DLR-Projekt HorizonUAM: Der urbane Luftverkehr der Zukunft

Design eines Tiltrotor-Lufttaxis mit sechs schwenkbaren Rotoren. Ausgelegt ist dieses Konzept für vier Passagiere und eine Reichweite bis 100 Kilometer. Die maximale Abflugmasse beträgt 2.000 Kilogramm, die Nutzlast 360 Kilogramm und die Reisefluggeschwindigkeit 200 Stundenkilometer.
Design eines Tiltrotor-Lufttaxis mit sechs schwenkbaren Rotoren. Ausgelegt ist dieses Konzept für vier Passagiere und eine Reichweite bis 100 Kilometer. Die maximale Abflugmasse beträgt 2.000 Kilogramm, die Nutzlast 360 Kilogramm und die Reisefluggeschwindigkeit 200 Stundenkilometer. (© DLR)
Geschätzte Lesedauer: 6 Minuten

Drohnen und hochautomatisierte Flugtaxis haben das Potenzial, den urbanen Luftverkehr mit neuen Möglichkeiten zu bereichern. Doch welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit wir in einigen Jahren die urbane Mobilität tatsächlich in der Luft nutzen können? Welche Ansprüche an Sicherheit, Effizienz, Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit müssen für umsetzbare Konzepte erfüllt sein? Im Forschungsprojekt HorizonUAM (Urban Air Mobility) hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Antworten auf diese Fragen gesucht – mit Konzepten für Fluggeräte, Flugkorridore, Haltepunkte (so genannte Vertidrome), die sich in die bestehende Infrastruktur integrieren. Am 04. und 05. Juli präsentierten die Forschenden ihre Ergebnisse im Nationalen Erprobungszentrum für Unbemannte Luftfahrtsysteme des DLR am Standort Cochstedt der Öffentlichkeit. Hier fanden in einer Modellstadt zentrale Flugversuche des Projekts statt. Konkrete Beispiele für den Aufbau des urbanen Luftverkehrs wurden insbesondere für die Stadt Hamburg entworfen. Das Feedback von Bürgerinnen und Bürgern zur möglichen Nutzung des städtischen Luftverkehrs floss in die Studien mit ein.

Der zukünftige urbane Luftverkehr stellt vielfältige Anforderungen an einen sicheren und effizienten Betrieb mit passenden Start- und Landeplätzen sowie Flugrouten, die sich schonend in die bestehende Infrastruktur und den Alltag der Menschen vor Ort integrieren“, sagt die DLR-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla. „Dafür benötigen wir einen ganzheitlichen Ansatz in Forschung und Entwicklung, den das DLR-Projekt HorizonUAM aufgreift. Insgesamt zehn beteiligte Institute und Einrichtungen zeigen die Gesamtsystemkompetenz des DLR in diesem für die urbane Mobilität und Wirtschaft wichtigen Zukunftsfeld.“

Das gesamte System unter Beobachtung

Um sich ein umfassendes Bild zu machen, entwickelten die Forschenden eine Gesamtsystemsimulation sowie eine Methodik zur Prognose der weltweiten Nachfrage nach UAM-Verkehrsdiensten. Diese Methode wendeten sie auf 990 städtische Gebiete mit mehr als 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern weltweit an. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Nachfrage mit einer steigenden Zahl an Haltepunkten und deren leichter Erreichbarkeit klar zunimmt“, berichtet Dr. Bianca Schuchardt vom DLR-Institut für Flugführung und Projektleiterin von HorizonUAM. „Bezahlbare Preise spielen dabei eine entscheidende Rolle.“ Anhand der Methodik identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehr als 200 Städte weltweit als „UAM-geeignet“. Neben Metropolen wie New York und Tokio ist darunter auch Hamburg. Wichtige Faktoren sind dabei unter anderem die Bevölkerungszahl, die Ausdehnung der Stadt, sowie das Bruttoinlandsprodukt.

Auch die Kosten nahmen die Forschenden unter die Lupe. Dafür entwickelten und untersuchten sie verschiedene Einsatzszenarien: den innerstädtischen Lufttaxi-Verkehr, Flughafen-Shuttles und den Regionalverkehr. Das Ergebnis: Um die Betriebskosten zu decken und gleichzeitig einen Gewinn zu erzielen, müssten Betreiberinnen und Betreiber für Lufttaxis und Shuttle-Services je nach Gegebenheiten Preise in einer Spanne von vier bis acht Euro pro Kilometer veranschlagen.

Senkrecht startende Lufttaxis

Wie sollte ein Vehikel, das einen Personentransport im städtischen Luftraum von A nach B ermöglicht, idealerweise aussehen? Auch dieser Frage gingen die Forschenden im Projekt HorizonUAM nach. „Wir haben verschiedene Vorentwürfe für senkrecht startende Lufttaxis angefertigt. Zu einem der Konzepte mit sechs schwenkbaren Rotoren wurde auch ein detailliertes Kabinendesign angefertigt, das wir hinsichtlich Sicherheit, Passagierkomfort und Betriebsabläufen für den UAM-Betrieb optimierten“, erklärt Schuchardt. In einem am DLR-Standort Braunschweig neu aufgebauten Kabinensimulator wurde der Flug in einem Lufttaxi für 30 Probandinnen und Probanden mittels Mixed-Reality erlebbar durchgespielt. Dabei zeigten sich die Probanden sehr offen gegenüber einem ferngeführten Lufttaxiflug ohne Piloten an Bord. Im Falle von unerwarteten Ereignissen, wie einer Streckenänderung, konnte das gefühlte Wohlbefinden jedoch tendenziell gesteigert werden, wenn ein Crew-Mitglied mit an Bord war.

Immer sicher unterwegs

Sicher, zuverlässig und weitestgehend autonom – so sollte das Lufttaxi der Zukunft aussehen. Wie es gelingen kann, es sicher aus der Ferne zu betreiben und zu überwachen und wie die Zertifizierung für diese Fluggeräte ablaufen müsste, untersuchten die Forschenden ebenfalls. Es zeigte sich schnell, dass bei Lufttaxis zwei großen Herausforderungen der bemannten und unbemannten Luftfahrt zusammenkommen: der Wunsch nach vergleichbarer Autonomie wie in der unbemannten Luftfahrt und der nach gleich hohen Sicherheitsstandards wie in der bemannten Luftfahrt. „Die Zertifizierbarkeit von Lufttaxi-Komponenten, wie zum Beispiel des Batteriesystems, konnten wir erfolgreich nachweisen. Für die deutlich komplexere Zertifizierung von Autonomiefunktionen haben wir Teillösungen erarbeitet, hier besteht aber weiterhin Forschungsbedarf“, erläutert Schuchardt.

Haltestellen für Lufttaxis

Damit Lufttaxis im städtischen Raum überhaupt zum Einsatz kommen können, brauchen sie Haltepunkte, also kleine innerstädtische Flugplätze, sogenannte Vertidrome. Diese müssen sich in die vorhandene urbane Infrastruktur und das jeweilige Stadtbild integrieren lassen. In diesem Zusammenhang errichteten die Forschenden am DLR-Standort Cochstedt eine Modellstadt im Maßstab 1:4, in der sie auch das Management eines Vertidroms untersuchten. Schuchardt berichtet: „In der Modellstadt konnten wir als prägnantes Beispiel ein Lufttaxi-Szenario für Hamburg erproben. Konkret ging es um eine Luftverbindung zwischen dem Hamburger Flughafen und einem in der Binnenalster positionierten Vertidrom. Die nachgestellte Flugstrecke durch Hamburg ließ sich günstig entlang der bestehender S-Bahn-Trasse legen. Sensible Gebiete oder solche mit höherem Flugverkehrsaufkommen, wie beispielsweise rund um das Hamburger Klinikum, wurden dabei ausgespart.

Wahrnehmung und Akzeptanz

Ein städtischer Luftverkehr kann ohne eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung nicht umgesetzt werden. Deshalb führten die Forschenden dazu mehrere Studien zum Feedback von Bürgerinnen und Bürgern durch. Sie beauftragten das Institut BIK ASCHPURWIS + BEHRENS GmbH, eine großangelegte Telefonbefragung zur Akzeptanz von zivilen Drohnen und Lufttaxis in der deutschen Bevölkerung durchzuführen. Diese Ergebnisse wurden dann von den Forschenden analysiert: Heraus kam ein breites Stimmungsbild. Für zivile Drohnen zeigte sich im Allgemeinen eine Tendenz zu einem eher positiven Meinungsbild, bei Flugtaxis waren die Befragten im Schnitt eher zurückhaltender.

Der Blick aus der Perspektive von Anwohnerinnen und Anwohnern wurde in einer weiteren Studie erfasst. Hier wurde Teilnehmenden mithilfe von Virtual-Reality-Technologie ein Eindruck vermittelt, wie man sich als Passant oder Passantin in einer Stadt fühlt, wo zivile Drohnen fliegen. Zusätzlich entwickelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine App, mit der die Geräuschkulisse von Drohnen nicht nur gemessen werden kann, sondern bei der die nutzende Person auch subjektive Bewertungen dazu abgeben kann.

Beispiel Hamburg

Zur Visualisierung der Arbeiten in HorizonUAM erstellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 3D-Renderings, die zeigen, wie sie sich Vertidromkonzepte vorstellen. Als Referenzstadt für diverse Untersuchungen in HorizonUAM bot sich die „Staumetropole“ Hamburg besonders an. „In Hamburg platzierten wir dafür einen Vertidrom mit einem einzelnen Landepad, dem so genannten Vertistop, in der Binnenalster“, berichtet Schuchardt. „Ein Vertidrom mit mehreren Pads für Start und Landung, also ein Vertiport, haben wir für den Flughafen Hamburg entworfen“, so Schuchardt weiter. Eine besondere Herausforderung war die Integration am Flughafen, da die Lufttaxis dem konventionellen Luftverkehr nicht zu nah kommen dürfen. In Schnellzeitsimulationen wurden innerhalb Hamburgs sogar 20 verschiedene Positionen für Vertidrome untersucht. In 24 Stunden könnten so 2.800 Flüge mit insgesamt 275 Lufttaxis absolviert werden.

Zusätzlich definierten die Forschenden An- und Abflugmanöver und Routen für Lufttaxis innerhalb Hamburgs. Diese wurden in Schnellzeitsimulationen analysiert und dann in mehreren Szenarien gemeinsam mit Fluglotsen in einem Towersimulator erprobt. Dabei wurde untersucht, wie die Flugsicherung am Hamburger Flughafen den bemannten und den unbemannten Luftverkehr zusammen kontrollieren könnte. Die definierten Prozeduren haben sich bewährt, es zeigte sich aber auch die zunehmende Arbeitsbelastung der Lotsen bei zusätzlichen Luftraumteilnehmerinnen und -teilnehmern.

Die Flugversuche im Rahmen des Projekts HorizonUAM fanden im Nationalen Erprobungszentrum für unbemannte Luftfahrtsysteme am DLR-Standort Cochstedt statt. Exemplarisch arbeiteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch hier mit Hamburg als Beispielszenario. Mehrere Multikopter repräsentierten dabei Lufttaxis, die sich zwischen Hamburger Flughafen und Vertidrom an der Binnenalster bewegten und dabei eine Häuserschlucht im Maßstab 1:4 überflogen. Dabei zeigten die Forschenden Methoden der Luftraumintegration mittels sogenannter U-space-Dienste, und demonstrierten die Abläufe eines Vertiportmanagers. Sie erprobten außerdem den Einsatz und die Absicherung durch künstliche Intelligenz am Beispiel der automatischen Personendetektion über Onboard-Kamerabilder. Darüber hinaus diente die Modellstadt dazu, Algorithmen zur sicheren Kommunikation und Navigation im urbanen Raum zu validieren.

Themen und Forschungsinfrastruktur erweitern

Nach dem Abschluss des Projekts HorizonUAM ist bereits ein Nachfolgeprojekt in Planung. In diesem sollen die Arbeiten zur Gesamtsystemsimulation fortgeführt werden. Auch die Modellstadt soll weiter ausgebaut und um Infrastruktur für einen Vertidromdemonstrator erweitert werden. Die Fernführung mehrerer Lufttaxis in einem Kontrollzentrum soll erprobt werden. Außerdem wollen die Forschenden das Konsortium um die Themenfelder Multimodalität und Energiemanagement erweitern.

- Anzeige -