechselwirkungen zwischen einzelnen Systemebenen in den Fokus der Forschung. Denn das komplexe System Luftfahrt besteht aus vielen Bereichen, die perfekt aufeinander abgestimmt sein müssen – vom Lufttransportsystem als Ganzes über das einzelne Flugzeug bis hin zur Produktion seiner Einzelteile.

Das Institut für Instandhaltung und Modifikation befasst sich mit dem Betrieb von Luftfahrzeugen, darunter vor allem mit der Weiterentwicklung von Instandhaltungsprozessen und –technologien sowie dem Lebenszyklusmanagement (‘Digitaler Zwilling’). Dabei wird es erstmals den ganzen Wartungsprozess von der Untersuchung und dem Monitoring einer Struktur, über die Ableitung der Maßnahme bis hin zu deren Durchführung abdecken, wobei innovative Technologien wie Augmented Reality und 3D-Druck-Verfahren in den Fokus rücken.

Ergänzt wird die Arbeit beider Hamburger Institute durch Konzepte und Entwicklungen in den Bereichen Hochleistungsrechnen, Simulationsumgebungen und Softwaremethoden des Instituts für Softwaremethoden zur Produkt-Virtualisierung in Dresden. Das Institut für Test und Simulation für Gasturbinen, welches in Augsburg neu gegründet wurde, ergänzt das Portfolio um das ‘Virtuelle Triebwerk’, die komplexeste Komponente im Flugzeug, die sich ihrerseits auf die Softwaremethoden aus Dresden stützt und bei den Instituten für Systemarchitekturen sowie Instandhaltung und Modifikation integriert wird.

Forschung für die Wirtschaft

Indem Forschungseinrichtungen wie die beiden DLR-Institute für Instandhaltung und Modifikation sowie für Systemarchitekturen in der Luftfahrt institutionell gegründet werden, wird auch der Wirtschaft eine leistungsfähige Forschungsinfrastruktur zur Verfügung gestellt. Hamburg soll einen High-Tech-Schwerpunkt für Digitalisierung erhalten – ein Thema, das alle Wirtschaftsbereiche immer mehr durchdringt. Das ZAL ist ein Ort für innovative Ideen, aus denen am Ende neue Produkte für die Luftfahrtindustrie entstehen.

Abteilungen beider neuen Institute

Das Institut für Systemarchitekturen in der Luftfahrt wird zunächst über drei Abteilungen verfügen, für die in den nächsten Jahren insgesamt rund 80 Mitarbeiter geplant sind: Die Abteilung für Flugzeugentwurf und Systemintegration erforscht Entwicklungsprozesse für virtuelle Produkte im Gesamtsystem Luftfahrt. Die digitale Durchgängigkeit und daraus folgend die Möglichkeit, die Grenzen zwischen den Teilsystemen aufzulösen, bergen dabei das Potenzial für innovative und potentiell revolutionäre Lösungen.

Die Abteilung Automatisierung, Energie und Sicherheit untersucht darauf aufbauend die Integration von neuen Technologien, welche signifikante Verbesserungen versprechen. Diesen Technologien ist gemein, dass sie umfassende Änderungen in den Wechselwirkungen der Teilsysteme der Luftfahrt, der so genannten Systemarchitektur, erfordern. Die Abteilung Kabine und Nutzlastsysteme legt ihren Fokus auf systemische Fragestellungen rund um den Flugzeugrumpf und damit auf eine Kernkompetenz der Industrie in Deutschland und Hamburg.

Im Zusammenspiel der drei Abteilungen sollen Flugzeuge mit intelligenten Technologien erforscht werden, die durch die Anforderungen künftiger Passagiere getrieben sind, sich in zukünftigen Fabriken effizient produzieren lassen und gleichzeitig Maxima sowohl hinsichtlich der ökologischen Kompatibilität als auch hinsichtlich der Sicherheit im zukünftigen Betrieb erreichen.

Beim Institut für Instandhaltung und Modifikation sind ebenso rund 80 Mitarbeiter verteilt auf drei Abteilungen geplant. Die Abteilung für Prozessoptimierung und Digitalisierung erforscht, wie der Zustand eines Flugzeuges in einem digitalen Zwilling kontinuierlich und vollständig abgebildet, nachvollzogen und vorhergesagt werden kann. Zudem werden Wartungsprozesse so optimiert, dass sie effektiv mit einem solchen digitalen Zwilling interagieren können.

Die Abteilung für Wartungs- und Reparaturtechnologien legt den Forschungsschwerpunkt darauf, wie derart optimierte Prozesse zu einer modularen Prozesskette mit reibungslosem Ablauf und Informationsaustausch verknüpft werden können und wie ein digitaler Zwilling als Prozessschnittstelle zu gestalten ist. Zudem wird erforscht, wie Verfahren der additiven Fertigung für Reparatur und Retrofit zukünftig in die Flugzeugwartung integriert werden können.

Der Fokus der Forschungsarbeiten der Abteilung Produktlebenszyklus-Management liegt auf der durchgängigen Betrachtung des Flugzeuglebenszyklus. Dabei sollen vor allem langfristige ökonomische und ökologische Folgen neuer Instandhaltungskonzepte, -maßnahmen und -technologien sowie von Produktmodifikationen und -retrofits unter Anwendung des digitalen Zwillings bestimmt, überwacht und vorhergesagt werden.

Ansiedlung im ZAL

Für die industrienahe Forschung ist eine sehr enge Zusammenarbeit mit den relevanten Unternehmen aus Industrie und Mittelstand erforderlich. Aus diesem Grund ist das Institut im Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung in Hamburg (ZAL) beheimatet. Das DLR hat hier die Möglichkeit, gemeinsam mit einer Vielzahl von Industriepartnern aus dem Luftfahrtbereich, darunter sowohl Airbus und Lufthansa Technik als auch Zulieferer und Start-Ups, im selben Gebäude und an gemeinschaftlich genutzten Großversuchsträgern zu forschen.

Eine enge Abstimmung der aufzubauenden Forschungskompetenz für eine bestmögliche Verwertbarkeit der Forschungsergebnisse bei den Industriepartnern hat bereits begonnen. Über die regionale Vernetzung hinaus wird partnerschaftliche Forschung mit einer Vielzahl nicht nur deutscher, sondern auch internationaler Unternehmen angestrebt.

Die neuen Hamburger Institute werden jährlich mit zehn Millionen Euro durch den Bund und die Stadt Hamburg finanziert, der Bund trägt dabei 90 Prozent. Die Stadt Hamburg stellt darüber hinaus in der Aufbauphase zwei Millionen Euro für Investitionsmaßnahmen bereit.

Gesamtforschungsziel Virtuelles Produkt

Die DLR-Forschung zur Digitalisierung der Luftfahrt ist dem Gesamtforschungsziel des ‘Virtuellen Produkts’ verpflichtet. Darunter fügen sich drei wesentliche Digitalisierungsstränge zusammen: Das ‘Digitale Flugzeug’, das eine numerische Beschreibung aller Eigenschaften eines Flugzeugmusters über Entwurf, Erprobung, Herstellung und Zertifizierung darstellt.

Der ‘Digitale Zwilling’, der eine hochgenaue digitale Beschreibung eines individuellen Flugzeugs darstellt, anhand der operationelle Aspekte, Wartung und Instandhaltung nachvollzogen und geplant werden. Und der ‘Digitale Faden’, der die Durchgängigkeit aller Daten und Prozesse eines Flugzeugs über den gesamten Lebenszyklus ermöglicht. Insgesamt gründet das DLR sieben neue Forschungsinstitute zu den Themen Systemarchitekturen, Instandhaltung, Virtuelles Triebwerk, Software, Data Science, maritime Sicherheit und Energiesystemanalyse.

Auf den Bildern: Das Virtual Reality Lab im ZAL Tech Center ermöglicht bis zu 30 Betrachtern gleichzeitig virtuelle Modelle in der Entwicklung zu diskutieren; Prof. Pascale Ehrenfreund bei der Eröffnung der beiden neuen DLR-Institute in Hamburg. Die Digitalisierung der Luftfahrt eröffnet neue Wege, schon in der Designphase effizienterer Flugzeuge das Gesamtsystem Luftfahrt zusätzlich effizienzsteigernd mitzudenken und später im Betrieb die passgenaue und kosteneffektive Wartung zu revolutionieren; die Stele der neuen Institute (von links nach rechts): Björn Nagel, Prof. Pascale Ehrenfreund, Prof. Hans-Peter Monner, Olaf Scholz, Prof. Rolf Henke und Dirk Wiese neben der Stele der neuen Institute.

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