Hinter einer fünf Meter hohen Glasfassade stehen sie: Zwei mit Elektronik vollgestopfte Hightech-Kugeln, die ein Flugzeug- und ein Hubschrauber-Cockpit beherbergen. Am 05. Juni 2013 hat das Deutsche Zentrum für Luft– und Raumfahrt (DLR) dieses Simulatorzentrum AVES (Air Vehicle Simulator) am DLR-Standort in Braunschweig eröffnet.
Die Eröffnung fand gemeinsam mit der Ministerin für Wissenschaft und Kultur des Landes Niedersachsen Dr. Gabriele Heinen-Kljajic, der Bürgermeisterin der Stadt Braunschweig Annegret Ihbe und dem Vizepräsidenten der Technischen Universität Braunschweig Prof. Dieter Jahn statt.
Die Forscher untersuchen dort zukünftig, wie Piloten mit neuen Techniken im Flug zurechtkommen und wie sie das Pilotentraining im Simulator weiter verbessern können. Die Flugversuchsvorbereitungen für den größten DLR-Forschungsflieger ATRA und den fliegenden Hubschrauber-Simulator (FHS) finden ebenfalls in der modernen Forschungsanlage statt.
Neue Möglichkeiten für die Luftfahrtforschung
"Wir freuen uns, dass das Simulatorzentrum seinen Betrieb aufnimmt und dem DLR mit seinen Partnern nun neue Möglichkeiten in der Flugerprobung zur Verfügung stehen", sagt DLR Luftfahrtvorstand Prof. Rolf Henke, der heute zur Eröffnung eine erste Landung im neuen Simulator absolvierte. "Auch die universitäre Forschung wird sich intensiv an der Nutzung des Simulators beteiligen", so Prof. Henke weiter. Die Gesamtinvestition beläuft sich auf zehn Millionen Euro. Davon hat die Einrichtung Campus Forschungsflughafen von der TU-Braunschweig eine Million Euro getragen. Drei Jahre dauerten die Bauarbeiten.
Die neue Anlage hält einen dynamischen und einen statischen Simulator bereit, zwischen denen die originalgetreu nachgebauten Cockpits eines Airbus A320 sowie eines Eurocopters vom Typ EC-135 ausgetauscht werden können. "Etwa fünf Mal im Jahr wird dieser Wechsel nötig sein, je nachdem wie oft wir das Flugzeugcockpit oder das Hubschraubercockpit bewegt simulieren wollen", erklärt der Leiter des DLR-Instituts für Flugsystemtechnik Prof. Stefan Levedag. Sein Institut baute das moderne Forschungszentrum auf und wird es zukünftig betreiben.
Realitätsnahe Bewegungen bei Flugmanövern
Bei einem Blick von außen in das neue Gebäude fällt sofort die bewegliche, auf sechs Beinen stehende Simulatorkugel auf. "Die Piloten werden in der modernen Anlage mit realitätsnahen Flugmanövern bei einer Rundumsicht von 240 Grad sehr nahe an einen echten Forschungsflug heranreichen", beschreibt Levedag. Der dynamische Simulator mit immerhin 14 Tonnen Traglast kann Bewegungsabläufe etwa bei Landestößen, Turbulenzen und Scherwinden realitätsnah wiedergeben.
Bei den schnellen Manövern wirkt eine Beschleunigung von bis zu einen g auf die Piloten im identisch nachgebildeten Cockpit. Für Flugsimulationen, die ohne Bewegungsmanöver auskommen, steht der festinstallierte Simulator zur Verfügung. Ein Cluster mit 60 Rechnern bespielt die jeweils 15 LED-Projektoren in den Simulatoren und steuert das elektrische Bewegungssystem mit höchster Präzision. Cockpitwechsel im Simulatorzentrum
Erprobung von Nurflüglern und anderer neuer Konzepte
"Ein Ziel ist es, neue Flugzeugkonfigurationen im Simulator zu untersuchen", erklärt Levedag. "Beispielsweise interessieren wir uns für die technischen und fliegerischen Herausforderungen, die ein sogenannter Nurflügler mit sich bringt." Dabei handelt es sich um einen dreieckförmigen Flugzeugentwurf, der bei einer Spannweite von bis zu einhundert Metern etwa 750 Passagiere in einem deutlich breiteren Rumpf aufnimmt.
Mit AVES können futuristische Flugzeugkonzepte aber auch Modifikationen klassischer Flugzeuge auf ihre Flugeigenschaften hin untersucht werden. "Beide Simulatoren sind flexibel programmierbar mit einer eigens im DLR entwickelten Software", betont Levedag. "Das unterscheidet sie von herkömmlichen Flugtrainingssimulatoren, die auf bestimmte Flugzeugtypen festgelegt sind."
Erste Forschungsvorhaben
Eines der ersten Projekte am neuen Simulatorzentrum wird sich mit besonderen fliegerischen Herausforderungen für Piloten beschäftigen. In Zusammenarbeit mit der Abteilung Luft– und Raumfahrtpsychologie des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin sollen neue Trainingskonzepte für das fliegende Personal untersucht werden.
Im Bereich Hubschrauber stehen Themen wie die Untersuchung einer Active-Stick-Steuerung, Unterstützungssysteme für Flug und Landung bei schlechtem Wetter sowie Schiffsdecklandungen auf der Forschungsagenda.