Netz wird dichter: Galileo für Navigation und Banking

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Am 12. Dezember fliegen vier weitere Galileo-Satelliten in den Weltraum. Die Satelliten aus dem Bremer Hause OHB mit Kindernamen leisten Dienste, die Notsignale schneller an Rettungsdienste melden oder Überweisungen über das Online-Banking sicher machen.

Nicole, Zofia, Alexandre und Irina sitzen festgeschnallt und startbereit am Kopf der Ariane-5-Trägerrakete am Startplatz Guyana in Kourou (Französisch-Guyana). Hier handelt es sich aber nicht um Astronauten, die ins All starten wollen. Es sind vielmehr die Namen der Galileo-FOC-Satelliten mit den Seriennummern 15, 16, 17 und 18, die von der OHB System AG, einem Tochterunternehmen des Bremer Raumfahrtkonzerns OHB SE, gebaut wurden und jetzt in den Orbit gebracht werden sollen. Damit wird die Konstellation des Europäischen Satellitennavigationssystems Galileo weiter ausgebaut.

Wie bei bereits gestarteten Satelliten für den Regelbetrieb verantwortet OHB als Hauptauftragnehmer und Systemführer der Satelliten auch bei diesem Quartett das Satellitenkonzept, die Satellitenplattform, die Integration der Satelliten und deren Verifikation.

Galileo: Dienstleister für viele Anwendungen

Das europäische globale Navigationssystem Galileo geht auf einen Beschluss der Europäischen Union zurück und stellt eine neuartige Infrastruktur für Europa zur Verfügung. Die gegenwärtige geopolitische Weltlage lässt die Entscheidung von damals klug erscheinen, ein unabhängiges Navigationssystem für Europa aufzubauen. Die Hoheit über den Zugang zu lebenswichtigen Datenströmen jederzeit sicherzustellen ist in volatilen Zeiten wie aktuell von immenser Bedeutung.

Neben diesem sehr politisch-strategischen Nutzen des Galileo-Navigationssystems decken die Satelliten jedoch auch eine Reihe von Anwendungen ab, die einen unmittelbaren täglichen Nutzen für den öffentlichen und privaten Bereich der Gesellschaft darstellen.

  • Der “Search and Rescue Service” (SAR) der Galileo-Satelliten hat laut EU das Potenzial, die Dauer dramatisch zu reduzieren, bis Menschen in Not gefunden und gerettet werden können, sowohl zu Wasser als auch an Land. Erste Erfahrungen in Norwegen haben gezeigt, dass ein Zeitvorteil von bis zu 46 Minuten und eine mehr als hundertfach verbesserte Zielgenauigkeit gegenüber bisherigen Systemen besteht.
  • Die verbesserte Genauigkeit und Schnelligkeit der Navigationssignale werden dabei helfen, den Transport von Gütern zu Land, zu Wasser und in der Luft zu optimieren und effizienter zu machen. Positionsdaten unterstützen das Flottenmanagement und die Disposition von Sendungen.
  • Galileo-Navigationssatelliten dienen der Finanzindustrie durch ihre präzisen Atomuhren als Zeitsignal und sind damit ein entscheidender Wert, wenn es darum geht, Überweisungen sowie den Austausch von Dokumenten authentifiziert, sicher und garantiert vertraulich zu machen. Zertifizierte Zeitstempel, die auf das Zeitsignal der Galileo-Uhren zurückgreifen, sind unverzichtbar für Anwendungen wie Online-Banking, E-Commerce, Aktienhandel sowie Versicherungsgeschäfte. Auf ähnliche Weise nutzt auch die Energiewirtschaft diese Zeitstempel, wenn es um die Synchronisation von Stromnetzen geht.
  • Bis zum Jahr 2020 wird das Internet der Dinge (IoT) auf ein Netzwerk von mehr als 50 Milliarden Geräte angewachsen sein. Das Galileo-System wird die Verbindung dieser Geräte durch Informationen über Positions-, Geschwindigkeits- und Zeitdaten überhaupt erst ermöglichen.

Satelliten noch nicht vollzählig

Noch sind jedoch nicht alle Galileo-Satelliten im All. Derzeit sind 14 von OHB entwickelte und gebaute Satelliten im Orbit. Vier werden gerade auf den Start vorbereitet und weitere vier befinden sich noch in Bremen. Weitere zwölf Navigationssatelliten wurden im Auftrag der Europäischen Kommission durch die Europäische Weltraumorganisation (ESA) in der dritten Ausschreibungsrunde geordert. Damit wird auch ein 34. Galileo-Satellit produziert und getestet.

Das Satellitenquartett soll am 12.12.2017 um 19:36:04 Central European Time (18:36:04 UTC) mit Flug VA240 abheben. Dafür wurde zum zweiten Mal eine europäische Ariane 5 ES Trägerrakete mit vier Galileo FOC-Satelliten bestückt. Jeder der vier Satelliten hat beim Start eine Masse von 715 kg. Natürlich verfolgen nicht nur Dr. Paetsch mit seinem Team vor Ort den Start: In Bremen sind die übrigen Teammitglieder und interessierte Kolleginnen und Kollegen wieder eingeladen, den Start gemeinsam zu verfolgen. Per Telefon zugeschaltet werden dann auch wieder die Kollegen in Guyana, die ihre Eindrücke und Erlebnisse live schildern.

Gespannt wird der Start auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der MT Aerospace verfolgt – dem größten deutschen Zulieferer im Ariane-Programm. Die Augsburger sind die Spezialisten für Strukturbauteile und Oberstufentanks der Rakete.

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