Auf Bestellung vollautomatisch ein Päckchen quer durch die Stadt aus der Luft erhalten. Das ist die Vision, für die die NASA/DLR Design Challenge in diesem Jahr innovative Lösungen suchte. Sieben Studierendenteams zeigten Ende August beim finalen Symposium des deutschen Wettbewerbsteils mit Kreativität und vielfältigen Ideen, wie die Zukunft der Logistik in urbanen Räumen per unbemannter Luftfahrzeuge, Paketstationen und Landeplattformen aussehen kann. Mit dem ersten Platz prämierte die Jury des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) das Konzept Urban Ray der RWTH Aachen. Es folgten die Universität Stuttgart mit aERO auf Platz zwei und die TU-München mit Mercurius auf Platz drei. Gastgeber der Abschlussveranstaltung für die Teams in Deutschland war das Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) in Hamburg.
„Die NASA/DLR Design Challenge vereint viele wichtige Aspekte: Es geht um Nachwuchsarbeit, um Kooperation der Großforschung mit den Universitäten, um neue Entwürfe, Ideen, Inspiration und die für uns bedeutende transatlantische Kooperation“, betonte Prof. Rolf Henke, DLR-Vorstand für Luftfahrtforschung und Juryvorsitzender auf der Veranstaltung in Hamburg. „Gewinner sind dabei alle Teilnehmenden, die die Erfahrung mitnehmen, sich im Team einem Wettbewerb zu stellen und gemeinsam die persönliche Leistung abzurufen. Dabei hat es uns als Jury dieses Jahr besonders gefreut, wie die Studierenden trotz der schwierigen Zeit der Corona-Pandemie sieben tolle Konzepte eingereicht haben.“
Gesamtkonzept mit Geschäftsmodell
Die Herausforderung des Wettbewerbs in diesem Jahr war ein effizientes und stadttaugliches unbemanntes Fluggerät samt Bodenstationen, Bodenlogistik, Sicherheitskonzept und Geschäftsmodell zu entwickeln. Dabei mussten die Studierenden berücksichtigen, dass ihre Paketdrohne kleine Päckchen von bis zu 2,5 Kilogramm in eine Entfernung von bis zu 15 Kilometern direkt befördert und dabei auch bei Seitenwind sicher auf sehr beschränkten Plattformen starten und landen kann. Die Flughöhe wurde auf 120 Meter angesetzt, einem Teil des städtischen Luftraums, der bisher weitgehend ungenutzt ist und damit vielfältige Möglichkeiten für unbemannte Fluggeräte bei entsprechend zusätzlicher Regulierung ermöglicht.
NASA und DLR richten den Studierendenwettbewerb mittlerweile im vierten Jahr parallel in den USA und in Deutschland aus. Aufgrund der Corona-Pandemie arbeiteten die Studierenden in diesem Jahr großteils digital in den Teams zusammen und absolvierten auch das Auftaktmeeting als Videokonferenz. Beim finalen Symposium in Hamburg konnten nun jeweils zwei Mitglieder pro Team vor Ort sein, um das gemeinsam erstellte Konzept zu präsentieren. Die restlichen Teammitglieder verfolgten die Veranstaltung online. Der Preis, eine Reise für das Gewinnerteam in die USA mit einem Besuch bei der NASA, wurde bedingt durch die Pandemie auf 2021 verschoben. Im Herbst sind die teilnehmenden Studierenden an den DLR-Standort Braunschweig eingeladen.
Für die NASA/DLR Design Challenge 2020 hatten sich auf deutscher Seite 37 Studierende verteilt auf sieben Teams aus sechs Hochschulen angemeldet. Die drei prämierten Beiträge im Einzelnen:
1. Platz: RWTH Aachen mit Urban Ray
Das Konzept Urban Ray der RWTH Aachen besteht aus einem vollautonomen, elektrischen UAS (unbemanntes Luftfahrtzeugsystem) in Blended-Wing-Body-Konfiguration, das über einen getrennten Antrieb (Rotoren) für den Schwebeflug und den Vorwärtsflug verfügt. Dies ermöglichte dem Team eine innovative, schubbasierte Lösung für die Flugsteuerung zu entwickeln, bei dem auf herkömmliche Steuerflächen verzichtet wird. Weiterhin kombiniert das Design ein Fallschirmsystem mit einer stoßabsorbierenden Struktur aus Schaumstoff, um die hohen Sicherheitsanforderungen für den Einsatz eines solchen Systems in innerstädtischen Gebieten zu erfüllen.
Die vertikale Start- und Landefähigkeit ermöglicht zudem den Einsatz von kleinen Plattformen bei gleichzeitig hoher Reisegeschwindigkeit. Für den Aufbau eines dichten und anpassungsfähigen Netzwerks wurde deshalb eine modulare Plattformfamilie entwickelt. Diese beinhaltet eine einfache, faltbare Plattform bis hin zu einem zentralen Hub, der über ein vollautomatisiertes System zur Paketbeladung, -lagerung samt Batteriewechsel verfügt. Urban Ray soll im Rahmen eines Pay-per-Use-Modells als Dienstleistung für Paketlogistikunternehmen und weitere Kunden, die beispielsweise Konsumgüter oder Gesundheitsprodukte verkaufen, angeboten werden.
2. Platz: Universität Stuttgart mit aIRO
Das Konzept aIRO des Teams der Universität Stuttgart ist ein unbemanntes Luftfahrzeugsystem (UAS), bestehend aus einer Paketdrohne mit vier Tragflächen, acht Rotoren und einem markanten roten Seitenleitwerk, wobei die Verbindung zum Bord- und Steuerungscomputer am Boden per Echtzeit-5G-Kommunikation aufrechterhalten wird, was deutliche Gewichtseinsparungen beim Fluggerät bringt. Ein Secondary Flight Control Computer an Bord sichert die Drohne im Falle eines Verbindungsproblems ab.
Die Kombination einer Tandem- und Multicopter-Konfiguration mit leisen, elektrisch angetriebenen Kipprotoren nutzt für eine optimale Energieversorgung ein hybrides Energiesystem, bestehend aus Lithium-Schwefel-Batterien (LiS) und Lithium-Ionen-Kondensatoren. Die redundanten Systeme der Vertikalen Start- und Landefähigkeiten (VTOL) sind das Herz von aIRO. Bodenstationen in der Größe zweier Standardparkplätze können flexibel im städtischen Bereich verteilt werden. Das Risiko für Personal und Anlagen am Boden wird durch ein umfassendes Sicherheitskonzept auf ein Minimum reduziert: Ein hochleistungsfähiges, bodengestütztes Passivradar-Erkennungs- und -Vermeidungssystem (DaA) liefert Input für die Flugwegkontrolle via 5G-Netz.
3. Platz: TU München mit Mercurius
Das Design der Mercurius-Drohne des Teams der TU München konzentriert sich auf maximale Effizienz bei minimalem Gewicht. Zwei feste vordere Propeller und sechs hintere schwenkbare Oberflügelpropeller vereinen die widersprüchlichen Anforderungen an Schwebeflug und Horizontalflug. Konstruktionsmerkmale wie abgesenkte Winglets oder Oberflügelstützen führen zu guten Strömungseigenschaften. Das hybride Antriebssystem aus einer Brennstoffzelle und einem Lithium-Ionen-Akku ermöglicht eine Einsatzperformance, die für batteriebetriebene Konzepte nicht erreicht wird.
Zusätzlich maximiert es die Flugsicherheit und Energieeffizienz, was zu einem Drittel reduzierter Kosten pro zugestelltes Paket führt. Die Bodenstationen vereinen einen leichten Aufbau mit fortgeschrittener Automatisierung, sodass sie eine schnelle Beladung der Drohnen samt Akkuladung gewährleisten.
TU Dresden mit BeeHive
Das Konzept BeeHive des Teams der Technischen Universität Dresden ist ein kostengünstiges autonomes System, das in der Lage ist, kleine und leichte Fracht bei hohen Geschwindigkeiten innerhalb einer städtischen Umgebung zu platzieren. Es besteht aus zwei Komponenten, der Trägerdrohne genannt Bee (Biene) und der Landeplattform genannt Hive (Bienenstock). Die Biene wird von vier Elektromotoren angetrieben die einen senkrechten Start und eine senkrechte Landung sowie die Abgabe einer Nutzlast von 2,5 Kilogramm ermöglichen über eine Entfernung von 15 Kilometern ermöglicht.
Die Stromversorgung der Motoren erfolgt über Lithium-Ionen-Akkus, die auf der Landeplattform vollautomatisch mit dem Beladen neuer Fracht getauscht werden. Das System erfüllt höchste Standards an Sicherheit, Lärmreduzierung und Effizienz. Es ist einfach skalierbar und kann leicht an die Bedürfnisse der Kunden angepasst werden.
Universität der Bundeswehr München mit eCiconia
Das Konzept eCiconia des Teams der Universität der Bundeswehr München kombiniert die Vertikalstart- und -landefähigkeit (VTOL) mit treibstoffsparender konventioneller Aerodynamik auf Basis von Tragflächen. Der Horizontalflug ermöglicht ein präzises Start- und Landeverfahren auf kleinstem Raum, wobei eine Katapulttechnik energiesparende Starts der Drohne ermöglicht. Eine zentrale Basisstation am Boden arbeitet mit Fließbandbetrieb für die Be- und Entladung der Päckchen sowie den Akkuwechsel.
Ein integriertes Kontrollzentrum ermöglicht einen effizienten und zuverlässigen Betrieb bei minimalem Platz- und Zeitaufwand. Ein attraktives Detail des Konzepts ist die Nutzung bereits bestehender. um eine Landeplattform erweiterter Paketstationen, was eine zuverlässige Paketzustellung ohne Risiken durch Bodenlandungen ermöglicht. Ein kombiniertes Sicherheitssystem, bestehend aus einem Fallschirm und Airbags, beugt Schäden im Falle eines Systemausfalls vor.
TU Hamburg mit HecTO-R
Das Konzept HecTO-R des einen Teams der TU Hamburg ist ein Hybrid zwischen einem Quadcopter und einem Blended-Wing-Heckstarter, der einen vertikalen Start- und Landevorgang (VTOL) mit einem schnellen Reiseflug kombiniert. Die Tragflächen sind optimiert, um stabile und sichere Flugeigenschaften zu gewährleisten und mögliche Unfallrisiken zu minimieren. Um die Luftqualität in Akkus von Licerion High Energy (HE) betrieben, die über eine ausreichende Speicherkapazität für zwei Einsätze verfügen.
Um Masse und Kosten zu reduzieren, werden fast alle Komponenten aus kohlefaserverstärkten Polymeren (CFK) hergestellt. HecTO-R kann sehr flexibel auf klappbaren Stelzen, die sich an der Rückseite des Rumpfes befinden, landen. Der leichte Lademechanismus aus Aluminium ist in den Rumpf integriert, sodass HecTO-R Päckchen fast überall selbständig platzieren kann.
TU Hamburg mit City-Del
Die Paketdrohne des Konzepts City-Del des anderen Teams der TU Hamburg ist vollständig aus kohlefaserverstärktem Polymer, um das Gewicht zu minimieren. Um auf engem Raum zu operieren, verfügt City-Del über einen vertikalen und einen horizontalen Modus. Der Vertikalmodus wird durch acht koaxial angeordnete Rotoren ermöglicht. Dies verleiht der Drohne Manövrierfähigkeit.
Der horizontale Modus wird durch zwei, an den Flügeln montierten Rotoren und einem umgekehrten V-Leitwerk ermöglicht. Während des Einsatzes versorgt ein Akkupaket, bestehend aus 60 Zellen, die Triebwerke und die Avionik mit ausreichend Energie. City-Del enthält einen Kondensator, der die Energieversorgung während des kombinierten Wechsels von Akkus und Ladeeinheit überbrückt.