Keime im Hubschrauber: DRF Luftretter verfolgen Viren

Keime im Hubschrauber: DRF Luftretter verfolgen Viren
Keime im Hubschrauber: DRF Luftretter verfolgen Viren
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Der Transport von Patienten nicht nur mit dem Coronavirus, sondern auch hochinfektiösen Erkrankungen wie Influenza, Tuberkulose oder Meningokokken spielt bei der Luftrettung per Hubschrauber eine immer größere Rolle. Bereits im Herbst 2019 hat sich die DRF Luftrettung daher mit diesem Thema beschäftigt und in Kooperation mit dem Deutschen Beratungszentrum für Hygiene (BZH) in Freiburg einen ersten wissenschaftlich begleiteten Feldversuch gestartet.

Im Rahmen des Projekts wurden an Bord der H145 und der EC135 insgesamt 16 Versuchsdurchgänge durchgeführt, davon elf am Boden und fünf in der Luft. Wie groß ist das Gefährdungspotential der Besatzung im Hubschrauber bei Tröpfchenfreisetzungen durch infektiöse Patienten? Breiten sich Erreger von der Kabine in das Cockpit aus? Fragen, die nicht nur während der Corona-Pandemie besonders dringlich waren. Die Ergebnisse der neuen Untersuchung lassen erste Rückschlüsse über die Verbreitungswege zu, auf die das Hygienemanagement der DRF Luftrettung aufbauen kann.

Wie weit kommen Keime im Hubschrauber?

Im Wesentlichen wurden zwei Szenarien abgebildet und im weiteren Verlauf diversifiziert: ein Worst-Case-Szenario, bei dem ein starker Erregerausstoß simuliert wurde, und ein zweiter Aufbau, bei dem ein wechselnder, leichter Erregerausstoß dargestellt wurde. Die Tröpfchenfreisetzung wurde mittels eines Sauerstoffverneblers in Höhe des Patientenkopfes modellhaft nachgebildet. Der Versuch simulierte freigewordene Tröpfchen zum einen analog zum Hustenstoß/Niesen des spontan atmenden Patienten oder einer Person in der Kabine, zum anderen anhand einer (bewussten oder akzidentellen) Diskonnektion des Beatmungsschlauchs.

Mittels Fluoreszenz wurden die Luftströme und somit die Bewegung der Tröpfchen detektiert, die Verteilung wurde mit ultraviolettem Licht sichtbar gemacht. Um Rückschlüsse daraus ziehen zu können, ob und in welchem Umfang Erreger von der Kabine ins Cockpit gelangen, wurden die Versuche sowohl mit als auch ohne einen Vorhang, der das Cockpit von der Kabine trennt, dargestellt.

Ergebnis: Dauer der Freisetzung reduzieren

Im Allgemeinen lässt sich aus den Versuchen ableiten, dass bei einem spontan atmenden Patienten die Gefahr besteht, dass sich die Erreger nicht nur in der Kabine, sondern auch im Cockpit ausbreiten. Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion hängt von verschiedenen Faktoren wie Erregerart, Übertragungsweg und Expositionszeit ab. Im Worst-Case-Szenario, also bei einem massiven Austritt von Tröpfchen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich die Erreger nicht nur in der gesamten Kabine auf den Flächen absetzen, sondern sich auch bei einer fehlenden Abtrennung im Cockpit ausbreiten. Bei Vorhandensein eines Vorhangs setzen sich die Partikel darauf ab.

Beim zweiten Versuchsaufbau, einem kurzen Tröpfchenausstoß, der in der Realität mit einem Husten oder einer kurzen Separation vom Beatmungsschlauch gleichzusetzen ist, findet sich ein Niederschlag um den Patienten herum, aber nicht im Cockpit. Daraus lässt sich folgern, dass die Dauer der Tröpfchenfreisetzung die Reichweite und den Grad der Kontamination bestimmt. Variablen wie Lüftungseinstellung von Heiz- oder Frischluft, Flugrichtung oder Flugmanöver wurden mitberücksichtigt.

Aus den Ergebnissen lassen sich unterschiedliche Maßnahmen bezüglich des Patienten- und Arbeitsschutzes ableiten. Nach dem Transport eines hoch infektiösen Patienten ist eine Reinigung aller Oberflächen in der Kabine dringend erforderlich, da aufgrund des beschränkten Platzes das Kontaminationsrisiko offensichtlich höher ist, als in einem normalen Krankenzimmer. Ein weiterer Schutz kann grundsätzlich durch eine Trennung von Cockpit und Kabine erreicht werden. Für die medizinische Besatzung wird das Tragen der persönlichen Schutzausrüstung als dringend erforderlich angesehen.

Hygienestandards im Hubschrauber

“Das Hygienemanagement der DRF Luftrettung hat es sich zum Ziel gesetzt, die ohnehin in der Notfallmedizin geltenden hohen Hygienestandards über die gesetzlichen Richtlinien hinaus zu optimieren. Vor diesem Hintergrund war auch die Idee dieses wissenschaftlich begleiteten Feldversuchs entstanden. Dass das Thema im Zuge der Corona-Pandemie eine solch aktuelle Brisanz bekommen sollte, war zu Beginn der Versuche nicht abzusehen, macht jedoch umso mehr die Tragweite unserer Arbeit deutlich,” berichtet Raimund Kosa, Koordinator Hygienemanagement bei der DRF Luftrettung, der das Projekt mit Unterstützung des BZH maßgeblich betreut hat. Begleitet wurde das Projekt zudem vom Wissenschaftlichen Arbeitskreis (WAK) der DRF Luftrettung, der u.a. Forschungsideen- und -vorhaben unterstützt, die zur Optimierung der Luftrettung beitragen.

Die DRF Luftrettung hat im Zuge der Corona-Pandemie Maßnahmen zum Schutz ihrer Mitarbeiter und Patienten ergriffen. Dazu zählen neben dem vorgeschriebenen Einsatz von Persönlicher Schutzausrüstung und den strengen Hygienemaßnahmen an den Hubschrauberstationen auch die Intensivierung hygienespezifischer Schulungen der Besatzungsmitglieder. Zum anderen wurden elf EpiShuttles angeschafft. Mit diesen speziellen Isoliertragen sind die Patienten wie auch die Crew optimal geschützt.

Entwicklungsbedarf bei Desinfektion

Die damit ausgestatteten Stationen sind schneller wieder einsatzbereit, da die besonders aufwändige Desinfektion des Hubschraubers nach Einsätzen mit hochinfektiösen Patienten entfällt. Der Patient liegt unter einer durchsichtigen Abdeckung, kann über luftdichte Zugänge an ein Intensivbeatmungsgerät angeschlossen sowie zeitgleich überwacht und behandelt werden.

Der wissenschaftlich begleitete Feldversuch bildet die Grundlage für weitere Arbeiten im Hygienemanagement der DRF Luftrettung. Neben der Cockpit-Separation betrifft ein weiterer Aspekt alternative Desinfektionstechnologien, da es bisher aufgrund der Avionik und der Diversifikation der technischen Einbauten kein von den Luftfahrzeugherstellern freigegebenes Verfahren gibt.

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