Airbus Zero G: Für Satelliten und Gleichgewichtssinn im Parabelflug

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Es ist eine europaweit einzigartige Forschungsplattform – der umgebaute Airbus A300 Zero G der französischen Firma Novespace. Von seinem Heimatflughafen in Bordeaux aus ist das Flugzeug mit 35 Wissenschaftlern und elf Experimenten an Bord Richtung Atlantik gestartet. Nach drei Flugtagen mit insgesamt 93 Parabeln und 34 Minuten Schwerelosigkeit ist die 22. Parabelflugkampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) 2013 zu Ende gegangen.

Ulrike Friedrich und Hans-Ulrich Hoffmann sind zufrieden: Die DLR-Projektleiterin für die Parabelflugkampagnen und ihr Stellvertreter sind zwar ein eingespieltes Team, doch ist Forschen in Schwerelosigkeit nie Routine. "Bei der 22. DLR-Kampagne hatten wir insgesamt elf Experimente von deutschen Hochschulen und aus der Industrie an Bord, darunter zwei biologische, drei humanphysiologische, drei physikalische, ein materialwissenschaftliches und zwei technologische

Jedes Experiment ist auf Herz und Nieren geprüft. Um keine wertvolle Parabel-Zeit zu verlieren, muss jeder Handgriff bei den Wissenschaftlern sitzen und natürlich auch die Technik funktionieren", erklärt Ulrike Friedrich. Dabei können die Wissenschaftler ihre Experimente bis zum Flug nur unter den Schwerkraftbedingungen der Erde machen – lediglich in Einzelfällen kann Schwerelosigkeit simuliert werden.

Blutanalysen für die Raumstation ISS

Till Eisenberg und sein Team von "Astrium Space Transportation" beispielsweise haben das Weltraumlabor Immunolab getestet, das 2016 zur Internationalen Raumstation ISS fliegen soll: "Immunolab ist ein Analysegerät, das die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf das Immunsystem sichtbar macht und mit dem die Proben – zum Beispiel Blut, Plasma, Urin, Speichel oder Blutzellen direkt nach ihrer Entnahme analysiert werden können", erklärt Eisenberg.

Bislang mussten derartige Proben zunächst eingefroren und dann bis zur nächsten Rücktransportmöglichkeit zur Erde auf der ISS aufbewahrt werden. Immunolab ist ein erster Schritt in Richtung in-situ-Kontrolle und Überwachung der Gesundheit im All. Während des Parabelflugs haben die Ingenieure kritische operationelle und technische Aspekte in Schwerelosigkeit getestet. "Wir haben zum Beispiel untersucht, wie sich verschiedene Flüssigkeiten kontrolliert austauschen oder mischen lassen und chemische Reaktionen durchgeführt werden können und wie dies manuell und automatisiert in der Schwerelosigkeit funktioniert."

Herzschlag in Schwerelosigkeit verändert

Der deutsche ESA-Astronaut Hans Schlegel erlebte die 22. DLR-Parabelflugkampagne als Proband eines medizinischen Experiments der Medizinischen Hochschule Hannover und des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin. Prof. Jens Tank und seine Kollegen wollten die Kraft eines Herzschlags ohne Einwirkung der Schwerkraft messen und herausfinden, wieviel Blut das Herz mit welcher Beschleunigung bei jedem Schlag transportiert und welche Kraft dazu notwendig ist (Ballistokardiographie). "Wir gehen davon aus, dass das Herz in Schwerelosigkeit mit weniger Kraftaufwand arbeitet", erläutert Tank.

Separationsmechanismus für Nano-Satelliten

In einem mit Netzen abgesperrten Teil des Flugzeugs hatten die Entwickler vom Aerospace Institut aus Berlin ihr Technologie-Experiment installiert: "Wir testen einen elektromechanischen Separationsmechanismus von Nano-Satelliten unter Schwerelosigkeitsbedingungen und haben dazu verschiedene Modelle aufgebaut", beschreibt Norbert Pilz die Situation.

In den Schwerelosigkeitsphasen wurde dazu ein etwa hutschachtelgroßer Dummy-Satellit mehrfach horizontal ausgestoßen und in dem Sicherungsnetz aufgefangen. Dabei haben die Ingenieure den Vorgang der Separation aus verschiedenen Perspektiven gefilmt, um herauszufinden, wie gut die Trennung mit Blick auf Geschwindigkeit und Rotationsrate des Dummy-Satelliten funktioniert hat.

Sportler testen Gleichgewichtsübungen

Wie sich der aufrechte Stand sowie die Kontrolle von Bewegungen und Gleichgewicht in Schwerelosigkeit verändern, haben Prof. Albert Gollhofer und seine Mitarbeiterinnen vom Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Freiburg untersucht. "Wir haben unsere Testpersonen auf eine bewegliche Platte gestellt und ihnen verschiedene Gleichgewichtsaufgaben gestellt, die sie auf einem Bein stehend erledigen mussten", beschreibt Ramona Ritzmann.

Dabei wurden Muskelaktivitäten und neuronale Reflexe getestet. Im All verlieren die Astronauten die Fähigkeit des aufrechten Stands (posturale Kontrolle) – beim Wiedereintritt in das Schwerefeld der Erde müssen sie teilweise das selbständige Gehen und das aufrechte Stehen erst wieder üben. "Unser Ziel ist, ein Gleichgewichtstraining als Gegenmaßnahme für den Abbau der posturalen Kontrolle zu entwickeln, das auch in der Rehabilitationsmedizin auf der Erde angewandt werden kann", sagt Sportwissenschaftlerin Ritzmann.

Parabelflug mit "Fall" nach oben

Für aussagekräftige Testergebnisse brauchten die Forscher zudem exakte Parabeln: "Pro Flugtag fliegen wir 31", berichtet Testpilot Stéphane Pichené. Jede Parabel beginnt mit 20 Sekunden doppelter Erdschwere, gefolgt von 22 Sekunden Schwerelosigkeit, wiederum 20 Sekunden doppelter Erdschwere und dann zwei Minuten Pause in normaler Schwerkraft. Der A300 Zero G steigt innerhalb dieser Zeit steil nach oben bis zu einem Winkel von 47 Grad und einer Höhe von 7.600 Metern, "fällt" dann antriebslos weiter bis auf 8.500 Meter und beginnt dann seinen "Sturzflug" bis auf die normale Flughöhe von 6.100 Metern. Hier herrscht wieder einfache Erdschwerkraft.

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