Segelflugzeug-Schleppseil löste sich während des Starts

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Das doppelsitzige Segelflugzeug, eine DG 500 ELAN, wurde für den Flugzeugschlepp vorbereitet. Es wurde beobachtet, wie der Schleppzug ungefähr in der Platzmitte abhob und nachfolgend leichte Turbulenzen am Platzrand durchflog, um dann oberhalb einer Waldschneise, die in Verlängerung der Startbahn verläuft, den Schleppvorgang fortzusetzen.

Identifikation

  • Art des Ereignisses: Unfall
  • Datum: 15. April 2012
  • Ort: Laufenselden
  • Luftfahrzeug: Segelflugzeug
  • Hersteller / Muster: Elan Flight / DG 500 ELAN
  • Personenschaden: eine Person tödlich und
  • eine Person schwer verletzt Sachschaden: Luftfahrzeug zerstört
  • Drittschaden: geringer Flurschaden

Ereignisse und Flugverlauf

Bereits beim ersten Anschleppen des Schleppverbandes hatte sich das Schleppseil aus der Bugkupplung des Segelflugzeuges gelöst. Nach Zeugenaussagen war danach unter Aufsicht eines Fluglehrers das Schleppseil erneut eingeklinkt worden, und das Segelflugzeug startete um 15:13 Uhr mit zwei Personen an Bord im Flugzeugschlepp vom Segelfluggelände Laufenselden in Startrichtung 06.

In einer Flughöhe von ca. 45 Meter über Grund löste sich plötzlich das Schleppseil vom Segelflugzeug. Der Verlust des Segelflugzeuges blieb zunächst von der Schleppflugzeugführerin unbemerkt. Sie erhielt über Funk die Information, dass sich das Segelflugzeug aus dem Schleppverband gelöst hatte. Zeugen an der Startstelle beobachteten, wie nach dem Lösen des Schleppseils das Segelflugzeug mit deutlicher Vergrößerung des Anstellwinkels eine Linkskurve flog und es kurz darauf Hindernisberührung mit Baumkronen bekam.

Anschließend stürzte es in den ca. 25 bis 30 Meter hohen Baumbestand eines am Flugplatzgelände angrenzenden Waldes. Das Luftfahrzeug wurde zerstört und die vorn sitzende Person tödlich verletzt. Die Person auf dem hinteren Sitz wurde schwer verletzt aus den Trümmern des Segelflugzeuges geborgen. Das Titelbild1 zeigt die Unfallstelle mit dem Flugzeugwrack.

Angaben zu Personen

Der 69-jährige Pilot war seit Oktober 1958 im Besitz eines unbefristet gültigen Luftfahrerscheins für Segelflugzeugführer. Sein Tauglichkeitszeugnis Klasse 2 war bis zum 02.10.2012 gültig. Er besaß die Berechtigungen zum Führen von Segelflugzeugen, Segelflugzeugen mit Hilfsantrieb und Reisemotorseglern in den Startarten: Schleppstart hinter Luftfahrzeugen, Windenstart und Selbststart.

Er besaß ebenfalls die Ultraleicht-Berechtigung. Seine Gesamtflugerfahrung betrug ca. 3.000 Stunden, davon ca. 100 auf dem betroffenen Muster. In den letzten 90 Tagen führte er drei Flüge mit einer Flugzeit von ca. zwei Stunden auf der DG 500 durch. Die 56-jährige Person auf dem hinteren Sitz des Segelflugzeuges war seit Juni 1986 im Besitz eines unbefristet gültigen Luftfahrerscheins für Segelflugzeugführer.

Ihr Tauglichkeitszeugnis Klasse 2 hatte eine Gültigkeit bis zum 04.12.2012. Sie besaß die Berechtigungen zum Führen von Segelflugzeugen, Segelflugzeugen mit Hilfsantrieb und Reisemotorseglern in den Startarten: Schleppstart hinter Luftfahrzeugen, Windenstart und Selbststart. Die 36-jährige Pilotin des Schleppflugzeuges besaß seit Oktober 1994 einen Luftfahrerschein für Privatpiloten PPL (A). In der Lizenz war eine Schleppberechtigung eingetragen.

Angaben zum Luftfahrzeug

Die DG 500 ist ein doppelsitziges Segelflugzeug in Kunststoffbauweise mit einer Spannweite von 18 m. Das Leergewicht des Segelflugzeuges betrug 380 kg und das maximale Abfluggewicht lag bei 615 kg. Die DG 500 hatte beim Schleppflug ein Abfluggewicht von ca. 519 kg. Das Luftfahrzeug wurde 1994 erstmalig zum Verkehr zugelassen. Es hatte eine Gesamtbetriebszeit von 2.140 Stunden. Die letzte Jahresnachprüfung wurde am 28.08.2011 in einem luftfahrttechnischen Betrieb durchgeführt.

Die Schleppkupplung Tost E 85 wurde vom Luftsportverein im Rahmen der Winterwartung zur Inspektion an den Hersteller geschickt. Für die Schleppkupplung stellte der Kupplungshersteller am 18.01.2012 eine Freigabebescheinigung aus. Das Lufttüchtigkeitszeugnis, der Eintragungsschein zum Luftfahrzeug und die Bescheinigung über die Prüfung der Lufttüchtigkeit waren in den Bordbuchunterlagen vorhanden.

Meteorologische Informationen

Zur Unfallzeit herrschten Sichtflugbedingungen mit geringer Bewölkung. Der Wind kam aus 030° mit 5 kt. Die Lufttemperatur am Boden lag bei ca. 11 °C und der Luftdruck (QNH) betrug 1.006 hPa. Es lagen keine meteorologischen Besonderheiten vor.

Funkverkehr

Es bestand Funkverbindung zwischen dem Piloten und dem Flugleiter am Flugplatz auf der Platzfrequenz 122,475 MHz. Der Funkverkehr wurde nicht aufgezeichnet.

Angaben zum Flugplatz

Das Segelfluggelände Laufenselden verfügt über eine 670 Meter lange Grasbahn in der Ausrichtung 06/24. Zur Unfallzeit war die Start- und Landerichtung 06 in Betrieb.Bild 2 zeigt die Lage des Flugplatzes und der Unfallstelle2.

Fugdatenaufzeichnung

Für den Flugweg konnte eine eingeschränkte Auswertung der aufgezeichneten GPS-Daten vorgenommen werden. Die Aufzeichnungsrate lag bei vier Sekunden. Es war dabei dokumentiert worden, dass das Segelflugzeug bei der Schleppunterbrechung eine Flughöhe von ca. 45 Meter über Grund erreicht hatte. Unter Berücksichtigung der Gleiteigenschaften des Segelflugzeuges ergibt sich für diese Flughöhe bei gleich bleibender Geländehöhe eine mögliche Gleitflugstrecke zwischen 1.350 Meter (Gleitverhältnis 1:30) und 1.800 Meter (Gleitverhältnis 1:40). In Startrichtung des Schleppzuges hinter dem Waldstück fällt die Geländehöhe im Bereich der Ackerflächen um ca. 40 Meter ab. Bild 3 zeigt die Außenlandemöglichkeiten für die DG 500 bei ca. 45 Meter Flughöhe2.

Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug

Die Unfallstelle befand sich ca. 50 bis 60 Meter vom Ende der Bahn 06 entfernt in nordöstlicher Richtung in einem Waldgelände. Beim Sturz durch den Baumbestand waren beide Tragflächen vom Segelflugzeug abgetrennt worden. Das Rumpfvorderteil steckte ca. 30 cm im Waldboden, die Kabinenhaube war zerstört und das Leitwerk war von der Rumpfröhre abgedreht. Bei der Untersuchung des Luftfahrzeuges wurden keine technischen Mängel festgestellt. Die Bugkupplung wurde ausgebaut und zur weiteren Untersuchung sichergestellt.

Medizinische und pathologische Angaben

Der Leichnam des Piloten wurde obduziert. Laut Obduktionsergebnis wurden keine Anzeichen für einen frischen Herzinfarkt, eine Lungenarterienembolie oder einen Schlaganfall festgestellt. Als Todesursache wurden Vielfachverletzungen angegeben, die beim Aufprall des Segelflugzeuges entstanden waren.

Versuche und Forschungsergebnisse

Die Bugkupplung Tost E 85, Seriennummer 152263, wurde am 07.06.2012 bei der Firma Tost GmbH Flugzeuggerätebau, München technisch überprüft. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass beide Versiegelungen für die mechanische Einstellung der Kupplung unversehrt waren und der optische Befund der Bauteile ohne Beanstandungen war. Bilder 4 und 5 zeigen Untersuchungen an der Tost E 851. Die Funktionsüberprüfung in einer werkseigenen Prüfanlage ergab keine abweichenden Werte zur Zugbelastung für das Ausklinken des Schlepphakens und für die Zugkräfte zur Bedienung der Kupplung.

Bei den Versuchen konnte jedoch anschaulich demonstriert werden, dass bereits geringe Vorspannungen auf den Bedienhebel der Kupplung ausreichen, um die Verknieung des Mechanismus so zu verändern, dass eingeklinkte Seile bei einer Zugbelastung, welche unter dem Grenzwert zum Öffnen des Kupplungshakens liegen, ausklinken. Im Betriebshandbuch der Bugkupplung E 85 wird darauf verwiesen, dass bei allen Arbeiten an der Kupplung im Ergebnis immer auf geringe Reibungswiderstände der Betätigungszüge zu achten ist, damit keine unzulässige Minderung der Rückstellkraft beim Schließen der Kupplung eintreten kann.

Beurteilung

Die Luftfahrzeugführer hatten die vorgeschriebenen Lizenzen und Berechtigungen zur Durchführung des Schleppfluges sowie ausreichende Flugerfahrung. Die DG 500 war ordnungsgemäß zum Verkehr zugelassen und nachgeprüft. Die Wetterbedingungen stellten keine größeren Anforderungen an die Durchführung des Flugzeugschlepps.

Das Herausspringen des Schleppseiles aus der Schleppkupplung beim ersten Startversuch kann ein Anzeichen dafür sein, dass der Kupplungsmechanismus in seiner Funktion beeinträchtigt war. Ein unsachgemäßes Einklinken des Doppelringpaares in die Kupplungsöffnung beim ersten Startversuch ist nicht auszuschließen. Die ordnungsgemäße Funktion der ausgebauten Schleppkupplung konnte zweifelsfrei beim Hersteller der Schleppkupplung nachgewiesen werden.

Aufgrund der Tatsache, dass geringe Zugbelastungen auf den Betätigungshebel der Schleppkupplung ausreichen, um einen sicheren Verschluss der Kupplung signifikant zu beeinträchtigen, kann ein mit Vorspannung verlegter Seilzug zur Bedienung der Kupplung als ursächlich für eine unbeabsichtigte Öffnung angenommen werden. Diese Vorspannung der Seilzugkonstruktion sollte nach dem Betriebshandbuch des Herstellers vermieden werden. Um ein ausreichendes Rückstellen der Kupplung zu erreichen, sollte immer darauf geachtet werden, dass möglichst keine zusätzlichen Reibungswiderstände im Betätigungsmechanismus wirken und ausreichend Spiel beim Verlegen der Seilzüge vorhanden ist.

Das Öffnen der Kupplung in der Anrollphase am Boden kann dadurch schlüssig erklärt werden. Das Öffnen der Flugzeugschleppkupplung während des Fluges beider Luftfahrzeuge kann damit jedoch nicht ausreichend beschrieben werden, weil nachweislich die Zugbelastungswerte beim Flugzeugschlepp nicht die Höhe der Zugbelastungswerte eines rollenden Schleppverbandes am Boden erreichen können.

Nur wenn während des Fluges sich über die im Segelflugzeug verlegte Zugvorrichtung eine vorliegende Vorspannung auf den Bedienhebel vergrößern würde, dann könnte es zu einer weiteren Schwächung der Verknieung im Kupplungsmechanismus kommen und nachfolgend wäre ein Öffnen der Schleppkupplung im Fluge möglich. Eine unbeabsichtigte Öffnung der Schleppkupplung durch die Insassen des Segelflugzeuges kann nicht ausgeschlossen werden, erscheint jedoch aufgrund der Flugerfahrung und Sachkenntnis beider Personen als eher unwahrscheinlich.

Schlussfolgerungen

Der Flugunfall ist darauf zurückzuführen, dass der Flugzeugschleppverband in geringer Flughöhe durch das Ausklinken des Schleppseiles getrennt worden war und keine Außenlandung in Verlängerung der Schlepprichtung durchgeführt wurde, sondern bei der Umkehrkurve das Segelflugzeug mit Bäumen kollidierte. Die Ursache für das Ausklinken des Schleppseils war nicht feststellbar.

1. BFU

2. Google EarthTM/BFU

Quelle: Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, Ortszeit.

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